Familie Fritz wohnt mitten auf Pützchens Markt

Um ihre Terrasse kann man Hansi und Dorit Fritz nur beneiden. Welcher Bonner Stadtbewohner kann sich schon glücklich schätzen, einen freien, weiten, unverbaubaren Blick auf 80 000 Quadratmeter Wiese zu genießen?

Beuel. Um ihre Terrasse kann man Hansi und Dorit Fritz nur beneiden. Welcher Bonner Stadtbewohner kann sich schon glücklich schätzen, einen freien, weiten, unverbaubaren Blick auf 80 000 Quadratmeter Wiese zu genießen?

Genießen kann ihn das Ehepaar fast das ganze Jahr - bis auf eine gewisse Zeit im September. Dann ist Ausnahmezustand und die Terrasse rundum zugebaut. Denn dann ist Pützchens Markt. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten", sagt Hansi Fritz.

Info Alles über den Riesen-Rummel auf der Seite Pützchens Markt"Entweder man fährt in Urlaub - oder man stürzt sich rein und macht mit. Ich kann die Leute nicht verstehen, die nach Pützchen ziehen und sich anschließend beklagen - über den Lärm, und dass sie nicht mehr mit dem Auto zu ihrem Haus kommen. Das weiß man doch seit dem Mittelalter, was hier einmal im Jahr los ist."

Wohnen mitten auf dem Jahrmarkt: Für den 72-jährigen Versicherungsberater und gelernten Schlosser ist das nichts Besonderes. Schließlich ist er auf der Marktwiese groß geworden. Am Weidenbach steht sein bescheidenes Elternhaus gleich neben dem schmucken Heim, dass er und seine damals frisch angetraute Frau Dorit sich 1971 als Familiennest gebaut haben.

Wie eine Insel ragt das Grundstück in das Marktgelände. Früher war nur die rückwärtige Terrasse an den Markttagen von drei Seiten zugebaut, aber inzwischen ist auch die Straße zur Vorderseite des Hauses in den Jahrmarkt einbezogen. Eine gute Gelegenheit, das Auto zur Inspektion in die Kfz-Werkstatt zu geben und sechs Tage später wieder abzuholen.

Hansi Fritz kennt viele der Schausteller seit Jahrzehnten persönlich, half ihnen mit Strom oder Wasser aus, wird regelmäßig mit seiner Frau zum abendlichen Plausch in die Wohnwagen eingeladen. Noch ist man unter sich, an den Tagen des Aufbaus, der Ruhe vor dem Sturm, bevor dann ab Donnerstag wieder mehr als eine Million Menschen an sechs Tagen nach Pützchen strömen werden. Dann heißt es sechs Tage lang: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Auch für Familie Fritz.

Die betreibt nämlich in Eigenregie zwei Bierstände auf dem Grundstück, seit 50 Jahren schon. Acht Kräfte werden für die beiden Stände engagiert. Bei dieser Gelegenheit lernte Hansi Fritz auch die nette Aushilfe aus Bad Godesberg kennen, die dann seine Frau wurde. Dorit Fritz erinnert sich: "Da hat er sich gedacht: Eine Frau, die so anpacken kann, die kann man auch heiraten."

Für die inzwischen erwachsenen Kinder des Ehepaars war Pützchens Markt "früher sogar noch schöner als Weihnachten". Der Sohn durfte als Kind bei der Losbude mithelfen, so wie sein Vater schon als Kind beim Aufbauen der Fahrgeschäfte half. "Da gab es dann immer Freikarten." Hans Fritz kann sich auch noch gut an Attraktionen erinnern, die heute längst Geschichte sind: "Die Boxbude stand da drüben links, da war immer was los.

Außerdem gab es ein Varieté, Artisten, Hypnotiseure, Hellseher, Wahrsager, sogar eine Schaubude mit der dicksten Frau der Welt." Und die Kinder der Schausteller gingen mit Hansi Fritz in die Volksschule an der Marktwiese. "Heute ziehen die Kinder der Schausteller nicht mehr mit ihren Eltern rum, sondern sind im Internat."

Nur an einen bestimmten Pützchens Markt mag sich Dorit Fritz gar nicht gerne erinnern. Der vor zehn Jahren. "Ich saß am Nachmittag im Wohnzimmer vor dem Fernseher, um mich ein bisschen auszuruhen. Draußen tobte das Leben, die Menschen vergnügten sich und hatten ihren Spaß. Drinnen sah ich, wie in New York die Flugzeuge in die Türme rasten. Es dauerte keine Stunde, da war auch draußen Totenstille."

Am Donnerstag ist es soweit. Sechs Tage, sechs Nächte Ausnahmezustand. Aber schon während des Feuerwerks am kommenden Dienstagabend werden die Lastwagen der Schausteller mit laufendem Motor an den Ausfallstraßen bereitstehen. Die ganze Nacht über wird ein Großteil der 170 Fahrgeschäfte abgebaut. Dann hat Familie Fritz wieder freie Sicht auf 80 000 Quadratmeter Wiese. Bis zum 645. Pützchens Markt.

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