Flucht aus Syrien Elfjähriger Hamid wartete zwei Jahre auf seine Eltern

Beuel · Hamids Eltern kamen erst vor zwei Monaten nach Deutschland. Solange lebte er bei seinem Großvater. Die Pfarreiengemeinschaft sucht Paten für Flüchtlinge, sie sollen ihnen helfen, den Alltag im fremden Land zu organisieren.

 vl. Sonja Kresse, Flüchtlingskoordinatorin der Pfarreiengemeinschaft, Hamed Alhout und Pate Joachim Derdzinski

vl. Sonja Kresse, Flüchtlingskoordinatorin der Pfarreiengemeinschaft, Hamed Alhout und Pate Joachim Derdzinski

Foto: Jutta Specht

Hamid Alhout fehlen die deutschen Worte, um seine monatelange Flucht aus Syrien und vor allem den Grund dafür zu schildern. Das ist auch der Moment, wo sich seine Augen an irgendeinem Punkt an der Wand festhalten. Denn sonst blickt der 11-jährige Syrer jedem interessiert in die Augen und neugierig in die Welt. Gemeinsam mit seiner Mutter trifft er seinen deutschen Paten. Die Familie wird von Joachim Derdzinski, einem ehrenamtlichen Mitarbeiter der Flüchtlingshilfe der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Bonn – Zwischen Rhein und Ennert, betreut.

Sehr behutsam stellt Derdzinski Fragen, wie es der Familie geht, ob es Probleme gibt. Hamid ist der Dolmetscher für seine Mutter. „Was die Familie erlebt hat, bis sie endlich in Beuel angekommen ist, macht mich fassungslos“, sagt er. Längst nicht alles ist erzählt, manches nur bruchstückhaft. Hamid kam vor zwei Jahren mit seinem Großvater in Deutschland an.

Die Familie blieb im Krieg in Aleppo im Norden Syriens zurück. Da war Hamid neun Jahre alt. „Bomben, kämpfende Menschen, Pistolen“, zählt er im Stakkato auf. Eigentlich sollte er bei seinen Eltern bleiben. „Ich habe meine Tasche gepackt und gesagt, dass ich mitgehen will.“ Kurz übersetzt er den Satz für seine Mutter. Sie nickt. Die Entscheidung, sich vom Sohn zu trennen, ist ihr nicht leicht gefallen. Schließlich wusste keiner, was wird, und wann man wieder vereint wäre.

Schiff brachte Großvater und Enkel nach Griechenland

Ein Schiff brachte Großvater und Enkel nach Griechenland. Dann waren sie acht Wochen hauptsächlich zu Fuß unterwegs. Weil Hamid das deutsche Wort Heimweh nicht kennt, bleibt die Frage danach unbeantwortet. Hamids Eltern kamen erst vor zwei Monaten nach Deutschland. Solange lebte er bei seinem Großvater. Genauer gesagt, in der ersten Zeit in einer Turnhalle in Aachen. Syrische Verwandte übernahmen seine Vormundschaft, damit er die Unterkunft verlassen und bei ihnen wohnen konnte.

„Die Eltern kamen im Zuge des Familiennachzugs nach Deutschland. Das hat zwei Jahre gedauert“, erläutert Derdzinski. Drei Kinder musste die Familie Alhout in der Türkei zurücklassen. Die jüngste Tochter ist vier Jahre. „Für sie gilt die Option des Familiennachzugs nicht“, so Derdzinski. „Das bedeutet, die Eltern wissen nicht, wann sie die Kinder wiedersehen werden.“ Abermals übersetzt Hamid für seine Mutter das Gespräch. Ihr schießen die Tränen die Augen. Rasch nimmt sie Hamids Hand. Derzeit bleiben nur die Hoffnung und das Handy als Kommunikationsmittel.

Derdzinki tut, was er kann, um ihnen zu helfen, doch in diesem Fall ist er machtlos. „Aufgaben der Paten ist, Flüchtlinge bei der Organisation ihres Lebens in dem für sie fremden Land zu unterstützen.“ Er kümmert sich bei der Schulanmeldung, hilft, die nötigen Papiere zu besorgen oder bei gesundheitlichen Problemen einen Arzt zu finden. „Sie haben viele Fragen, ich erkläre.“ Allerdings habe er für manche Verhaltensweisen der Bürokratie auch keine Erklärung. „Wir leben in einem durchorganisierten Staat, da verstehe ich nicht, warum etwa das Kindergeld nicht gezahlt wird, obwohl der Anspruch darauf längst gewährt wurde. Wenn das Geld ausbleibt, entstehen weitere Probleme und eine ewige Lauferei bis hin zu Gerichten“, beklagt er.

Sechs Stunden Unterstützung pro Woche

Etwa sechs Stunden in der Woche unterstützt Derdzinski die Familie. Im Pfarrbrief hatte er einen Aufruf gelesen, dass Flüchtlingspaten gesucht werden. Den Ausschlag für sein Engagement hat indes die Politik des amerikanischen Präsidenten Donald Trump gegeben. „Kriegstreiberei führt zu noch mehr Flüchtlingen.“ Eine Rolle spielt wohl auch, dass Derdzinski als Kind in den 60er Jahren mit seinen Eltern aus Oberschlesien nach Deutschland kam.

Die Pfarreiengemeinschaft ist immer auf der Suche nach Flüchtlingspaten. „Es gibt immer noch viel zu tun“, sagt die Koordinatorin Sonja Kressa. Außerdem werden verkehrstüchtige Herrenfahrräder und funktionstüchtige Laptops benötigt. Auf Hilfe angewiesen ist Kressa auch bei ihrer Suche nach Wohnungen Geflüchtete.

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