Schausteller Jakob Schleifer Geboren im Kirmeswagen

Pützchen · Der 81-jährige Jakob Schleifer ist Schausteller mit Leib und Seele. Auf dem historischen Jahrmarkt anlässlich des Pützchens-Markt-Jubiläums erklärt er zurzeit verschiedene Karussells.

Jakob Schleifer erklärt den Wasseranlasser am alten Kettenkarussell.

Jakob Schleifer erklärt den Wasseranlasser am alten Kettenkarussell.

Foto: Richard Bongartz

Jetzt wieder zusteigen. Die nächste Fahrt beginnt. Wer auf dem Holzpferd sitzen will, zahlt fünf Pfennige, Stehen an der Stange kostet nur zwei. Das Pferd trabt langsam los und läuft so lange im Kreis, bis die Kirmesorgel in der Mitte zu spielen aufhört. So ging es 1880 auf dem alten Pferdekarussell der Kölner Firma Achtendung zu, das derzeit auf dem historischen Jahrmarkt in Beuel seine Runden dreht. Bis heute ist es im Besitz der Schaustellerfamilie Schleifer aus Zülpich-Füssenich. Ihr stolzer Vertreter heißt Jakob Schleifer, der seinen Berufsstand lebt und liebt.

Die Nostalgie verlangt natürlich auch die passende Garderobe, findet der 81-Jährige und wirft sich mit weißem Hemd, grauer Weste und schwarzer Fliege in Schale. Jetzt noch die Melone – perfekt! Wie der frühere TV-Kinderliebling Pan Tau. Ohne die Schleifers würde es den historischen Rummel wohl gar nicht geben: Sie haben Orgeln, Schießbuden, Karussells, Traktoren und vieles mehr in den Hallen am Holzlarer Weg aufgebaut.

Geduldig erzählt Jakob Schleifer den Besuchern von früheren Zeiten. Die waren nicht unbedingt rosiger, sondern bedeuteten harte Arbeit. „Die Fahrt ins Paradies“ mit vier Hügeln pro Runde – ein Unikum – mag den Fahrgästen himmlisch vorkommen, doch bis das bunte Karussell mit seinen an die biblische Eva erinnernden anmutigen Figuren steht, muss Adam viel Muskelkraft investieren: Früher war alles in vier Packwagen verstaut. Heute macht es sich Schleifers Sohn Toni ein wenig leichter und baut alles mit einem Kran auf. Die Wagen, in die übrigens wegen des weit abstehenden Bügels erst Kinder ab sechs Jahren einsteigen dürfen, passen heute auf einen Anhänger. Auch wenn der Motor und der Wasseranlasser (siehe „Sanft anfahren“) mehr Geschwindigkeit zulassen würden, erlaubt der Tüv heutzutage nur noch zehn Umdrehungen pro Minute. Die Drosselung wird von einem Kontakt überwacht. Die nächste Fahrt rückwärts? Das ginge, ist aber auch mittlerweile verboten.

„Mein Großvater hat unseren Betrieb 1878 gegründet“, erzählt Jakob Schleifer. Wahrscheinlich mit dem ausgestellten alten Kettenkarussell, das am Anfang von Hand angeschoben wurde. Vater Reiner kam 1899 zur Welt, am 2. Mai 1935 dann der kleine Jakob. „Ich wurde in Gürzenich in Düren in einem Kirmeswagen geboren. Ich sage immer, ich bin ein waschechter Schausteller“, sagt Schleifer und zeigt das Innere eines solchen Wohnwagens, ein mit viel Liebe zum Detail eingerichtetes Wohnzimmer. Seine Mutter Susanne stammte aus der Düsseldorfer Schaustellerfamilie Kropp.

1950 begann die Zeit als Wanderschüler, wofür der Schulrat seinen schriftlichen Segen geben musste. „Jede Woche war ich an einer anderen Schule“, erinnert sich Schleifer. „Man nannte uns Kirchturmsreisende.“ Die Rummelplätze lagen alle in den Dörfern rund um Düren.

In die Annakirche selbst ging es 2013, als Schleifer dort mit seiner Lochkartenorgel ein Konzert mitgestalten durfte: mit „Großer Gott, wir loben dich“ und „Lobe den Herren“. Die Akustik sei traumhaft gewesen. „700 Besucher hörten mit ihrem Applaus nicht mehr auf. Es war ein Höhepunkt meiner ganzen Karriere.“

Das Kettenkarussell wurdeanfangs von Hand angeschoben

Am Pferdekarussell mit seinen elf Metern Durchmesser steht ein Ringfang, auch Partie genannt. Dabei handelt es sich um eine Öse, die die Kinder während der Fahrt zu schnappen versuchten, um eine kostenlose Extrarunde zu ergattern. Nicht von ungefähr erinnert das ans Ringstechen der alten Ritter. Wenn die früher ohne Pferd übten, stellten sie sich mit ihren Lanzen auf eine sich drehende Plattform. „Das ist der Ursprung des Pferdekarussells“, erklärt Schleifer und zeigt noch eine Rarität auf seinem Schätzchen: Da dreht sich nämlich zwischen den Gondeln auch ein Esel mit.

Schleifer erinnert sich an die 50er Jahre, als ein Paar ihm seine beiden Kinder anvertraute. „Können Sie die bitte fahren lassen? Ich würde so gern mal mit meiner Frau allein über den Platz gehen“, sagte der Ehemann. „Das hat mich mit Stolz erfüllt“, so der Schausteller. Ums Geld sei es ihm da am wenigsten gegangen.

Draußen steht die 1964 selbst gebaute Schießbude, die schon seit 1968 nicht mehr gebraucht wurde. Die Schleifers haben sie extra für den historischen Markt das erste Mal wieder aufgeklappt. Komplett bestückt mit den Preisen von damals sowie Blümchen, Meckifiguren und Miniglobusse. Plötzlich ertönt in einer Ecke des historischen Markts ein Lied auf Orgelpfeifen „Die Millionen des Harlekins“, begleitet von der dicken und der Wirbeltrommel. Schleifer verdrückt gerührt ein paar Tränchen.

Die Jahrmarkthalle am Holzlarer Weg 42 ist bis Sonntag, 9. April, jeweils freitags von 14 bis 22 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 22 Uhr geöffnet. Der 31. März steht im Zeichen der 70er, am 7. April werden deutsche Evergreens zu hören sein. Im Eintrittspreis sind beliebig viele Karussellfahrten enthalten. Erwachsene zahlen 15,50 Euro. Für Kinder bis zwei Jahre ist der Eintritt frei, für Kinder bis fünf Jahre kostet er 5,50 Euro, für Kinder bis zwölf Jahre 9,50 Euro. Bundeswehrsoldaten zahlen 13 Euro. Mehr auf www.jahrmarktshalle.de.

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