Denkmalsanierung in Beuel Fabrikschlot der Jutespinnerei ist komplett eingerüstet
Beuel · Die Stadt saniert den Fabrikschornstein der denkmalgeschützten Jutespinnerei auf dem Schauspiel-Gelände an der Siegburger Straße. Verbesserung der Statik und Erneuerung des Mauerwerks kosten eine Million Euro.
Der eingerüstete Schornstein auf dem Schauspielhallen-Gelände an der Siegburger Straße im Beueler Osten fällt ins Auge. Ist das Kunst – oder kann das weg? Nein, es ist keine Hommage an den Verpackungskünstler Christo. Und noch einmal nein, der 46 Meter hohe Fabrik-Schornstein muss unbedingt stehen bleiben, auch wenn er längst keine technische Funktion mehr erfüllt. Der Denkmalschutz sichert seinen Erhalt wie auch den des gesamten Gebäudekomplexes der einstigen Jutespinnerei für die Nachwelt. Die hermetische Einrüstung schützt auch die Bauarbeiter, die in schwindelnder Höhe das Mauerwerk reparieren.
Seit geraumer Weile steht die dringende Sanierung auf der Liste der Verwaltung. Sie ist die Eigentümerin. Bereits 2018 musste der Fabrikschlot mit Schutznetzen umhüllt werden. Es bestand die Gefahr, dass Steine oder andere Teile herabfallen. Damals wurde beschlossen, den Kamin wegen des attestiert schlechten Zustands zu sanieren. Die Ausschreibung sollte eigentlich 2018 erfolgen. Ohnehin hatte das Städtische Gebäudemanagement Instandsetzungsarbeiten in den unter anderem als Theaterwerkstätten genutzten Gebäuden angekündigt.
Das Presseamt beziffert die Ausgaben für die Verbesserung der Statik und Erneuerung des achteckigen Backstein-Mauerwerks des freistehenden Kamins auf etwa eine Million Euro. Die oberen zwölf Meter müssen neu aufgebaut werden. Aus dem Denkmalförderprogramm des Landes seien rund 222 000 Euro zu erwarten.
Am Freitag war die Kamin-Baustelle verlassen; kein Arbeiter auf dem Gerüst. Die Antwort auf die Frage, wie lange die Sanierungsarbeiten voraussichtlich dauern, blieb das Presseamt schuldig. Ebenso eine Auskunft über einen Sanierungsplan für das gesamte Denkmal-Ensemble.
Relikte aus der Zeit als Industrie-Standort
Die ehemalige Jutespinnerei gehört, wie beispielsweise die nicht weit davon entfernte Rheinische Tapetenfabrik, in die Ära Beuels als prominentem Industriestandort im Rheinland. Der Kölner Leinenhändler Alfred Hieronymus verlagerte 1868 seine Juteweberei vom Bonner Talweg an die Siegburger Chaussee. In den Anfangsjahren waren bis 600 Arbeiter im Werk beschäftigt. Dann: Krise, Konkurs und Neugründung.
Bis zum Ersten Weltkrieg entwickelte sich die „Westdeutsche Jutespinnerei und Weberei“ zu einem der größten Industriebetriebe der Region mit bis zu 1500 Beschäftigten. In dieser Zeit entstanden die Arbeitersiedlungen an der benachbarten Josef-Thiebes- und an der Paulusstraße. Als erste in Deutschland verarbeitete die Beueler Fabrik Jute. Die aus Indien und Pakistan importierte Rohware wurde anfangs bis zum Bau der rechtsrheinischen Eisenbahnstrecke mit Kähnen von Rotterdam bis zur Beueler Werft – heute steht dort die Kennedybrücke – transportiert. Pferdefuhrwerke brachten die 180 Kilogramm schweren Juteballen zur Spinnerei.
Aus dem Garn wurde grober Stoff für Säcke – beispielsweise für die nahegelegene Zementfabrik – und der Trägerstoff für Linoleumböden. Es folgen die Kapitel Erster Weltkrieg mit Schließung, Fusionen in der Zwischenkriegszeit, Wehrmachtsaufträgen und dem Einsatz von Zwangsarbeitern im Zweiten Weltkrieg. Beim Luftangriff am 4. Februar 1944 wurde die Jutespinnerei zerstört.
Nutzung als Industriegebäude endet 1980
Ab 1945 konnte die Produktion wieder aufgenommen werden; in den 1950er-Jahren stieg die Zahl der Beschäftigten auf 500 an. Neue Verpackungsmittel verdrängten die Nachfrage nach Jute. 1961 übernahm die Dresdner Bank die Vereinigte Jutespinnereien und Webereien AG und sanierte. In Beuel wurden Spinnmaschinen und Webstühle demontiert und auf Kunststoffverarbeitung umgestellt. Letzter Eigentümer war die Dynamit Nobel AG in Troisdorf, bis die Produktion 1980 eingestellt wurde.
Im Jahr darauf erwarb die Stadt die Fabrikanlage, um eine Neuordnung der kulturellen städtischen Spielstätten zu ermöglichen. Probebühnen, Theaterwerkstätten, das Lager für Bühnenbilder und Fundus sind dort untergebracht. Seit 2016 hat das Pantheon-Theater die Halle Beuel gemietet, das nach 30 Jahren seinen Spielort im Bonn-Center wegen des geplanten Neubaus verlassen musste.
Die Fassaden des Fabrik-Ensembles stehen seit 1999 unter Denkmalschutz. Der Fabrikschornstein, 1868 gebaut, gehört zum sogenannten Kesselhaus.