Wie Katholiken und Protestanten miteinander lebten Als der „Glockenkrieg“ in Oberkassel entflammte

Beuel · Eine Stadtteilführung zur rechtsrheinischen evangelischen Geschichte – mit Treffpunkt an der katholischen Kirche Sankt Cäcilia in Oberkassel? Was der Grund dafür ist, darauf gaben die Stadtführerinnen Inke Kuster und Petra Clemens rasch Antwort.

 Protestanten bestanden auf besondere Grabsteine.

Protestanten bestanden auf besondere Grabsteine.

Foto: vogt/Daniela (FM) Vogt

Die der heiligen Cäcilia geweihte Kirche wurde 1144 erstmals als Filialkirche des Stifts Vilich urkundlich erwähnt. Mit der Reformation nutzten die evangelischen und katholischen Bürger das Gotteshaus „relativ friedlich nebeneinander“ – so drückte es Inke Kuster diplomatisch aus. Bis eine der Glaubensgemeinschaften eine eigene Kirche baute, einen reformierten Geistlichen gab es bereits seit 1555.

Woher diese Duldung? Oberkassel gehörte nicht zum Kurfürstentum Köln sondern zum Herzogtum Kleve-Jülich-Berg, in dem es eine strikte Konfessionalisierung wie in anderen Territorien nicht gegeben hat, die Herzöge suchten lange einen Mittelweg zwischen den christlichen Blöcken. Selbst bestattet wurden die Reformierten mit auf dem angrenzenden Friedhof, doch jedes Grab musste ein Kreuz haben; soweit man es sich leisten konnte. Abgrenzen wollten sich die evangelischen Bürger von Oberkassel jedoch auch im Tod. „Die Reformierten wollten keine Kreuze, daher zeigen die noch stehenden barocken Grabsteine abgemilderte Kreuze und zumeist Bibelzitate“, erklärt sie.

Vorbei führen Clemens und Kuster an alten Wegekreuzen, die den Prozessionsweg der Katholiken markieren, und sogar ein Heiligenhäuschen gab es einst. „Daran mussten dann die Protestanten auch vorbei“, bemerkt Kuster, und manchmal wären sogar Steine geflogen – auf beiden Seiten. Als die Bannglocke von St. Cäcilia durch Blitzschlag gesprungen war und neu gegossen werden sollte, wollte die katholische Gemeinde finanzielle Unterstützung, riefe sie doch nicht nur zum Gebet, sondern auch zu Versammlungen und warne vor Gefahren wie Sturm oder Brand. 1822 entflammte ein regelrechter Glockenkrieg, denn die Reformierten wehrten sich, und „am Ende bekamen sie recht.“

Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts gehörten gegenseitige Diskriminierungen und Beleidigungen zum Alltag. So warnten besorgte katholische Mütter ihre Töchter ja nicht mit einem „Blauköpp“ anzukommen. „Das Zusammenleben war lange schwierig, man tolerierte sich nicht, sondern ertrug einander vielmehr“, beschrieb Kuster.

Die evangelische Gemeinde baute nach dem Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert ihre eigene kleine Kirche an der Zipperstraße am damaligen Ortsausgang. Das 1683 fertiggestellte Gotteshaus ist die älteste evangelische Kirche im Bonner Raum und eine der ersten evangelischen Kirchen im Rheinland. Heute ein Verkehrshindernis, früher Stein des Anstoßes. Der Geusenengel auf dem Dach weist auf die Wurzeln der etablierten und wohlhabenden Pfarrgemeinden am Niederrhein.

Der Engel mit seiner Posaune zeige vor allem „Wir sind da“, erklärt Kuster. Otto March baute nicht nur das Landhaus für seinen Schwiegervater, den Industriellen Joachim Vorster, sondern auch 1908 im Jugendstil die große Evangelische Kirche Oberkassel, deren Innenraum wiederum die klare Abgrenzung der reformierten Gemeinde zeigt: geschlossene Reihen von Kirchenbänken; Altar, Kanzel, und Orgel bilden eine Verkündigungseinheit. Im alten evangelischen Pfarrhaus nebenan hat der Dichter und Freiheitskämpfer Gottfried Kinkel seine Kindheit verbracht. Man staune, „Sein Vater war ein angesehener Bürger, alle zogen den Hut, wenn er über die Straße ging“, erzählt Petra Clemens. Am Kinkeldenkmal an der Königswinterer Straße erfahren die Teilnehmer der Führung mehr aus dem Leben Gottfried Kinkels. „Der Mann war eine faszinierende Persönlichkeit“,sagt Clemens, „schade, dass er auf den deutschen Dichter reduziert wird.“

Gegenüber dem Denkmal liegt das Lippische Landhaus, das über 200 Jahre im Besitz der späteren Fürsten zu Lippe-Biesterfeld war und zu dem einst der heutige Bürgerpark als fürstlicher Garten gehörte. Nach zwei Stunden endete der Rundgang am neuen Ehrenmal auf dem Dorfplatz.

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