Gespräch am Wochenende mit Richterin Rita Crynen Friedenstifterin im erbitterten Streit

Bonn · Das Ziel der Güterichter: Eine möglichst einvernehmliche Lösung für alle Seiten zu finden. Von 1997 bis Ende 2016 war Rita Crynen Richterin am Oberlandesgericht Köln und Koordinatorin für alle Güterichter im Gerichtsbezirk. Mit der Niederholtorferin sprach über Recht, Regeln und Rollen Anke Vehmeier.

 Rita Cynen

Rita Cynen

Foto: Max Malsch

Was macht ein Güterichter?

Rita Crynen: Der Einsatz eines Güterichters ist ein Angebot der Justiz an die Beteiligten. Dabei wird das anhängige Gerichtsverfahren unterbrochen und einem anderen Richter, dem Güterichter, zugewiesen. Dieser hat die Aufgabe, mit den streitenden Parteien eine für alle Seiten akzeptable Konfliktlösung zu erarbeiten. Der Güterichter ist neutral, die Verhandlung bei ihm ist vertraulich; es entsteht dadurch kein Zeitverlust, und sie ist kostenfrei. Das Ziel ist es, dauerhaft Recht zu schaffen.

Wie wird ein Richter zum Güterichter?

Crynen: Um Güterichter zu werden, soll ein Richter eine zusätzliche Ausbildung zum Mediator absolvieren. Güterichter sind immer geschäftsplanmäßige Richter des jeweiligen Gerichts, die diese Aufgabe zusätzlich übernehmen. Ich selbst habe die Ausbildung zum Mediator 2013 gemacht und war am Oberlandesgericht Köln damit eine der ersten Richterinnen. Unsere Aufgabe ist es, unter anderem über den Weg der Mediation, also über ein freiwilliges, strukturiertes Verfahren mit den Parteien in einem konstruktiven Gespräch interessengerechte Lösungen zu erarbeiten.

Wie läuft das Verfahren ab?

Crynen: Der Güterichter sammelt zunächst alle Streitpunkte und bringt sie zur Sprache. Er trifft dafür Vereinbarungen mit den Parteien, welche Gesprächsregeln zu beachten sind, etwa, sich gegenseitig zuzuhören und ausreden zu lassen, und den Inhalt der Gespräche vertraulich zu behandeln. Alle Konflikte zwischen den Parteien können thematisiert werden. Die Parteien müssen ihre Interessen offenlegen und sich mit denen der Gegenseite auseinandersetzen, damit sie eine einvernehmliche Lösung erarbeiten können. Einigen sie sich beim Güterichter, ist das Gerichtsverfahren erledigt, einigen sie sich nicht, wird es fortgeführt – ohne Nachteile für die Parteien.

In welchen Fällen wird die Mediation eingesetzt?

Crynen: Wenn der Rechtsstreit nicht der einzige Konflikt der Parteien ist, sondern nur die Spitze des Eisbergs und deshalb ein Urteil die Parteien nicht dauerhaft befriedet. Infrage kommen alle Fälle, in denen die Parteien über den Rechtsstreit hinaus verbunden sind, also etwa durch Familie, Verwandtschaft, Nachbarschaft oder langdauernde Geschäftsbeziehungen.

Können Sie ein Beispiel geben?

Crynen: Eine Ex-Ehefrau macht gerichtlich Unterhalt von ihrem geschiedenen Mann geltend. Der Mann weigert sich zu zahlen, weil er das gemeinsame Kind nicht sehen darf. Die Unterhaltsforderung, über die der Richter entscheiden soll, ist also nur ein Streitpunkt unter mehreren. Der Richter regt daher an, die Sache zum Güterichter zu geben, weil in dessen Verhandlung auch andere Streitpunkte berücksichtigt werden können. In dem Fall also der Umgang mit dem Kind. Der Ehemann wird ja letztlich nur eine Lösung akzeptieren, die dieses Interesse miteinbezieht. Werden seine Interessen nicht angemessen berücksichtigt, ist dauerhafter Rechtsfrieden nicht zu erreichen. Ist aber in solchen Fällen die Güterichterverhandlung erfolgreich, können durch die Einigung der Beteiligten gleich mehrere Verfahren erledigt oder weitere verhindert werden.

Was ist das Besondere an der Güterichterverhandlung?

Crynen: Sie findet nicht im Gerichtssaal statt, sondern in einem ansprechend möblierten Raum und entspannter Atmosphäre; die Parteien sind ja freiwillig hier. Sie bestimmen, was sie geregelt haben möchten und was ihre Interessen sind. Da kommt vieles zur Sprache, das für die Parteien schwer zu ertragen ist; dann fließen oft Tränen.

Welche Rolle spielt die Güterichterin?

Crynen: Eine ganz andere als im Gerichtssaal. Als Güterichterin nehme ich mich zurück, ich führe lediglich das Gespräch und leite die Parteien an, selbst Lösungen für ihre Probleme zu finden. Auch die Anwälte können in dieser Verhandlung nur zurückhaltend tätig sein, aber die Parteien bei Bedarf rechtlich beraten.

Klappt das denn? Mediationsverfahren genießen allgemein ja nicht so eine große Akzeptanz...

Crynen: Das kann man so nicht sagen: Die Mediation, die von Anwälten im vorgerichtlichen Bereich, und die von Güterichtern im Gerichtsbereich durchgeführt wird, ist im Ergebnis erfolgreich. Wir haben als Fachleute mit einer juristischen Ausbildung kein Akzeptanzproblem. Richtig ist, dass die Güterichter nicht so häufig nachgefragt werden, wie es wünschenswert wäre. Das liegt zum Teil auch daran, dass das Güterichtermodell nicht so bekannt ist. Vielleicht ändert sich das im hiesigen Gerichtsbereich schon durch diesen Artikel ein wenig.

Was war für Sie die Herausforderung?

Crynen: Die Mediationsprozesse sind unglaublich interessant und einnehmend, denn die Leute leiden ja selbst unter der Situation und sind dankbar, wenn sie bei der Lösungsfindung an die Hand genommen werden. Hier sind psychologische und juristische Kompetenzen gleichermaßen gefragt. Gelingt eine einvernehmliche Lösung, ist das sehr befriedigend.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort