Gespräch am Wochenende zur Beueler Hospizarbeit „Der Tod ist ein bisschen näher gerückt“

Beuel · Für die Beuler Hospizarbeit ist Corona nicht nur eine Krise, sondern auch eine Chance. Das sagen die Vorsitzende Bettina Gummel und Koordinatorin Andrea von Schmude vom Beueler Hospizverein.

 Gespräch über Hospizbegleitung: Pfarrerin Bettina Gummel (l.) und Koordinatorin Andrea von Schmude.

Gespräch über Hospizbegleitung: Pfarrerin Bettina Gummel (l.) und Koordinatorin Andrea von Schmude.

Foto: Stefan Hermes

Einst waren Hospize Orte an großen Handels- und Pilgerstraßen gewesen, an denen Menschen auf ihren Reisen ausruhen konnten und versorgt wurden. Daraus hat sich die heutige Hospizbewegung abgeleitet, die Menschen, unabhängig von Nationalität und Religionszugehörigkeit, am Ende ihres Lebensweges begleitet. Bürgerinitiativen prägten in den 1980er Jahren in Deutschland die Bewegung. In 2002 gründete sich der Beueler Hospizverein, dem heute etwa 60 ehrenamtliche Begleiterinnen und Begleiter sowie mehr als 300 Mitglieder angehören. Über die Hospizbegleitung in Corona-Zeiten sprach Stefan Hermes mit der Vereinsvorsitzenden Pfarrerin Bettina Gummel und mit einer von drei hauptamtlichen Koordinatorinnen des Vereins, Andrea von Schmude.

Welchen Einfluss hat die Corona-Krise auf die Hospizarbeit des Beueler Vereins genommen?

Andrea von Schmude: Im Frühjahr konnte noch niemand von uns so richtig einordnen, was da eigentlich passiert. Inzwischen haben wir die Krise genutzt, um noch einmal zu fokussieren, was wir eigentlich anbieten wollen. So ist die Krise nicht nur eine Katastrophe, sondern auch die Chance, sich noch einmal zu besinnen, was eigentlich unser Anliegen ist. Jetzt haben wir die Seniorenbegleitung und Letzte-Hilfe-Kurse erst einmal ausgesetzt und konzentrieren uns auf die Begleitung Sterbender.

Mit welchen coronabedingten Konsequenzen?

Bettina Gummel: Wir hatten uns ja entschieden, auch im strengsten Lockdown die Sterbenden zu besuchen. Wir haben gesagt, dass wir das Risiko bewusst eingehen. Zunächst betraf das nur die Koordinatorinnen. Die Ehrenamtlichen hatten wir anfangs noch rausgehalten.

Von Schmude: Dann haben wir gefragt, wer unter diesen Bedingungen noch bereit ist, zu Sterbenden und in deren Familien zu gehen. Man musste sich dabei bewusst machen, dass man sowohl die Sterbenden anstecken kann, wie auch selbst angesteckt zu werden. Ungefähr die Hälfte unserer Begleiter sagten, dass sie uneingeschränkt mitmachen. Wobei wir denen, die sich aus Sorge um die Menschen im eigenen Umkreis zurückhalten, die gleiche Wertschätzung gegenüber empfinden.

Lässt sich mit dem eingeschränkten Kreis von Begleitern das Angebot des Vereins aufrechterhalten?

Von Schmude: Zum Beispiel dadurch, dass wir Präsenzveranstaltungen auf Telefonberatung umgestellt haben. So konnten eine zusätzliche telefonische Sprechstunde zur Trauerberatung sowie eine telefonische Sprechstunde zur Patientenverfügung entstehen.

Gummel: Und Letztere wird besonders gut angenommen. Viele Menschen möchten jetzt festgelegt wissen, wie sie im Falle einer schweren Erkrankung behandelt werden möchten. Ob sie im Falle einer Corona-Infektion beatmet werden wollen oder nicht, ist so eine Frage.

Von Schmude: Die Krise hat dazu geführt, dass sich die Menschen mehr mit solchen Fragestellungen auseinandersetzen.

Gummel: Der Tod ist ein bisschen näher gerückt.

Von Schmude: Das Risiko, sich mit Covid-19 zu infizieren ist im Moment ja auch höher, als das, an Krebs zu erkranken.

Wie hat sich die Begegnung mit Sterbenden verändert, wenn keine tröstende Berührung mehr stattfinden darf?

Von Schmude: Seniorenheime, die wir beispielsweise sehr häufig besuchen, gehen damit sehr unterschiedlich um. Bei manchen gibt es Schnelltests, andere geben Schutzanzüge, Handschuhe und FFP2-Masken aus.

Gummel: Ich segne auch ohne Maske. Und wenn mir ein Schwerkranker die Hand entgegenstreckt, dann nehme ich sie auch an. Ich habe ja auch Desinfektionsmittel im Auto. Das hat bei mir auch mit Gottvertrauen zu tun.

Von Schmude: Man kann sich unter Beachtung aller Regeln auch nahekommen.

Können Sie den Menschen die Angst vor dem Sterben nehmen?

Von Schmude: Das weiß ich nicht. Aber wir können sie in ihrer Angst begleiten. Und wir können Angst durch unsere Anwesenheit, durch eine Sitzwache oder auch durch Medikamente lindern. Für viele ist es eine Entlastung zu wissen, dass es neben Hospizen oder Palliativstationen in Krankenhäusern auch unseren Verein als ambulanten Hospizdienst gibt.

Glauben Sie, dass die Hospizarbeit in der Gesellschaft angekommen ist?

Von Schmude: Ich glaube, dass uns in Beuel inzwischen jeder kennt.

Gummel: Man sieht es zum Beispiel daran, dass inzwischen sogar schon Schulklassen den Beueler Hospizverein mit Spenden unterstützen.

Was war Ihre Motivation, sich für die Hospizarbeit zu engagieren?

Gummel: Als Pfarrerin muss ich Sterbende immer wieder auch verlassen. Dann ist es gut zu wissen, dass es jemand vom Hospizverein mehr Zeit mit ihnen verbringen kann. Ich bin nur eine, aber im Verein sind es 60. Das ist auch die Vervielfachung von Zeit.

Von Schmude: Ich hatte Anfang der 90er Jahre als Krankenschwester auf einer onkologischen Station gearbeitet. Das war eine Zeit, in der man nicht darüber gesprochen hatte, dass man an solchen schweren Krankheiten auch sterben könnte. Als damals in Berlin eine der ersten Palliativstationen aufgemacht wurde, sah ich die Chance, die es für Menschen bedeuten konnte, darüber nachzudenken, was ihnen in der verbleibenden Lebenszeit noch wichtig ist.

Gummel: Es gibt ja auch die sieben Werke der Barmherzigkeit. Davon ist das Besuchen von Sterbenden eines. Das ist sozusagen eine gesamtchristliche Aufgabe. Nicht nur von Pfarrerinnen und Pfarrern.

Was bedeutet der Hospizverein für die Ehrenamtlichen?

Von Schmude: Vor kurzem noch sagte jemand zu mir, dass es erdet, einen Sterbenden zu begleiten. Es bringe einen in Situationen, wo man etwas wahrnehme, wozu man sonst keine Gelegenheit habe. Auch derjenige, der einen Strebenden begleitet, hat etwas davon.

Gummel: Wir schulen die Begleiter, bieten Supervision an und lassen sie nicht alleine. Das ist ein Ehrenamt, das den meisten sehr viel bringt und sehr viel bedeutet.

Ab Frühjahr wird es vom Beueler Hospizverein einen Zoom-Vorbereitungskurs für zukünftige Hospizbegleitende geben. Mehr dazu auf www.beueler-hospizverein.de. Bei Sorgen oder Wünschen kann man sich unter ☎ 0228/4224344 melden. Sollte der Anrufbeantworter laufen, darf man sicher sein, dass er mehrmals täglich abgehört und man zurückgerufen wird.

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