Pfarrzentrum St. Adelheid Bonner Ortsgruppe der Landsmannschaft feierte ein besonderes Jubiläum

BEUEL · Sie fühlen sich nicht ausschließlich als Deutsche oder als Russen. Viele von ihnen versuchen, beide Kulturen miteinander zu vereinen, fühlen sich in Deutschland zwar zu Hause, vergessen dabei aber ihre russische Vergangenheit nicht. Am Samstag feierte die Bonner Ortsgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland gemeinsam mit Vertretern von einigen Landsmannschaften aus ganz Deutschland im Pfarrzentrum St. Adelheid ein besonderes Jubiläum.

 Wenn die russische Seele tanzt: Zum Programm der Feier gehörten Tänze aus der russischen Heimat. Ihr Vaterland aber sehen viele Aussiedler in Deutschland, wo sie vor 250 Jahren herkamen.

Wenn die russische Seele tanzt: Zum Programm der Feier gehörten Tänze aus der russischen Heimat. Ihr Vaterland aber sehen viele Aussiedler in Deutschland, wo sie vor 250 Jahren herkamen.

Foto: Max Malsch

"Vor 250 Jahren sind viele Deutsche nach Russland ausgewandert", erklärte die Vorsitzende der Bonner Ortsgruppe, Irina Müller. Denn im 18. Jahrhundert war die wirtschaftliche Lage auf deutschem Gebiet teilweise schwierig, Kriege und Krisen ließen bei vielen Menschen den Wunsch auf ein anderes Leben aufkeimen.

Als die russische Zarin Katharina II. 1763 mit einem Erlass vielen Siedlern eine bessere Zukunft in ihrem Land versprach, nutzten Deutsche die Gelegenheit und siedelten nach Russland um. Spätestens nach dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion 1941 begann jedoch für viele von ihnen in Russland eine Zeit der Verfolgung. Einige sind inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt, die Landsmannschaften helfen ihnen bei der Integration, agieren als Interessenvertretungen.

"Es geht heute bei diesem 250-jährigen Jubiläum darum, an die Geschichte zu erinnern", so Mitorganisator der Feier, Alexander Kühl. Viele Russlanddeutsche seien sowohl mit Russland als auch mit Deutschland verbunden, fügte er hinzu. "Russland ist die Heimat. Viele von uns wurden dort geboren, aber Deutschland ist das Vaterland, weil unsere Vorfahren von hier stammen."

Und so war das Fest am Samstag auch geprägt von dieser Vereinigung beider Kulturen. Einige trugen russische Trachten und zogen sich danach ein Dirndl an, der Chor der Ortsgruppe Bonn "Russische Seele" sang russische und deutsche Lieder, es gab Tänze aus beiden Ländern und schließlich sogar Streuselkuchen neben russischen Teigwaren. Zudem erinnerte eine Ausstellung in Bildern und Texten an die Geschichte der Russlanddeutschen.

"Die Jahre, die ich in Russland verbracht habe, kann ich nicht aus meiner Seele entfernen", erzählte Besucher Grigori Skorobogatko. Er lebe seit 1993 in Deutschland, Das Jubiläum sieht er als Chance, sich noch einmal mit der Geschichte der Russlanddeutschen auseinanderzusetzen.

Das fand auch Besucherin Natalia Eckert. Sie lebt seit 1998 in Deutschland und kam zusammen mit ihrem Mann und seiner gesamten Familie hier her: "Wir entschieden damals: Wenn wir kommen, kommen wir alle zusammen. Wir waren 21 Leute." Deutschland sei ihre Heimat gewesen, deswegen sei seine Familie hergekommen, erzählte Ehemann Andreas Eckert.

Viele seiner Bekannten haben inzwischen deutsche und russische Tugenden miteinander vereint: "Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Russen und die Ordentlichkeit und den Arbeitseifer der Deutschen." Die Vereinigung von russischen und deutschen Elementen zeigte sich am Ende der Feier dann besonders: Da tanzten einige der rund 300 Besucher gemeinsam zu russischer und deutscher Musik.

Kurz gefragt

Die Vorurteile gegen Russlanddeutsche sind nicht berechtigt. Das meint Irina Müller, Vorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, im Gespräch mit Laura Potting.

Sind Landsmannschaften heute noch wichtig?
Müller: Ja, sie sind sehr wichtig für unsere Leute und ihre Integration. Wir machen in unserem Verein sehr viel, zum Beispiel Sprachkurse, Seniorenberatung, Beratung bei Asyl- oder Berufsfragen. Bei uns geht es darum, die Integration zu erleichtern.

Wie beurteilen Sie Vorurteile, die beispielsweise eine Verbindung zwischen Kriminalität und Russlanddeutschen herstellen?
Müller: Sie sind nicht gerechtfertigt. Bei uns gibt es wenig Kriminalität, besonders in letzter Zeit.

Wie sieht es damit aus, dass viele Russlanddeutsche sich angeblich nicht genügend integriert haben?
Müller: Das kann ich nicht über Deutsche aus Russland sagen. Es gibt viele Leute, die hoch qualifiziert sind, einige haben einen Uniabschluss. Sie haben sich längst integriert. Ihre Kinder sind in Deutschland geboren, sprechen Deutsch als Muttersprache. Wir sind keine Ausländer, sondern Aussiedler. Wir sind Deutsche.

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