Widerstandsgruppe aus Köln Ramersdorfer Verein bietet Führungen über die Edelweißpiraten an
Ramersdorf · Die Oberkasseler Seen gehörten seinerzeit zu den Lieblingszielen der Kölner Edelweißpiraten. Der Bürgerverein Ramersdorf ist der Geschichte auf den Grund gegangen und bietet entsprechende Führungen an.
Hand aufs Herz: Wenn es nicht das Lied von den „Edelweißpiraten“ der Bläck Fööss geben würde, wer würde dann noch Edelweißpiraten kennen. Gut, sie kamen aus Köln und nicht aus Bonn. Aber, so schreibt der Landschaftsverband Rheinland (LVR) im Portal Rheinische Geschichte, sie „fuhren mit der Rheinuferbahn bis Bonn und dann mit der Straßenbahn bis Oberkassel. An den Seen schlugen sie ihr Lager auf.“ Auf die Spuren der ehemaligen Edelweißpiraten hat sich in diesem Coronasommer der Bürgerverein (BV) Ramersdorf begeben und heutige Edelweißpiraten dahin geführt, wo die „alten“ Piraten früher gewesen sind. Dem GA haben Wilfried Mermagen und Oliver Krug, die beiden Vorsitzenden des BV, eine gesonderte Führung zu den Zielen gegeben, nämlich einen kleinen „Streifzug auf den Spuren der Edelweißpiraten“.
Während wir uns von der Ramersdorfer U-Bahn-Station auf den Weg machen – Oberkasseler Straße hoch, dann rechts in die Lindenstraße – erzählt Krug die Geschichte der Edelweißpiraten. Mitte der 30er Jahre trafen sich eine Gruppe von Jugendlichen, die sich dem Zwang zur Hitlerjugend entzogen hatten. Sie trugen bunt karierte Hemden und ein Halstuch, einige hatten ein Edelweißabzeichen an ihrer Kleidung. Die Namensgebung „Edelweißpiraten“ soll einer Verballhornung durch Gestapobeamte um 1939 entstammen. Die Jugendlichen unternahmen Fahrten ins Bergische Land oder ins Siebengebirge. Sie zelteten dort, hatten immer Gitarren dabei und sangen eigenes Liedgut. „Damit wollten sie sich ein Stück Freiheit ihrer Jugend bewahren“, erklärt Krug. „Das Nazi-Regime sah in ihnen jedoch einen politischen Widerstand, den es zu brechen galt.“ Sie wurden verfolgt, einige ohne Gerichtsbeschlüsse eingesperrt, 13 Mitglieder von der Gestapo in Köln öffentlich erhängt.
An der Ecke Lindenstraße/Am Johannisberg bewundern wir das ehemalige „Pförtnerhaus“ der Ramersdorfer Kommende. Allein die Entfernung zur Kommende zeigt, wie groß das Areal ist, das heute von einem Autobahnkreuz zerschnitten wird. Während wir die Straße Am Johannisberg, die stetig leicht ansteigt, gehen, fährt Krug fort: „Eine neue Gruppe ‚Edelweißpiraten‘ veranstaltet jedes Jahr ein Edelweißpiratenfestival in der Kölner Südstadt, das dieses Jahr coronabedingt ausfallen musste.“ Doch sie haben aus der Not eine Tugend gemacht und eine „Hier- und-Heute-Tour“ auf den Spuren der ehemaligen Piraten auf die Beine gestellt, die sie auch ins Siebengebirge geführt hat.
Schräg rechts gegenüber der Brücke über die Autobahn muss man in einen kleinen Waldweg hineingehen, der einen im wahrsten Sinne des Wortes über Stock und Stein an den „Blauen See“, erstes Ziel unserer Wanderung, führt. Tief versteckt in der Natur, von steilen Wänden und Bergrücken umgeben, liegt das Wasser. Nur zu nahe ans Wasser zu kommen, sollte man nicht versuchen, genauso wenig wie den steilen Berg hochzuklettern, um zu den Höhlen zu gelangen – viel zu steil, viel zu rutschig. „Der Märchensee ist ja ausgetrocknet“, erzählt Mermagen. „Doch dieser See ist unterirdisch mit dem Dornheckensee, dem größten See, verbunden.“
Nicht über den Berg, sondern auf dem Weg, den wir gekommen sind, wieder zurück zum Hauptweg, dann rechts, gehen wir parallel zur Autobahn. Kurz hinter dem Wiedereintritt in den Wald kann man rechts runter den Dornheckensee sehen – unser zweites Ziel. Er ist ein beliebter Treffpunkt zum Chillen, aber auch zum Schwimmen – trotz Badeverbot. Man kann sich gut vorstellen, wie die Edelweißpiraten hier gelagert und ihre Lieder gesungen haben. Aber man kann sich bei diesem Gelände auch gut vorstellen, wie sie sich in den zahlreichen Nischen und Höhlen des Basaltsteingebirges versteckt haben. Einen Blick auf die gegenüber liegende Felsenwand muss man sich hier einfach gönnen. „Wir gehen jetzt da hoch, um den See von oben zu betrachten“, kündigt Krug an. Doch wir klettern nicht, sondern gehen auf dem Weg, den wir gekommen sind, weiter. Gutes Schuhwerk ist hier angesagt, auch wenn es nicht allzu steil ist.
Nach rund 60 absolvierten Höhenmetern befindet man sich „oben“ auf dem Rheinhöhenweg, dem man rechts folgt. Nach rund 400 Metern kommt dann rechts der „Oh-Effekt“: der Ausblick von oben auf Bonn und auf den See. Zum Glück ist das Gelände gut gesichert, denn hier, am dritten und letzten Punkt des Streifzugs, steht man oberhalb der Wand, die man unten schon bewundern konnte. Zurück geht es wieder den gleichen Weg, den wir auch gekommen sind. Das „Türchen“, das rund 2,5 Kilometer lang ist, kann man gut in einer Stunde schaffen. Wer, wieder an der Oberkasseler Straße angekommen, noch gut zu Fuß ist, dem sei hier, rechts-schwenk-marsch, noch ein Besuch der Kommende empfohlen, die keine 500 Meter entfernt steht. „So sehenswert, wie sie auch ist, sie hat nichts mit den Edelweißpiraten zu tun“, sagt Mermagen.