Ausbildung zum Pflegefachmann Dieser Bonner Azubi bekommt ein volles Gehalt

Beuel · Adnan Klipanovic ist 44 Jahre alt und Azubi im St. Josef-Hospital in Beuel. Er bekommt aber nicht 1200 Euro wie andere Auszubildende, sondern ein volles Gehalt. Wie funktioniert das?

 Adnan Klipanovic und Ljiljana Mahlmann kümmern sich um eine Patientin.

Adnan Klipanovic und Ljiljana Mahlmann kümmern sich um eine Patientin.

Foto: Meike Böschemeyer

Dem Patienten in Zimmer 9 geht es nicht gut. Etwas benommen hat er sich auf seinem Bett ausgestreckt. Aber was hat er? Das versuchen die Pfleger Adnan Klipanovic und Ljiljana Mahlmann gerade herauszufinden. Der Blutdruck des 88-Jährigen ist okay, Puls und Temperatur sind auch nicht auffällig. „Was ist passiert?“, fragt Mahlmann. „Ich weiß es nicht“, antwortet der Mann.

Ein letzter Test steht noch aus. „Ich muss sie jetzt piksen“, sagt Klipanovic. Mit einem Teststreifen nimmt er den Tropfen Blut auf, der sich auf der Fingerspitze des Mannes gebildet hat. Kurz darauf liegt das Ergebnis vor. „Sie haben einen sehr hohen Blutzucker“, sagt Klipanovic. „Warum ist der so gestiegen? Haben Sie was Süßes gegessen?“ Die Fragen bleiben unbeantwortet.

Bevor sie das Zimmer verlassen, legt Mahlmann den Knopf, über den der 88-Jährige Hilfe rufen kann, gut sichtbar auf den Schrank neben das Bett. Dann geht es ins Stationszimmer. Dort geben sie den Wert ihrer Messungen, der auch vom Messgerät direkt übertragen wird, noch mal ins System ein. „Jetzt muss der Arzt noch die Medikamente anordnen, bevor wir sie geben können“, erläutert Mahlmann.

Existenzängste im alten Beruf

Ihr Job ist es nicht nur, sich um die Patienten im St. Josef-Hospital zu kümmern, sondern auch um die Azubis, zu denen Klipanovic gehört. Er ist allerdings ein etwas ungewöhnlicher Auszubildender. Mit 44 Jahren ist er älter als die meisten, die eine Ausbildung zum Krankenpfleger machen. Papa würden ihn manche seiner Mitschüler während des schulischen Teils nennen, der alle paar Monate im Block stattfindet.

Dabei ist er nicht mal der älteste. In seiner Klasse gebe es noch eine Frau aus Russland, die dort früher als Juristin gearbeitet hat, und älter ist als er. Klipanovic hat vor der Ausbildung 22 Jahre lang in einem Restaurant gearbeitet. Dann kam die Pandemie, die ihm klarmachte, wie unsicher sein Job ist, erzählt Klipanovic. „Ich hatte Existenzängste.“ Also schaute er sich nach einem anderen Job um und entschied sich für die Pflege. Über sich und seine Mitschülerin sagt er: „Für uns ist es die zweite Chance.“

Es ist nicht nur das Alter, dass Klipanovic von vielen der Auszubildenden unterscheidet: Er bekommt schon während seiner Ausbildung ein volles Gehalt. Möglich ist das durch eine Förderung der Agentur für Arbeit. Die ist eigentlich für Leute gedacht, die als Pflegehelfer ohne oder mit einjähriger Ausbildung arbeiten und die sich zum Pflegefachmann weiterbilden wollen. Darin sind seit Kurzem die Ausbildungen zum Gesundheits- und Krankenpfleger, zum Altenpfleger und zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger gebündelt (siehe Infobox: Pflegefachmann).

Im ersten Ausbildungsjahr bekommt eine Pflegefachfrau allerdings nur 1200 Euro Gehalt, liegt damit schon mal bis zu 1400 Euro unter dem, was die Pflegehelferin verdient. Diese Differenz erstattet die Agentur für Arbeit den Arbeitgebern. Die können ihren Angestellten somit während der dreijährigen Ausbildung das alte Gehalt weiterzahlen und dafür sorgen, dass sie ihren Lebensstandard halten können.

Etwas gegen den Fachkräftemangel in der Pflege tun

Der Arbeitsagentur geht es darum, etwas gegen den Fachkräftemangel in der Pflege zu tun und mehr Menschen zu einer Ausbildung zu verhelfen. Es soll auch verhindern, dass sie irgendwann in der Langzeitarbeitslosigkeit landen. Um es für alle attraktiv zu machen, die zuvor schon ein reguläres Einkommen hatten, gibt es die Förderung. „Ich halte das für ein gutes Instrument“, sagt Marion Kowe, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Bonner Vereins für Pflege-und Gesundheitsberufe. „So können Leute zur Fachkraft werden, für die es vorher nicht möglich war.“

Wie etwa Quereinsteiger Klipanovic, der verheiratet ist und zwei Kinder hat. Er sagt: „Mit dem Gehalt der Ausbildung wären wir nicht ausgekommen. Ich hätte noch einen Nebenjob annehmen müssen.“ Durch die Förderung müsse er sich keinen Kopf mehr über die finanzielle Seite machen. Klipanovic sagt aber auch, er hätte die Ausbildung angetreten, wenn er die Förderung nicht bekommen hätte. Die sei vielleicht ein zusätzlicher Anreiz, sagt Kowe. „Aber niemand geht wegen des Geldes in die Pflege.“

Andere Faktoren seien da laut Kowe wichtiger für die Zufriedenheit der Pflegerinnen: Ein zuverlässiger Dienstplan zum Beispiel, frei müsse tatsächlich auch frei bedeuten. Es müsse außerdem ausreichend Personal da sein und ausreichend Zeit geben, um die Patienten zu pflegen.

Mehr Anerkennung für die Pflegerinnen

Wenn Leute ausfallen, könne es schon mal stressig werden, berichtet Klipanovic. Auch die Schichtarbeit sei nicht immer so leicht mit dem Familienleben zu vereinbaren. Wenn er Frühdienst hat, kann er die Kinder zum Beispiel nicht in die Kita oder die Schule bringen. Das müsse er mit seiner Frau koordinieren, ab und zu springe auch mal sein Vater ein.

An seinem neuen Beruf mag Klipanovic besonders, dass er Kontakt zu den Patienten hat, dass er ständig etwas dazulernt und gefordert wird – und dass er „zukunftssicher“ ist. Was stört ihn? „Es gehört natürlich dazu, aber ständig die Hände zu desinfizieren“, sagt er und zeigt, wie geschunden seine Haut ist. Sonst nichts? Es dauert einen Moment, dann sagt Klipanovic, eine Sache gebe es da noch: Er würde sich für seinen Beruf etwas mehr gesellschaftliche Anerkennung wünschen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort