Bioladen „Momo“ kommt im Krimi vor Beueler Autorin stellt neues Buch vor

Beuel · Die bekannte Beueler Autorin Judith Merchant hat nach ihrem ersten Besteller „Atme!“ jetzt den Krimi „Schweig!“ veröffentlicht. Am 30. Oktober signiert sie das Buch in der Buchhandlung Bücher Bartz.

 Die Beueler Autorin Judith Merchant unterrichtet an der Bonner Universität Kreatives Schreiben.

Die Beueler Autorin Judith Merchant unterrichtet an der Bonner Universität Kreatives Schreiben.

Foto: Maya Claussen

Ihre jüngere Schwester Sue tue ihr „unendlich leid“, sagt Esther, eine der beiden Hauptfiguren im neuen Roman „Schweig!“ der Beueler Schriftstellerin Judith Merchant. Die jüngere Sue, die sich in einer abgelegenen Villa am Wald „in der Trauer über ihre zerbrochene Ehe suhlt, kinderlos, halb verrückt, so zugänglich wie ein Kaktus“, diese Sue ist Esther eine Belastung. So beschreibt es die Ältere auf jeden Fall selbst im gerade erschienenen Buch, als sie zu Weihnachten aus Pflichtgefühl die Jüngere besucht. „Ich bin kein freier Mensch, denn ich habe eine Schwester“, so sieht Esther das. Und es sei ihre Pflicht, diese so seltsame Jüngere mit dem „stacheligen Panzer“ vor dem Untergang zu retten.

Was die „Kleine“ jedoch ganz anders bewertet. Die fühlt sich nämlich von der „Großen“ ewig bevormundet. „Zehn Minuten mit meiner Schwester, und schon bin ich wieder ihre Geisel“, stöhnt Sue nur ein paar Seiten weiter. Gnadenlos zerlegt auch sie das Leben der anderen. „Ich bemitleide meine Schwester für diese unfassbaren Mengen an Selbstgebasteltem, hässlicher Deko und Polyacryl-Weihnachtspullovern“, ätzt Sue über den Alltag Esthers in deren Großstadt-Blase mit Mann und zwei Kindern. Merchant hat schon zu Beginn die Karten für einen mitreißenden Thriller gemischt. Denn „dieses Weihnachten werden nicht alle überleben.“ Was kann also schöner sein als ein Familienfest?

Bekannt geworden mit hintergründigen Kurzgeschichten

Auf die Frage, wie sie im besinnlichen Beuel eigentlich dazu komme, Thriller zu schreiben, antwortet Merchant erst einmal: „So besinnlich ist Beuel gar nicht.“ Um dann hinzuzufügen: „Aber selbst wenn: Aus meiner Perspektive sind ja gerade die heilen Kulissen, die schönen Umgebungen und die scheinbare Idylle das, wohinter sich viel verbergen kann.“ Die 44-Jährige ist Literaturwissenschaftlerin und unterrichtet an der Bonner Universität Kreatives Schreiben. Mit hintergründigen Kurzgeschichten ist sie bekannt geworden. Zweimal erhielt sie den Friedrich-Glauser-Preis, die wichtigsten Krimi-Ehrung Deutschlands. Mit Lesungen machte sie in Bonn und Umgebung ihre Rheinkrimi-Serie, darunter „Nibelungenmord“ und „Loreley singt nicht mehr“, bekannt. 2019 folgte beim renommierten Verlag Kiepenheuer & Witsch der Bestseller „Atme“, der Vorläufer des aktuellen Romans „Schweig!“.

Was reizt also die Beuelerin am Thriller-Genre? „Ich bin neben einem Friedhof aufgewachsen und dachte lange, dass daher mein Interesse für Abgründe rührt“, berichtet Merchant zwinkernden Auges. Sie interessierten eben „die individuellen Kippmomente, in denen Menschen an ihre Grenzen geraten, ihre Ideale verraten, ihre Zivilisation abstreifen“, erklärt die 44-Jährige dann. In jedem gebe es doch etwas Zerstörerisches. Sie spüre beim Schreiben nach, wo sich das zeige. „Ich kann auf meine Figuren Stein um Stein häufen, bis sich der erste Riss in der Fassade zeigt, ehe sie erst bröckelt und schließlich alles implodiert – oder auch nicht.“ Und genau das passiere in den Thrillern, so Merchant. „Im Zentrum stehen keine unschuldigen Opfer und bösen Serienmörderinnen, sondern Menschen wie Du und ich, die ein paar Steine zu viel abbekommen haben und deswegen ihren Weg verlassen.“

18 Monate Arbeit stecken im neuen Roman

Sie habe bei früheren Texten gerne das Rheinland als Kulisse gewählt. Doch dieses Mal habe sie dem Roman keinen Ort zugewiesen. „Beim Schreiben habe ich an die Eifel gedacht“, verrät Merchant dann doch. Sie habe als Treffpunkt der Schwestern einen abgeschiedenen Ort gebraucht, wo Handyempfang und Internet ein Lottospiel seien. Ihr Buch sehe sie als eine Art Kammerspiel zu Weihnachten. Die Familie, die sich lange nicht gesehen habe, komme mit all ihren Erwartungen und Erfahrungen zusammen. „Die äußere Welt scheint wie ausgeknipst.“ Und dann könne eben so einiges passieren. 18 Monate habe sie an "Schweig!" gearbeitet, nachdem die Grundidee klar war, sagt Merchant zum Schreibprozess. An besonders kniffligen Punkten habe sie sich mit ihrem Lektor und ihrer Agentin ausgetauscht.

Sie denke übrigens nicht an eine potentielle Leserschaft, während sie schreibe, antwortet die Autorin. „Das würde mich vollkommen verrückt machen.“ Inzwischen erhalte sie viel Feedback von Frauen, die Schwestern haben und sich im Buch wiedererkennen. „Oder von Menschen, die das Weihnachsfeiern mit der erweiterten Familie auch als spannungsreich erlebt haben.“ Ihre eigene Familie sei ja mit ihr viel Kummer gewöhnt, sagt Merchant auf Nachfrage. „Ich schreibe seit zwölf Jahren Bücher, in denen Menschen einander Schlimmes antun, zu Schaden kommen oder ihre furchtbarsten Seiten zeigen.“ Aber natürlich schlichen sich auch immer wieder Details aus ihrem Alltag in die Bücher. Etwa die Katze, die so gern auf kratzigen Sachen herumkaue, sodass man sogar die Klobürste vor ihr verstecken müsse. „Oder der ungespritzte Tannenbaum vom Beueler Bio-Laden Momo.“

Im Handel erhältlich: Judith Merchant, Schweig! Thriller, Kiepenheuer & Witsch 2021, 15 Euro. Anlässlich der Aktion „Woche der unabhängigen Buchhandlungen“ signiert die Autorin am Samstag, den 30. Oktober ihr neues Buch zwischen 11 und 13 Uhr in der Buchhandlung Bücher Bartz in Beuel, Gottfried-Claren-Str. 3.

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