Umstellung in der Corona-Krise Beueler Firma stellt Desinfektionsmittel statt Marzipan her

Beuel. · Desinfektionsmittel statt Süßigkeiten, Schutzwände statt Markisen und Zelte: Die Beueler Firmen Kessko und Zelte Aachen haben während der Pandemie die Produktpalette erweitert. Wie hat das funktioniert?

 Dirk Matull, Mitarbeiter bei Zelte Aachen, zeigt ein Schutzzelt. Sie werden beispielsweise vor Altenheimen als Schleuse gebraucht.

Dirk Matull, Mitarbeiter bei Zelte Aachen, zeigt ein Schutzzelt. Sie werden beispielsweise vor Altenheimen als Schleuse gebraucht.

Foto: Axel Vogel/AXEL VOGEL

Spätestens als der Lockdown im Zuge der Corona-Krise Mitte März beschlossene Sache war, wurden bestimmte Hygieneartikel auch in der Bonner Region zur Mangelware – beziehungsweise ganz neue Schutzprodukte nachgefragt. Zwei alteingesessene Beueler Unternehmen setzten daher seit Frühjahr ganz kurzfristig auf eine Nischenproduktion – und zwar fernab ihrer eigentlichen Angebotspalette: Zelte Aachen, spezialisiert auf Markisen, Großschirme, Sonnen- und Wetterschutz, macht derweil in Corona-Schutzprodukten wie transparente Schutzwände aus Kunststoff.

Ferner die Firma Kessko, die sich eigentlich seit 105 Jahren einen Namen bei der Produktion süßer Spezialitäten gemacht hat, doch seit Ausbruch der Corona-Krise zwischenzeitlich Hände- und Flächendesinfektionsmittel hergestellt hat. Vor allem, um die Krise wirtschaftlich überbrücken zu können.

Bei der Firma Zelte Aachen war die Ausgangslage ein wenig anders: „Kunden hatten uns gezielt angesprochen, ob wir nicht Corona-Schutzlösungen beispielsweise für Büroarbeitsplätze anbieten können“, erinnert sich Herbert Aachen. Er ist mit seinem Bruder Franz Geschäftsführer des vor 70 Jahren gegründeten Unternehmens, in dem bereits die dritte Generation in Verantwortung ist. Frei nach dem Motto „Not macht erfinderisch“ machten sich die Gebrüder Aachen an die Herstellung von Trennwänden aus Folien, die einzelne Arbeitsbereiche absichern sollen.

Gewünscht wurden von Verkehrsbetrieben ferner Fahrer- und Fahrgastabtrennungen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Zudem Zeltpavillons als Eingangsschleusen vor sensiblen Bereichen, „etwa vor Altenheimen und Krankenhäusern“, führt Franz Aachen aus. Auch die Gastronomie hat in der Krise spezielle Wünsche: Angesichts der bevorstehenden Herbstsaison sollen Gastraum-Außenflächen vermehrt erweitert werden.

Das will man laut der Gebrüder Aachen mit transparenten Wänden erreichen, die an bereits vorhandenen Markisen und Großschirmen befestigt werden: „So können die Wirte mehr wettergeschützte Flächen im Außenbereich für die Übergangszeit anbieten“, erklärt Herbert Aachen.

Ob das dauerhaft ein neuer Geschäftszweig werden könnte? Franz Aachen schüttelt den Kopf: „Wir werden uns weiterhin auf unser Kerngeschäft, nämlich Sonnenschutz, Zelte und Markisen konzentrieren“, führt er aus. Die Herstellung der Schutzprodukte gegen das Corona-Virus mache nämlich nur einen geringen Teil der Unternehmensaktivitäten aus und erfolge „vorrangig auf Kundenwunsch“.

Keinesfalls eine Dauerlösung ist aus Sicht von Kessko-Geschäftsführer Klaus Nannt auch die Herstellung der Desinfektionsmittel. Genauer gesagt die von Hand- und Flächendesinfektionsmitteln in unterschiedlichen Größen, in Sprüh- oder Nachfüllflaschen. Eher im Gegenteil: „Wir haben die Produktion wieder eingestellt und verkaufen jetzt die Lagerbestände ab.“ Schließlich laufe im Herbst auch die Genehmigung der Bundesregierung aus, die es Betrieben wie Kessko nach den strengen Regeln der Weltgesundheitsorganisation WHO überhaupt erlaubt habe, unter Aufsicht einer Apotheke Hygieneartikel herzustellen. Im Falle von Kessko war das die Veedels Apotheke aus Sankt Augustin. Hinzu kommt: Die Nachfrage nach den Desinfektionsartikeln aus dem Haus Kessko hält sich in Grenzen. Das hat laut Nannt damit zu tun, dass sich derweil auf dem Markt jede Menge Anbieter tummeln, die teils auch qualitativ wenig wertige Ware zu Kampfpreisen anbieten würden: „Der Ethanolgehalt liegt bei unseren Produkten bei 96 Prozent, bei anderen Anbietern bei unter 60 Prozent.“

Im Frühjahr hatte allerdings die Produktion der Desinfektionsmittel sehr hoffnungsvoll an der Königswinterer Straße in Beuel begonnen: „Das Angebot war ja extrem knapp“, schildert Geschäftsführer Nannt die damalige Situation. Hinzu kam, dass die Nachfrage nach Backgrundstoffen etwa aus den Bereichen Kuvertüren, Marzipanrohmassen, Schokoladenerzeugnisse, Vormischungen, Aromen, Backmittel und Naschwerk, also das Kerngeschäft des Unternehmens, mit Beginn der Corona-Krise quasi weggebrochen war: „Daher half die Produktion von Desinfektionsmitteln, Arbeitsplätze zu sichern und Kurzarbeit zu vermeiden“, so Geschäftsführer Nannt, der 120 Mitarbeiter zählt. Auch bot die Infrastruktur des Werkes für den Aufbau der neuen Produktlinie geradezu ideale Voraussetzungen: „Hier bei Kessko wurde früher Alkohol hergestellt, sodass wir nicht nur die besonders geschützten Räumlichkeiten dafür hatten, sondern auch das Prozedere kennen“, unterstreicht Klaus Nannt.

Nachdem für die neue Produktion viele Formalitäten zu erfüllen waren, konnte Kessko im April die ersten per Hand abgefüllten Desinfektionsflaschen verkaufen. Zuerst an Apotheken, ab Mai dann auch an Händler, erinnert sich der Kessko-Geschäftsführer, und mittlerweile auch über die eigene Internetseite unter www.kessko.de: „Es wurde aber kein Riesengeschäft, weil der Kunde auch in diesem Fall in erster Linie auf den Preis achtete.“ Daher werde die Produktion jetzt definitiv auslaufen.

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