Mauerfallparty in Vilich-Müldorf Die Mauer fiel ein zweites Mal

Vilich-Müldorf · Am Wochenend hat der Bürgerverein Vilich-Müldorf mit vielen Gästen die Wiedervereinigung und den Mauerfall aufgearbeitet. Der 30. Jahrestag wurde auf dem Platz vor der Mühlenbachhalle mit vielen Angeboten und Gesprächsrunden gefeiert.

 Eine ganz individuelle Inszenierung des Mauerfalls auf dem Platz vor der Mühlenbachhalle in Vilich-Müldorf.

Eine ganz individuelle Inszenierung des Mauerfalls auf dem Platz vor der Mühlenbachhalle in Vilich-Müldorf.

Foto: Rainer Schmidt

Was war ein DDR-Jägerschnitzel? Wer das nicht wusste, konnte am Freitagabend von Thomas Biedermann, dem Vorsitzenden des Bürgervereins (BV) Vilich-Müldorf, die Antwort erfahren: Eine panierte, dicke Scheibe Jagdwurst. Biedermann arbeitete als Koch in der ehemaligen DDR. Beim Zeitzeugengespräch – ein Höhepunkt der sogenannten Mauerfallparty des BV – wusste er aber noch viel mehr zu berichten.

„Mauerfallparty“ wollte der BV in der ursprünglichen Planung seine beiden Veranstaltungstage in und vor der Mühlenbachhalle nennen. Doch wegen der Folgen der Corona-Pandemie war den Organisatoren der Partygedanke abhanden gekommen. In „Vilich-Müldorfer Zeitzeugen & Veranstaltung zum Mauerfall“ wurden die beiden Tage offiziell umbenannt.

Ein ausgeklügeltes Hygienekonzept wurde erarbeitet und schließlich vom Ordnungsamt der Stadt Bonn genehmigt. Eintrittskontrolle war angesagt. Maximal 80 Besucher durften gleichzeitig in der Halle sein, für den Platz waren 100 genehmigt. Auf dem gesamten Gelände war Maskenpflicht, darauf wies ein großes Schild am Eingang hin. Penibel wurden die Besucher gezählt. An beiden Tagen mussten Personen warten, weil die Obergrenze erreicht war. „Am Freitag mussten wir Interessenten abweisen“, berichtet Joachim Clemens, der das Konzept maßgeblich erarbeitet hatte, „am Samstag mussten viele Besucher vor dem Platz in gehörigem Abstand warten, bis andere Personen gegangen waren und sie rein durften.“

So waren es am Samstag insgesamt 289 Besucher, die sich im Laufe des Nachmittags vor der Halle unterhalten ließen. „Die beiden Tage waren ein voller Erfolg“, resümierte Biedermann. „Wir werden zwar keinen Gewinn mit den von uns angebotenen Speisen und Getränken machen, aber das war auch nicht der Sinn dieser Tage.“ Der Sinn war die Aufarbeitung dessen, was vor 30 Jahren und davor geschah. Die Überwindung dessen, was mit Ossis und Wessis – Biedermann: „Meine Kinder sprechen von Wossis“ – nur schlecht oder gar nicht zum Ausdruck gebracht werden kann. „Wir sollten stattdessen von Sachsen oder Thüringern sprechen, genauso, wie wir von Bayern oder Schwaben sprechen“, sagte der Moderator der Gespräche am Freitagabend, Heinz Schulte.

Interessante Gesprächspartner hatte ihm der Bürgerverein ausgesucht, allesamt Bürger, die in Vilich-Müldorf wohnen. Über das Ende der Teilung und den Anfang eines einzigen deutschen Staates sprachen seine ersten beiden Gäste, Wolfgang Kess und Claudia Hippe. Kess hatte das Pech, dass er, Vilich-Müldorfer Ureinwohner, gerade in der DDR beim Opa zu Besuch war, als die Mauer gebaut wurde. Hippe wiederum kommt aus Jena. Sie war gerade mal 11 Jahre alt, als die Mauer fiel. Aus ihrem damaligen Tagebuch las sie einige Einträge vor.

Ralf Hermann und Thomas Biedermann waren weitere Gesprächsgäste. Hermann: „Man soll die Herkunft wertschätzen. Dennoch sind die Begriffe Ossi und Wessi überholt.“ Biedermanns Credo: „Man soll nicht übereinander, sondern miteinander reden.“ Zum miteinander Reden war am Samstagnachmittag reichlich Gelegenheit. Live-Musik gab es auch – zum Beispiel von Farah Jammoul, einem 15-jährigen Mädchen aus Syrien, das seit vier Jahren in Vilich-Müldorf wohnt und eine beeindruckende Stimme hat. Essen, Trinken und sportliche Vorführungen standen ebenfalls auf dem Programm.

Rund 70 Besucher interessierten sich für einen Besuch im Behelfskrankenhaus im Untergeschoss der Gesamtschule beuel. Höhepunkt war schließlich der „Mauerfall“, als Kinder die symbolische Stoffmauer herunterrissen. „Beeindruckend“ fand Dennis Schmedt aus Vilich-Müldorf die Veranstaltung. Er hatte seinem Sohn Paul (8) viel zu erklären, was damals passiert war. Heinz Schulte fasste die beiden Tage mit dem Satz – „Ich konnte hier meinen Horizont erweitern“ – trefflich zusammen. Der Dank aller, so war immer wieder zu hören, galt den Veranstaltern – einerseits für den Mut zu diesem Event und andererseits für die ausgewählten Inhalte.

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