Luther oder Zwingli? Gemeinden in Oberkassel und in Königswinter planen Fusion

Beuel · Die Lehren von Zwingli und Calvin oder jene von Martin Luther? Bei der Fusion der evangelischen Kirchengemeinden Oberkassel-Dollendorf und Königswinter-Altstadt geht es auch um ein Bekenntnis zur Glaubensrichtung.

 Führungen wie auf diesem Archivfoto können in der Großen evangelischen Kirche Oberkassel derzeit nicht stattfinden.

Führungen wie auf diesem Archivfoto können in der Großen evangelischen Kirche Oberkassel derzeit nicht stattfinden.

Foto: vogt/Daniela (FM) Vogt

Die evangelischen Kirchengemeinden Oberkassel und Königswinter (Bezirk Altstadt) planen einen Zusammenschluss. Durch die Fusion wollen die Gemeinden ihren Erhalt sichern und für Einheit sorgen. Doch mit der Einheit stellt sich auch die Frage nach dem Bekenntnis der zusammenwachsenden Gemeinde, denn die Geschichten beider Kirchen unterscheiden sich deutlich. Seit dem 19. Jahrhundert versteht sich die evangelische Gemeinde Oberkassel als uniert-reformiert, während ihre Tochtergemeinde aus Königswinter seit ihrer Gründung vor 150 Jahren uniert-lutherisch ausgerichtet ist.

Uniert bezeichnet die Vereinigung oder Union verschiedener protestantischer Konfessionen. Die reformierten Kirchen beziehen sich auf das Wirken von Ulrich Zwingli (1484 bis 1531) in Zürich und Johannes Calvin (1509 bis 1564) in Genf (Calvinismus). Lutheraner verweisen dagegen auf die Wittenberger Reformation durch Martin Luther (1483 bis 1546) und anderen lutherischen Theologen.

Welchem Bekenntnis die fusionierte Kirchengemeinde folgen wird, soll nun gemeinsam entschieden werden. Heidelberger Katechismus oder Luthers Lehren? Oder irgendwas dazwischen? Eine schwierige Frage, findet Pfarrer Carsten Schleef. Zwar seien sich die benachbarten Gemeinden durchaus freundlich zugewandt, doch sei das kein Garant für ein glückliches Zusammenführen beider Kirchen.

Wurzeln bis zu den Anfängen der Reformation

Für ein Meinungsbild luden beide Gemeinden nun zu einem virtuellen Bekenntnis-Gespräch ein. Die Vorsitzende des Presbyteriums, Anne Kathrin Quaas, will besonders das historische Verständnis beider Kirchen in diese Entscheidung einbeziehen, denn die Bekenntnisfrage sei für evangelische Gemeinden insbesondere eine nach der eigenen Geschichte, findet sie. „Eine Gemeinde, die Wurzeln hat bis in die Anfänge der Reformation und ihre Prägung mit durch die Jahrhunderte genommen hat – das ist hoch zu wertschätzen“, sagt Quaas. Dabei sei die unierte Ausrichtung das verbindende Glied beider Kirchen.

Für einige Gemeindemitglieder aus Königswinter, die mit der lutherischen Prägung aufgewachsen sind, wäre eine uniert-reformierte Prägung allerdings mit einer Umgewöhnung verbunden. „Ich bin durch und durch tief verwurzelt Lutheranerin“, betont ein Mitglied der Königswinterer Gemeinde. Es sei daher wichtig, dass beide Bekenntnisse nach der Fusion der Gemeinden fortbestehen dürfen.

Beim Feiern der Gottesdienste seien beide Gemeinden ohnehin auch uniert geprägt, betont Quaas, deshalb sei es einfach, eine gemeinsame Liturgie zu entwerfen. Für andere Mitglieder in der Runde ist die Frage nach dem Katechismus keine existenzielle, vielmehr geht es um eine einheitliche Kirchenordnung und eine gemeinsame Identität.

Reformierte Kirchen im Rheinland sind selten

Auch weil reformierte Kirchen im Rheinland eine Seltenheit sind, spricht sich Pfarrerin Sophia Döllscher für den Erhalt der uniert-reformierten Prägung aus. „Im Rheinland war aber immer klar, die konfessionelle Bindung der Gemeinde und die konfessionelle Bindung des Pfarrers müssen nicht deckungsgleich sein“, betont sie. Es könne durchaus sein, dass eine unierte Pfarrerin in einer reformierten Gemeinde tätig ist oder ein reformierten Pfarrer in einer lutherischen Gemeinde. Diese Flexibilität gelte es beizubehalten, um den Mitgliedern beider Kirchen Raum für unterschiedliche Prägungen zu bieten.

In den kommenden Wochen soll die Frage nach dem künftigen Bekenntnis auf weiteren Gemeindeversammlungen erörtert werden, damit die Presbyterien am 31. Mai in Sondersitzungen eine endgültige Entscheidung treffen können. Auch ein neues Kirchensiegel soll es nach dem Zusammenschluss geben.

Weil die Pfarrstelle in Königswinter zurzeit unbesetzt ist, werden die Pfarrerinnen Quaas und Döllscher die fusionierte Gemeinde ab 2022 betreuen.

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