Katzenstreu und Hähnchen zwischen Büchern Bücherschränke in Bonn werden oft zugemüllt

Beuel · Ulrich Kindermann fährt regelmäßig alle öffentlichen Bücherschränke im Bonner Stadtgebiet an. Der 44-Jährige kümmert sich freiwillig um die Inhalte. Aber bei seinen Touren entdeckt und erlebt er vieles, was bei ihm auf Unverständnis stößt.

 Ulrich Kindermann kümmert sich freiwillig um zahlreiche Bücherschränke in Bonn.

Ulrich Kindermann kümmert sich freiwillig um zahlreiche Bücherschränke in Bonn.

Foto: Niklas Schröder

Ulrich Kindermann stellt sein Lastenrad vor den Bücherschrank am Beueler Rheinufer. Ein Blick in die vollen Regale und der Beueler weiß, was zu tun ist. „Die Idee ist, dass keinem Leser ein Buch entgegenfällt“, sagt Kindermann, während er die Reihen ordnet. „Ich sortiere die Bücher so, wie man das von dem heimischen Bücherregal gewohnt ist.“

Rund 400 Bücher sollen sich gerade im Schrank befinden. Das seien eindeutig zu viele. Kindermann nimmt zwei Bücherreihen heraus und befüllt damit sein Lastenrad. „Ich nehme rund 50 Bücher mit und verteile sie auf andere Schränke im Umkreis“, erklärt der 44-Jährige. Gewöhnlich stehen in einem Schrank zwischen 250 und 300 Bücher, schätzt er. Mindestens 50 Bücher werden jeden Tag von Passanten mitgenommen. Ebenso viele kämen aber auch täglich hinzu. „Es ist ein konstant bleibender Wechsel.“

Bücherschränke in Bonn: Gemeinschaft wird durch das Weiterreichen der Bücher gestärkt

Damit dieses Gleichgewicht bestehen bleibt, fährt Kindermann regelmäßig alle 17 Bücherschränke im Bonner Stadtgebiet an. „Das ist mein abendliches Sportprogramm.“ Zwischen 100 und 300 Bücher wechseln je Tour den Standort. Im Monat sind das bis zu 1000 Bücher, die der Bonner mit seinem Lastenrad transportiert. Als leidenschaftlicher Leser nutzt Kindermann das Angebot seit 2016 selbst regelmäßig. „Für mich hat das Konzept hinter den Bücherschränken viel mit Wertschätzung gegenüber dem Buch als Kulturgut zu tun.“ Hervorzuheben sei bei dem System auch die soziale Komponente, denn durch das Weiterreichen von Büchern werde die Gemeinschaft gestärkt und manche Orte aufgewertet. Wie etwa beim Bücherschrank in Geislar. Hier beobachtet Kindermann nun viele jungen Menschen, die interessiert in den Schriften blättern würden.

Nachdem der Beueler Bücherschrank am Rheinufer mehrmals in Brand gesetzt worden war, beschloss Kindermann nach Gesprächen mit der Bürgerstiftung mehr Verantwortung für die Schränke zu übernehmen. Als Ansprechpartner macht er sich seit 2019 ein genaues Bild von den Kästen. „Mir ist aufgefallen, dass es stadtweite Probleme mit den Schränken gibt. Es werden Sachen abgestellt, die da nicht hineingehören, wie Müll oder VHS-Kassetten.“

Bonner stellen verschiedene Deko- und Bastelsachen in die Bücherschränke

So habe Kindermann erst kürzlich ein eingepacktes Hähnchenfilet in Vilich-Müldorf vorgefunden. „In Beuel lag mal ein offener Beutel Katzenstreu im Kasten“, erinnert er sich. Auch nicht ganz jugendfreie Filme sollen ab und an im Kasten landen. „Es wurde mal ein ganzer Schrank mit sämtlichen Ausgaben von einem Modeleisenbahnmagazin gefüllt.“ Außerdem stellten die Bonner verschiedene Deko- und Bastelsachen in die Schränke. „Sachen, die man nicht mehr gebrauchen kann, landen dann im Müll. Ich versuche aber, auch manche Dinge wie CDs oder Schallplatten an andere Verteilerkästen weiterzuleiten.“

Bücher würden meist aber nicht entsorgt. „Es gibt keine Bücher, die wochenlang in einem Schrank stehenbleiben. Das geht alles schnell weg“, berichtet Kindermann. Demnach fände wirklich jedes Buch auch seinen Abnehmer. „Die Menschen glauben mir das nicht, aber ich beobachte, dass sich die Schränke von selbst austauschen.“ Ein Umstand, der manche Bonner zu übereifrigen Aktionen verleitet.

Bücherschränke in Bonn: Sachbeschädigungen sind ein zusätzliches Ärgernis

„Es passiert schon, dass Menschen den Hausbestand aussortieren und dann ihre Bücher kistenweise in oder neben den Schrank stellen.“ Das sei kürzlich in Holzlar passiert und in Duisdorf ein regelmäßiges Problem. „Dort werden Bücher häufig daneben gelegt.“ Für Kindermann unverständlich, denn bei Regen werden die Bücher nass und dann meist unbrauchbar. „Die Grundregel ist, wenn der Schrank voll ist, müssen die Bücher wieder mitgenommen werden“, mahnt er. Im Zweifelsfall sollten die Menschen den Schrank vorher prüfen, bevor sie sich mit Kisten auf den Weg machen. „Am besten erst gar nicht viele Bücher zu den Schränken bringen, sondern immer nur ein paar Exemplare reinstellen“, bittet Kindermann um Verständnis.

Ein zusätzliches Ärgernis seien Sachbeschädigungen, die sich aber nicht häufen sollen. „Drei Sachbeschädigungen gab es in den vergangenen fünf Jahren. Eine zerstörte Scheibe und die wiederholte Brandstiftung in Beuel.“ Sonst sei Kindermann nichts weiteres bekannt. „Was ich ab und zu vorfinde sind Schäden durch Altersschwäche, wie kaputte Scharniere.“

Schmierereien wie Eddingschriften, Graffiti und Aufkleber seien hingegen alltäglich. Besonders die Bücherschränke an der Poppelsdorfer Allee und am Frankenbadplatz sollen häufig beschmiert sein. „Da habe ich es aufgegeben“, sagt Kindermann. Sonst entfernt der Beueler die Kritzeleien mit Silikonentferner und Küchenrolle. Für sein Engagement bekommt er viel Unterstützung aus der Bevölkerung. „Wenn die Menschen sehen, dass ich hier sortiere, freuen sie sich, und nehmen sie sich häufig ein Beispiel.“ So gebe es an vielen Schränken, wie etwa in Röttgen und Friesdorf, unbekannte Freiwillige, die für Ordnung sorgten.

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