68 Jahre nach Kriegsende Christian König will Absturzort einer Lancaster in Beuel ausfindig machen

BEUEL · Der Tod ereilte die sieben Männer am 4. Februar 1945, einem Sonntag, hoch in den Wolken über Bonn. Ihre viermotorige Maschine wurde von den Geschossen einer Flak, die möglicherweise am Beueler Bahnhof in Stellung lag, getroffen. Der Bomber der Royal Air Force vom Typ Avro Lancaster stürzte über Beuel ab, kein Besatzungsmitglied überlebte.

 Ein Bomber des Typs Avro Lancaster stürzte am 4. Februar 1945 über Beuel ab.

Ein Bomber des Typs Avro Lancaster stürzte am 4. Februar 1945 über Beuel ab.

Foto: TRES VIA CRASH 40-45

So hat es Christian König recherchiert. Der 41-Jährige engagiert sich als Flugzeugarchäologe und ehrenamtliches Mitglied der niederländischen Stiftung "Crash Research in Aviation Society Holland 40-45" (www.crash40-45.nl). Die Organisation nimmt sich dem Schicksal von Flugzeugbesatzungen an, die im Zweiten Weltkrieg abgestürzt sind.

Dabei versucht der Flugzeugarchäologe 68 Jahre nach Kriegsende zu ergründen, wo genau die Absturzstelle liegt. Der gebürtige Bonner, der inzwischen in Münster lebt, traf sich mit dem General-Anzeiger an einer möglichen Absturzfläche zu einem Ortstermin: an der Elsa-Brändström-Straße. König hofft so, auch noch Zeitzeugen ausfindig zu machen, die helfen können, die Absturzstelle genau zu lokalisieren.

Es herrscht tiefe Dunkelheit auf dem Flugfeld Graveley, einer Luftwaffenbasis in der Grafschaft Cambridgeshire, als der Bomber mit der Seriennummer ME334 abhebt. Es ist die Nacht vom 3. auf den 4. Februar 1945, und die Lancaster der No. 35 Squadron nimmt Kurs auf das Deutsche Reich. Dort soll die Besatzung als Zielmarkierer Leuchtbomben im Bonner Stadtgebiet abwerfen.

An Bord dürfte die Stimmung von Flugzeugführer A. E. Johnson, Navigator G. B. Thomas, Bordfunker R. M. Jenkins, Heckschütze D. F. Hadland, Bombenschütze H. Coulton, Rumpfschütze R. Neale und Bordingenieur C. A. Butler gut gewesen sein. Die Kriegslage ließ keinen Zweifel mehr: Hitlers Niederlage stand unmittelbar bevor.

Im Osten drangen im Februar 1945 die Panzerarmeen der Roten Armee in Ostpreußen ein, im Westen zogen angloamerikanische Verbände in Richtung Rhein. Doch für die Besatzung der Lancaster sollte der Krieg bereits an jenem Sonntag ein jähes Ende finden: Getroffen von Flakgranaten zerschellte der Bomber vermutlich auf Beueler Boden.

Nichts erinnert an der Ecke Elsa-Brändström-Straße/Kreuzherrenstraße mehr an einen möglichen Absturz. Trotzdem vermutet König, dass es hier passiert sein könnte. Er zeigt alte Luftbilder von Anfang 1945, die er in britischen Archiven ausfindig gemacht hat und auf denen Wiesen und Äcker zu sehen sind.

Heute stehen hier Einfamilienhäuser. Trotzdem lassen sich auf einem Luftbild, das ein britischer Aufklärer nur vier Tage nach dem Absturz, also am 8. Februar 1945, gemacht hat, zwei mögliche Absturzflächen ausmachen. Dabei handelt es sich um zwei kraterähnliche Erdverformungen. Beide liegen an der heutigen Elsa-Brändström-Straße.

Eine Fläche, der man über eine kleine Sackgasse ganz nahe kommt, ist aus Sicht von Fachmann König besonders naheliegend. "Die Royal Air Force hat uns eine Absturzstelle mitgeteilt. Auf den daraufhin analysierten Luftbildern sind Verdachtsflächen, eventuell sogar ein Pferdefuhrwerk und ein Bagger zu erkennen."

Um aber mit Sicherheit feststellen zu können, dass der Bomber hier zerschellt ist, bedürfe es weiterer Beweise, erklärt Christian König. Daher sucht er nun Zeitzeugen, "die den Absturz beobachtet, ein Foto oder noch ein Stück Aluminium zu Hause haben".

Die Bevölkerung um Mithilfe zu bitten, habe schon oft geholfen, erklärt der Flugzeugarchäologe. Unlängst lokalisierte König nach Zeitzeugenbefragungen und durch Luftbildauswertungen mehrere Absturzstellen in Mecklenburg-Vorpommern. Auch die einer Lancaster, die 1942 über Bochum-Kornharpen niedergehen musste. Der Bomber zerschellte zweifelsfrei dort, so sagt er, wo sich heute ein Gemüsegarten südwestlich des Autobahnkreuzes der A40 und der A43 befindet.

Bei der über Beuel abgeschossenen Lancaster geht es nicht mehr um das Schicksal der Besatzung. Das ist längst geklärt. "Offensichtlich hatten die getöteten Crewmitglieder in den Wirren der letzten Kriegswochen provisorische Gräber an der Elsa-Brändström-Straße bekommen", vermutet König. Nach Kriegsende wurden die gefallenen Flieger auf dem Friedhof in Schwarzrheindorf bestattet: "Ende der 40er Jahre erfolgte dann die Umbettung auf den britischen Ehrenfriedhof in Rheinberg", so König.

Trotzdem gibt es Angehörige, denen ein Grab nicht genug ist. So ist es wohl Hinterbliebenen von C. A. Butler ergangen, des 20 Jahre alten Heckschützen aus dem Lancaster-Bomber, der über Beuel abgeschossen wurde. Sie wandten sich an die Stiftung CRASH40-45, weil sie den Absturzort ausfindig machen wollen. König erlebt das oft: "Viele Angehörige sind über 60 Jahre alt, wenn sie sich an uns wenden. Sie können erst dann ihren Frieden finden, wenn sie genau vor der Stelle stehen, wo es damals passiert ist."

Stiftung und Museum in den Niederlanden

Die 1987 gegründete niederländische Stiftung "Crash Research in Aviation Society Holland 40-45" dokumentiert vornehmlich den Luftkrieg über den westlichen Niederlanden. Im Zweiten Weltkrieg sind dort etwa 750 Flugzeuge abgestürzt. Darüber hinaus übernehmen Mitglieder von CRASH 40-45 auch die Suche und Bergung vermisster Soldaten und ihrer Flugzeuge außerhalb der Niederlande.

Als lebendiges Mahnmal betreibt die Stiftung auch ein Luftkriegs- und Widerstandsmuseum im Fort Aalsmeer (Aalsmeerderdijk 460, 1436 BM Aalsmeerderbrug). Dort werden Original-Flugzeuge gezeigt, beispielsweise die einzige originale Fokker D XXI, Wrackteile und persönliche Ausrüstungsgegenstände. Das Museum ist immer samstags von 11 bis 17 Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Stiftung selbst finanziert sich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen.

Info

Wer sich an die Ereignisse erinnern kann oder etwas zum Absturz weiß, kann seine Kontaktdaten beim Servicedesk des GA unter der Rufnummer 0228/6688444 hinterlassen oder per E-Mail an service@ga.de schicken. Wir leiten die Informationen dann weiter.

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