Bericht über aktuelle Lage in Syrien "Ein falsches Wort kann da tödlich sein"

Oberkassel · Es will nicht so recht hinhauen mit der Technik. Trotz zahlreicher helfender Hände weigert sich der Laptop stur, eine Verbindung mit dem Beamer einzugehen. Hassan Kharat seufzt.

Er ist der Vortragende im Evangelischen Jugendheim, es soll um die Lage in Syrien gehen und die Not der Flüchtlinge. "Jetzt verfluchen wir dieses moderne Zeug, für uns Syrer bedeutet es Lebensrettung."

Es gebe da eine bekannte Karikatur, "sie zeigt einen Landsmann vor dem Krieg und während des Kriegs", so der 60-Jährige. "Vorher genießt er seine teuren Zigaretten und besitzt ein altes Klapphandy, jetzt dreht er sich die Kippen selbst und hat ein hochwertiges Smartphone." Täglich telefoniere er mit Familie und Freunden in zehn verschiedenen Ländern. Als sich sein damals 16-jähriger Sohn alleine auf eine dreimonatige Flucht gemacht hatte, habe sein Mobiltelefon für die vorerst Daheimgebliebenen alles bedeutet.

Hassan Kharat kommt aus Damaskus und ist dem Sohn mit Frau und zwei Töchtern vor anderthalb Jahren über Beirut und Istanbul in die schwedische Provinz gefolgt. Eigentlich wollten sie alle gemeinsam nach Deutschland, ein Visum wurde jedoch nur Kharat gewährt.

Der studierte Feinelektronik-Ingenieur arbeitete in der syrischen Hauptstadt als Reiseführer und begleitete vor 17 Jahren eine Gruppe aus der Oberkasseler Gemeinde durch die Millionenmetropole. Annette Schüller war damals dabei, stellte den Kontakt zu ihm vor einiger Zeit wieder her und holte ihn für den Vortrag nach Beuel.

Auf dem Laptop zeigt er Fotos aus Damaskus, Homs und Aleppo, den einstigen Touristenattraktionen des Landes - aufgenommen, bevor Tod und Zerstörung Einzug erhielten: Skylines und eindrucksvolle Architektur, antike Stätten, belebte Basare und Einkaufsstraßen voll mit "ganz normalen Menschen in ganz normalen Berufen". "Doch etwas fehlte uns: Freiheit und Demokratie." Gerade er als Reiseleiter habe sehr vorsichtig sein müssen: "Ein falsches Wort kann da tödlich sein." Ist der neue Busfahrer vom Regime? Spioniert einer der Touristen für den Geheimdienst?

Soziale Netzwerke boten der Jugend die Chance, sich zu organisieren. Friedliche Demonstranten wurden niedergeschossen, eine Opposition formierte sich, der Bürgerkrieg begann. Kharat sah keinen anderen Ausweg, als seinen Sohn ins Ausland zu schicken. "Sie fragen sich 'Was für Eltern sind das, das Kind alleine wegzuschicken?'" 13 der 25 Klassenkameraden waren bereits tot. Kharat ringt um Fassung und verlässt den Raum. "Fünf Minuten weinen am Tag ist wichtig", sagt er, als er kurze Zeit später wieder eintritt.

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