Benefiz-Aktion endet vor Gericht Behindertenaufzug ist nicht betriebssicher

OBERKASSEL · Eigentlich sollte die kleine Klara seit zwei Jahren mit ihrem Rollstuhl in einem Spezialaufzug in ihr Zimmer im ersten Stock fahren können. Viele Menschen haben für diese groß angelegte Hilfsaktion Geld gespendet - insgesamt fast 41 000 Euro. Der Aufzug wurde zwar gebaut, aber er ist nicht betriebstauglich.

 Juli 2015: Der Lift ist seit vielen Monaten an der Außenwand des Wohnhauses montiert, aber nicht betriebssicher.

Juli 2015: Der Lift ist seit vielen Monaten an der Außenwand des Wohnhauses montiert, aber nicht betriebssicher.

Foto: Holger Willcke

Fehler in der Planung und beim Bau sollen für das gescheiterte Benefizprojekt verantwortlich sein. Jetzt beschäftigen sich die Juristen mit dem Fall und versuchen, den oder die Schuldigen ausfindig zu machen.

Die Eltern sind tief enttäuscht

Die Eltern, Tanja und Stephan Käufer, sind verzweifelt und tief enttäuscht. "Den einzigen Vorwurf, den ich mir machen kann, ist, dass ich zu lange gewartet habe. Ich habe immer gehofft, dass sich das Blatt noch zum Guten wendet. Leider ist es anders gekommen", sagte Stephan Käufer im Gespräch mit dem GA. Vor einigen Tagen hat sich die Familie aus Oberkassel einem Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht anvertraut. Der Jurist hat jetzt ein Beweissicherungsverfahren am Gericht eingeleitet. Der zuständige Richter hat nach Aussage von Stephan Käufer einen Sachverständigen beauftragt, die Abläufe zu kontrollieren und zu bewerten. Der Gutachtertermin hat allerdings noch nicht stattgefunden.

"Mir ist jetzt der Geduldsfaden gerissen. Am liebsten würde ich eine Flex nehmen, den Aufzug absägen und einen neuen bauen lassen. Die Zeit läuft uns weg", sagte der 38-Jährige. Klara ist mittlerweile sechs Jahre alt und wird ab August die Frida-Kahlo-Schule in Sankt Augustin besuchen. Als die Benefizaktion startete, war das Mädchen zwei Jahre alt.

2012 gestartete Benefiz-Aktion brachte fast 41.000 Euro

Die Eltern von Klara erhielten vier Wochen vor der Geburt ihrer Tochter die schlimme Nachricht: Spina bifida - was so viel bedeutet wie offener Rücken. Die Sechsjährige ist durch eine Spaltbildung am dritten und vierten Lendenwirbel vom Beckenbereich abwärts querschnittsgelähmt, sie leidet zudem an Fehlfunktionen von Darm und Blase, was zur Folge hat, dass die Eltern das Kind vier Mal am Tag kathederisieren müssen. Außerdem hat Klara wegen Muskelverkürzung eine Fehlstellung der Beine und Klumpfüße.

Die Idee zur damaligen Benefizaktion hatten die beiden Oberkasseler Dietmar Brenner und Dirk Rönz. Sie hatten von Klara und ihrer seltenen Krankheit erfahren und wollten helfen. Um eine Spendenaktion rechtlich einwandfrei und geordnet durchführen zu können, benötigten sie einen Verein, der so eine Hilfsaktion laut Satzung unterstützen und durchführen kann. Mit dem Bürgerverein Oberkassel war so eine Institution schnell gefunden. Vorsitzender Hans Georg Dreidoppel richtete in Absprache mit dem Finanzamt Bonn ein Sonderkonto für Klara ein und kümmerte sich um Geldeingänge und -ausgänge sowie um Spendenquittungen. "2012 haben wir die Benefizaktion gemeinsam gestartet, und im Januar 2013 waren bereits fast 41 000 Euro auf dem Konto", sagte Dreidoppel dem GA.

"Leidtragende an diesem Trauerspiel ist ausschließlich Klara"

Die Initiatoren sind über die Entwicklung im Fall Klara allesamt frustriert. "Wenn ich daraus etwas gelernt habe, dann das, dass ich so etwas nie mehr organisieren werde", sagte Dreidoppel. Er habe oft darüber nachgedacht, ob er ein strafrechtliches Verfahren gegen den Bauleiter oder die Baufirma einleiten soll. "Ich habe es dann nicht getan, weil ich diese Entscheidung der Familie Käufer überlassen wollte. Der Bauleiter ist ein Freund der Familie Käufer, und deshalb sind wir davon ausgegangen, dass diese Person der Familie Käufer keinen Schaden zufügen wird. Wir haben viel Geld in den Sand gesetzt, das von anderen Menschen für ein gut gemeintes Hilfsprojekt gespendet worden ist. Das macht mich traurig. Leidtragende an diesem Trauerspiel ist ausschließlich Klara", betonte Dreidoppel gegenüber dem GA.

Der Vereinsvorsitzende denkt derzeit darüber nach, über das Amtsgericht Bonn ein Treuhänderkonto für den Restbetrag in Höhe von fast 9000 Euro einrichten zu lassen. Auf die Frage, für was das übrige Geld verwendet worden ist, antwortete Dreidoppel: "Wir haben den Umbau des Kinderzimmers bezahlt. Der war erforderlich, damit Klara mit ihrem Rollstuhl vom Lift in das Zimmer kann. Außerdem haben wir dem Bauleiter viermal 4000 Euro für Material und Arbeitsleistungen überwiesen. Leider warte ich bis heute auf die mehrfach zugesagte Einzelaufstellung der Ausgaben."

Firma VitaLift soll "unglückliche Rolle" gespielt haben

Wegen des schwebenden Verfahrens wollte niemand der Beteiligten den Namen des Bauleiters öffentlich machen. Der GA hat den Namen dennoch herausgefunden. Als sogenannter "Bauleiter/Architekt" hat Ulrich Schwarz aus Oberkassel, ein Freund der Familie Käufer, fungiert. Am Telefon sagte Schwarz dem GA: "Ich bin mir keiner Schuld bewusst. Ich habe als Freund der Familie ehrenamtlich und unentgeltlich Ratschläge gegeben und am Bau beteiligte Personen mit dem gespendeten Geld bezahlt. Dass das Projekt so schief gelaufen ist, bedauere ich sehr, aber das hat viele Gründe."

Nach Ansicht von Schwarz hat die Firma VitaLift in der ganzen Angelegenheit eine "unglückliche Rolle" gespielt. Die Firma sei nur Vertreiber, aber nicht Hersteller des Lifts. "Zuerst sollten wir nur für die Stromzuleitung sorgen, dann waren wir plötzlich auch noch für die Errichtung des Transportgestells an der Außenwand des Hauses zuständig. Wir haben damals von der Firma VitaLift dafür eine Zeichnung erhalten", so Schwarz. Der beauftragte Statiker habe sich zudem mit der Herstellerfirma in Österreich in Verbindung gesetzt und in Absprache seine Berechnungen erstellt. Dennoch habe alles nicht zusammengepasst.

Große Enttäuschung bei den Beteiligten

"Der Schlosser hat auch keine Fehler gemacht, weil er nur nach diesen Vorgaben gearbeitet hat", sagte Schwarz. Gefragt, ob und wie man das Hilfsprojekt noch retten könne, antwortete der Bauleiter: "Ich kann nicht verstehen, warum sich nicht alle Beteiligten an einen Tisch setzen und nach einer Lösung suchen. Der Lift fährt doch. Nach meiner Einschätzung müsste der Schlosser das Transportgestell an der Hauswand verstärken. Das würde nicht mehr als einen Tag Arbeit bedeuten. Aber das ist nicht gewollt." Stattdessen würde man jetzt ihm die Schuld für das Scheitern des Bauvorhabens in die Schuhe schieben.

Enttäuscht ist auch Dietmar Brenner. Der ehemalige Präsident der KG Kaasseler Jonge, der gemeinsam mit Dirk Rönz vom Tambourcorps Grün-Weiß Oberkassel den Spendenaufruf gestartet hat, ist vor allem verärgert über die Firma VitaLift, die den Transportaufzug in Oberkassel montiert hat: "Der Verkäufer der Firma war fachlich nicht auf der Höhe. Es ist ganz traurig, dass eine Firma, die an Behinderten Geld verdient, uns bei der Beratung und Durchführung so hat im Regen stehen lassen." Aber darüber hinaus seien noch einige andere Dinge sehr zweifelhaft verlaufen.

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