Porträt der Brüder Reininger „Green Juice“-Macher aus Beuel wagen den Neustart

Bonn · Julian und Simon Reininger planten einst ein Festival aus dem Kinderzimmer. Corona durchkreuzte nicht nur das Green Juice Festival 2020, sondern auch die Gründung ihrer Eventagentur.

 Das Green Juice Festival wird 2020 nicht stattfinden.

Das Green Juice Festival wird 2020 nicht stattfinden.

Foto: Rainer Keuenhof

Es ist eine Situation, die typisch für Julian (26) und Simon Reininger (28) ist. Gerade feiern sie die Eröffnung ihres ersten eigenen Veranstaltungsbüros. Am Fernseher spielen die Gäste Nintendo, auf Bierbänken gibt es Spätzle vom Caterer. Die beiden könnten sich eigentlich entspannt dazusetzen. Stattdessen schnappen sie sich ihre Instrumente und treten mit ihrer Band Heldenviertel auf, die es seit den Jugendtagen gibt.

Fragt man die Gäste zur Person der Brüder, sind die Antworten – natürlich in gewisser Weise wohlwollend – immer ähnlich: „Mittlerweile sind sie zum wichtigsten Veranstalterduo Bonns geworden.“ Sie seien „Impulsgeber“ und ohne sie die Stadt „ein ganzes Stück langweiliger“. Etwas angeheitert werden sogar Vergleiche zu Rock am Ring oder dem Wacken-Festival gezogen. Der wahre Kern darin: Niemand hätte 2008 gedacht, dass zwei Teenager auf einer leeren Wiese in der Nachbarschaft, mitten im Wohngebiet, binnen weniger Jahre das Green Juice Festival mit Tausenden Zuschauern etablieren können. Und jetzt, wo während der Coronavirus-Pandemie das Festival ausfällt, holen sie jeden Tag bekannte Künstler aus ganz Deutschland zu Autokonzerten in die Bundesstadt.

Die Geschichte, die dahintersteckt, hat Julian Reininger schon oft erzählt. Der damals 13-Jährige und sein zwei Jahre älterer Bruder wollten ein Rockkonzert vor der eigenen Haustür. Jedes Jahr kamen mehr Gäste, jedes Jahr immer bekanntere Musiker. Bis zu dem Punkt, als es auch den Eltern zu viel wurde. „Im Flur standen ständig irgendwelche Pakete herum, von denen unsere Eltern auch nicht immer wussten, dass sie geliefert wurden“, sagt Julian Reininger und verweist darauf, dass „sie wirklich viel mitmachen mussten“. Im Kinderzimmer stapelten sich die Ordner, wenigstens während des Festivals konnten die Brüder und ihre Helfer alles in das benachbarte Jugendzentrum verlagern.

„Das war Hobby, es lief alles nebenher“, sagt Simon Reininger. Erst neben der Schule, dann neben dem Studium. Die Aufgabenverteilung hat sich bis heute gehalten: Simon zog es in die wirtschaftliche Richtung, Masterabschluss Betriebswirtschaftslehre. Julian wurde erst Veranstaltungskaufmann und setzte dann das Eventmanagement-Studium obendrauf. „Ohne die vielen Unterstützer hätte das Festival nicht funktioniert“, erzählt Simon Reininger. Nachbarn, Freunde, Verwandte: Jeder packte an und übernahm auch durchaus essenzielle Aufgaben wie Personalplanung oder Pressearbeit.

Mit größer werdenden Aufgaben wuchs die Verantwortung. Manches war eine Sackgasse. Das Lake Jump Festival in Zülpich zum Beispiel. Der Name verrät fast alles: Mit BMX-Fahrrädern sprangen Profis waghalsig über eine Rampe in den See. Zwar kamen Gäste. „Aber dafür hatten wir früher einfach nicht das Personal, auch der Ort war nicht ideal“, erzählt Julian Reininger. In Bonn lief dagegen alles wie am Schnürchen. So war die Reininger-Expertise als Festival-Tester bei Jeck im Sunnesching in der Rheinaue gefragt, um Fehler zu finden und die Veranstaltung besser zu machen. Da hatten sie schon ihre eigene Firma, Forisk Entertainment.

 Simon (links) und Julian Reininger in ihrem ersten eigenen Büro in Beuel. Derzeit haben sie aber alles in Container am Bonnlive-Gelände verlegt.

Simon (links) und Julian Reininger in ihrem ersten eigenen Büro in Beuel. Derzeit haben sie aber alles in Container am Bonnlive-Gelände verlegt.

Foto: Holger Willcke

Eigentlich möchte man meinen, dass zwei Geschwister irgendwann genug voneinander haben, wenn sie seit mehr als zehn Jahren zusammenarbeiten. Oder es zumindest einen nennenswerten Streit gab. „Nicht, dass ich wüsste. Wir verstehen uns“, sagt Julian Reininger knapp, während Simon zustimmend nickt. Beide teilen sich nun nicht nur ihr eigenes Büro, sondern schon lange eine eigene gemeinsame Wohnung. An der Grenze von Beuel und Sankt Augustin, am Rand des Gewerbegebiets, haben sie seit rund einem Jahr zwei Büroräume samt Abstellkammer bezogen. Tische und Möbel in weiß, ein Sofa und jede Menge Greenjuice-Werbematerial. An der einen Wand ein riesiges Foto der Bühne, an der anderen eine noch größere Pinnwand mit einem unübersichtlichen Zettelwust, zumindest für Außenstehende. Die Reiningers sitzen am selben Schreibtisch, nur um die Ecke. Einen Tisch weiter ihr erster Azubi, Julian Feld. Im Raum nebenan beschäftigen sie zwei Werkstudentinnen.

Forisk Entertainment gibt es nicht mehr, stattdessen die Fünfdrei Eventagentur. „Ein Neuanfang“, sagt Julian Reininger. Wofür? „Um eine vollwertige Eventagentur zu sein.“ Viele hätten sie nur mit dem Festival in Verbindung gebracht. Jetzt, wo sie Geschäftsführer in Vollzeit sind und Angestellte haben, reicht das nicht mehr. Das Portfolio geht vom Firmenjubiläum bis zum Marketingevent. Seit neustem gehören auch Livestreams und Autokonzerte von Bonnlive dazu, die sie mit der Agentur Rheinevents innerhalb weniger Wochen wegen der Corona-Beschränkungen umgesetzt haben. „Wir sind in der Not erfinderisch geworden.“

Ohne diese Innovation wären sie Pleite gewesen, noch bevor sie mit Fünfdrei überhaupt starten konnten. Das Riesenprojekt Green Juice Festival war abgesagt, die Werkstudentinnen hatten sie mangels Aufträgen nach Hause schicken müssen. „Das war bisher unser größter Rückschlag. Es geht eben nicht mehr nur um uns, wir tragen jetzt für andere Verantwortung. Da macht man sich schon Gedanken“, sagt Julian Reininger. Glücklich ist er mit der Situation nicht, aber zufrieden. Statt im neuen Büro haben die Brüder alle Aktivitäten in Container an der Immenburgstraße, direkt neben dem Autokonzerte-Gelände, verlegt. „Das ist definitiv besser, als nichts zu machen.“

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