Weihnachtshochwasser 1993 Gemeinschaftsgefühl und besserer Schutz

BONN · Trotz des ernsten Themas war im Heimatmuseum Beuel am Freitagabend viel fröhliches Gelächter zu hören. Der General-Anzeiger hatte zu seiner Gesprächsreihe "Beueler Treff" Zeitzeugen und Experten geladen, um sich gemeinsam an das Weihnachtshochwasser 1993 zu erinnern und über die Konsequenzen der dramatischen Überschwemmungen zu diskutieren.

 Erinnern sich im Heimatmuseum an das Hochwasser 1993 (von links): Holger Willcke, Michael Thielges, Werner Baur, Gertrude Jöbsch, Egon Peffekoven, Helma Linzbach, Hans Lennarz und Hanns Möhle.

Erinnern sich im Heimatmuseum an das Hochwasser 1993 (von links): Holger Willcke, Michael Thielges, Werner Baur, Gertrude Jöbsch, Egon Peffekoven, Helma Linzbach, Hans Lennarz und Hanns Möhle.

Foto: Max Malsch

Doch nicht nur auf dem Podium, auch seitens der zahlreichen Gäste gab es überraschend viele positive Töne. Dass das Jahrhunderthochwasser auch 20 Jahre danach noch die Gemüter bewegt, zeigten die vielen Menschen, die zur Veranstaltung gekommen waren. Dicht drängten sich mehr als 70 Zuhörer im Erdgeschoss des Museums. Wer keinen freien Stuhl mehr fand, machte es sich auf der Treppe gemütlich. Fast alle Anwesenden hatten das Hochwasser 1993 selbst miterlebt, einige gehörten zu jenen, die damals ihre Häuser verlassen mussten.

So ging es auch der Vorsitzenden des Beueler Heimat- und Geschichtsvereins, Gertrude Jöbsch. "Am 23. Dezember wurde bei uns in der Rheinaustraße der Strom abgeschaltet. Da war dann klar: Wir müssen in einer Stunde hier raus", berichtete sie GA-Redakteur Holger Willcke, der die Gesprächsrunde moderierte.

Die spektakuläre Evakurierung mit dem Klepperboot samt "95-jähriger Oma, beinamputiertem Ehemann und einem acht Monate alten Boxer" kann Jöbsch heute mit Humor sehen. Weihnachten verbrachte die ganze Familie dann in der 60 Quadratmeter großen Wohnung ihrer Tochter Barbara Schommertz. Die saß im Publikum und ergänzte die Erinnerungen ihrer Mutter: "Es war das schönste Weihnachten, das wir je hatten."

Rheinanlieger Hanns Möhle erinnerte sich vor allem an das Gefühl, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein: "Die Telefone funktionierten nicht, man kam nicht zum Arzt." Helma Linzbach ist vor allem das Gemeinschaftsgefühl im Gedächtnis geblieben.

"Man lernte seine Nachbarn kennen, half sich gegenseitig." So versorgte Egon Peffekoven, damals Kommandant der Beueler Stadtsoldaten, die Betroffenen mit 400 Litern Erbsensuppe. "Viele wollten ihre Häuser nicht verlassen", erinnerte sich Michael Thielges, damals für das Technische Hilfswerk (THW) im Einsatz und heute dessen Ortsbeauftrager für Beuel.

Ein anderer Grund dafür, dass der lebhafte Austausch im Heimatmuseum fast ausschließlich fröhlich blieb, war die Einigkeit darüber, dass die Stadt einiges getan hat, nachdem der Pegel im Januar 1995 erneut die Zehn-Meter-Marke geknackt hatte. Um ähnliche Katastrophen in Zukunft zu verhindern, wurde ein umfangreiches Hochwasserschutzkonzept erstellt und in Beuel weitgehend umgesetzt.

So konnten, mitfinanziert durch das Land, die Schutzanlage und die Uferpromenade südlich der Kennedybrücke bis zur Ernst-Moritz-Arndt-Straße erneuert werden. Bis zu einer Pegelhöhe von 9,50 Metern bietet die Mauer Schutz. Im Norden wurde der Rheindeich zwischen Kaiser-Konrad-Straße und Nordbrücke modernisiert.

"Während in Mehlem und Graurheindorf immer noch diskutiert wird, haben wir in Beuel gemeinsam viel erreicht", sagte Museumsleiter Hans Lennarz, der bis 2009 für die Beueler CDU aktiv war. An dem Konzept mitgearbeitet hat auch der Hochwasserschutz-Experte Werner Baur, der bis zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren beim städtischen Tiefbauamt Leiter der Abwasserableitung war. Er pochte allerdings darauf, auch die Planungen zur sogenannten zweiten Deichverteidigungslinie umzusetzen, welche die weiter vom Rhein entfernten Gebiete schützen soll, sollten die Fluten den ersten Schutz überwinden.

Während in die Professor-Neu-Allee Ankerplatten eingelassen wurden, in die eine mobile Schutzwand eingesetzt werden kann, fehlt zwischen Brückenkopf und Josefskirche bislang eine feste Wand, die entlang der Gärten zwischen Agnesstraße und Hermannstraße gebaut werden sollte. "Die Planung steht seit zwei Jahren."

Die Frage, was passiert, wenn der Pegel wieder über die Zehn-Meter-Marke steigt, trieb viele Gäste im Heimatmuseum um. Auch wenn vom Hochwasser 1993 vor allem das Gemeinschaftsgefühl in Erinnerung geblieben ist und Stadt und Rheinanlieger inzwischen besser auf den Ernstfall vorbereitet sind: Eine Wiederholung wollen die Anwesenden dann doch lieber nicht erleben.

Ausstellung

"Wenn der Rhein zu Besuch kommt" heißt eine Ausstellung, die noch bis zum 23. Februar im Heimatmuseum Beuel, Wagnergasse 2-4, zu sehen ist. Behandelt werden neben der Geschichte der Hochwasser in Beuel auch deren klimatische und geografische Ursachen, literarische Verarbeitung sowie private und behördliche Vorsorge. Das Museum ist immer mittwochs, samstags und sonntags von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

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