Heimatgeschichte Beueler Industrieller als Statthalter

BEUEL · Alles begann mit einem Loch im Boden. Auf dem Feld vor seiner Haustür war es für den Oberholtorfer Landwirt Horst Wolfgarten kaum zu übersehen. Die Absenkung weckte sein Interesse. Eine Beobachtung mit Folgen.

Zwei Experten im Gespräch: Der Heimatforscher Horst Wolfgarten und Editha Hoschützky, die Urenkelin Leopold Bleibtreus.

Zwei Experten im Gespräch: Der Heimatforscher Horst Wolfgarten und Editha Hoschützky, die Urenkelin Leopold Bleibtreus.

Foto: Johanna Heinz

Seit mehr als 21 Jahren beschäftigt sich der passionierte Heimatforscher mit der örtlichen Industriegeschichte - und damit ganz unweigerlich mit Leopold Bleibtreu, jenem Mann, der Anfang des 19. Jahrhunderts im Ennert die erste Alaunhütte errichtete und dessen Unternehmen später zum bedeutendsten Alaunproduzenten Preußens und größten Arbeitgeber der Region aufstieg.

Immer wieder hat Wolfgarten sich neue Aspekte der Geschichte vorgenommen. Noch weitgehend unbekannt sei bislang beispielsweise die Rolle gewesen, die der Bergwerks- und Fabrikbesitzer am Ende der Koalitionskriegen oder Napoleonischen Kriege im Saarland spielte.

Horst Wolfgarten ist durch die Chronik der Familie Bleibtreu auf die Zeit aufmerksam geworden, die Leopold Bleibtreu im Jahr 1814 in Saarland verbracht hat, und hat sich aus dem saarländischen Landesarchiv in Saarbrücken Quellen zukommen lassen und sie ausgewertet.

Nachdem Bleibtreu bereits in Bonn nach dem Rückzug der Franzosen nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 gebeten worden war, die Stadt als Platzkommandant vor Plünderungen zu bewahren, habe er von Karl Justus Gruner, kaiserlich russischer Staatsrat und Leiter des Generalgouvernements Berg, den Auftrag erhalten, sich als "Special-Commissar" an die Saar zu begeben, um sich Militärangelegenheiten, der Organisation einer Landwehr sowie Bergwerks- und anderen Geschäften zu widmen, so Wolfgarten.

"Was muss Bleibtreu für eine Kompetenz und Ausstrahlung gehabt haben, dass man ihn - er war gerade einmal 37 Jahre alt - für fähig hielt, kurzfristig die Geschicke des Saarlandes als eine Art Statthalter zu lenken?", sagt er.

Es sei Bleibtreus Aufgabe gewesen, wie vorher bereits in Vilich und Bonn, die Region vor Übergriffen von Banden zu schützen und die Lebensverhältnisse der Bevölkerung zu verbessern. Ein Kapitel, das auch der Bleibtreu-Nachfahrin Editha Hoschützky bislang eher unbekannt war. "Ich wusste über diese Phase seines Lebens nicht viel", sagt die Ur-Ur-Enkelin des Bergbau-Pioniers.

Besonders beeindruckt sei Wolfgarten von der Rolle gewesen, die Bleibtreu wohl bei der Entscheidung gespielt hat, was mit dem Saarland nach dem Ende der Kriege passieren sollte. Denn laut dem Ersten Pariser Friedensvertrag sollte das Saarland bei Frankreich bleiben.

Bleibtreu richtete ein Gesuch an den Generalgouverneur. "In diesem sehr emotionalen Schreiben wies er mit Nachdruck auf das große Entsetzen der saarländischen Bevölkerung hin." Zusätzlich erstellte er ein Gutachten, in dem er auf die Bedeutung der Kohle- und Erzgruben in der Region hinwies.

"Vor allem dieses Gutachten über die Bodenschätze dürfte ausschlaggebend gewesen sein." Mit dem Zweiten Pariser Frieden wurde das Saarland in das Königreich Preußen eingegliedert. "Es gibt in Saarbrücken allerdings anders, als in Bonn, keine Bleibtreu-Straße." Er sei enttäuscht, sagt Wolfgarten, dass Bleibtreu im Saarland kaum bekannt sei.

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