Übung am Bonner Rheinufer Im Ernstfall bei Hochwasser rechtzeitig bereit sein

Beuel · Von einem Rheinhochwasser ist Bonn aktuell weit entfernt, aber die Bundesstadt ist gut gerüstet. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) haben am Sonntag den Aufbau von Schutzwänden in Beuel geübt.

Hochwasserschutz am Bonner Rheinufer​: Im Ernstfall rechtzeitig bereit sein​
Foto: Stefan Knopp

Applaus von den Kameraden: Die Lücke war geschlossen. Von zwei Seiten hatten Bonner Feuerwehrleute auf der Hermannstraße rote Tonnen aneinandergereiht und miteinander verbunden. Nachdem sie sich getroffen hatten, konnten sie den nächsten Schritt angehen, um die Hochwasserschutzwand, die im Ernstfall das Beueler Zentrum sichern soll, fertigzustellen. Am Sonntag wurde geübt, ob man das auch reibungslos hinbekommt.

Premiere fürs Tonnensystem im Beueler Zentrum

Für dieses Tonnensystem war das die erste Großübung. Laut Julia Gerz, die im Tiefbauamt für Hochwasser- und Starkregenrisikomanagement zuständig ist, wurde es 2017/18 eingeführt, aber die Corona-Pandemie hatte einen früheren Probeaufbau verhindert. Es ergänzt das Dammbalkensystem, das vorher der Hochwasserschutz der Wahl auch auf der Hermannstraße war und jetzt auf der Professor-Neu-Allee, also auf der anderen Seite der Kennedybrücke, zum Einsatz kommt. Es wurde dort am Sonntag vom Technischen Hilfswerk (THW) aufgebaut.

Das System besteht aus stählernen Querbalken, die auf Stützen ruhen, die in speziell dafür im Straßenbelag angebrachten Löchern befestigt werden. Es wird seit 2003 angewendet und geht Richtung Norden in den Deich über. Spannender ist das neue System. Dafür werden flexible platten aus Faserverbundwerkstoffen zu Tonnen zusammengerollt, man befestigt sie aneinander. So entsteht eine Schutzwand von rund 250 Metern Länge.

Im Ernstfall kommt Wasser in die Folien, erklärt die Bonner Feuerwehr

Die einzelnen Tonnen werden mit Folien ausgekleidet, in die im Ernstfall Wasser gefüllt wird. Aber nur bis zu etwa 50 Zentimetern Höhe, erkläre Eric Lambertz von der Bonner Berufsfeuerwehr. Dann hat man eine Stabilität erreicht, die den Feuerwehrleuten Zeit verschafft. Im weiteren Verlauf werden die Tonnen mit Sandsäcken weiter aufgefüllt. Dann können sie auch dem Druck eines weiter steigenden Rheinspiegels standhalten. Als nächstes werden Folien auf der Rheinseite vor und über die Tonnen gelegt, die auch noch mit Sandsäcken beschwert werden, damit das Wasser nicht unter die Folien gespült wird. Auch das sorgt für zusätzlichen Schutz.

Aufwändiges Verfahren für den Hochwasserschutz im rechtsrheinischen Bonn

Das klingt aufwändig und ist es auch. Das Material muss vom rechtsrheinischen Katastrophenschutzlager hergebracht werden. „Wir haben eine Extra-Einheit für die Logistikkomponente“, so Lambertz. Im Ernstfall stehen nicht so viele Feuerwehrleute zur Verfügung wie jetzt bei der Übung: Alle Löscheinheiten der Freiwilligen Feuerwehr Bonn hatten Leute entsandt, die Einsatzleitung lag bei der Berufsfeuerwehr, dazu waren 60 Helfer des THW gekommen sowie zwei Einsatzeinheiten des Katastrophenschutzes der Johanniter und des Malteser Hilfsdienstes für die Verpflegung.

„50 Mann würden reichen“, sagte Übungsleiter Pascal Jörris von der Berufsfeuerwehr. Die würden dann vielleicht ein bisschen länger brauchen als die gute Stunde, die der Aufbau an diesem Probe-Sonntag gedauert hatte. „Normalerweise hätten wir ja auch noch den Stegbau und Boote auf dem Rhein.“ Und in Graurheindorf etwa müsse ja auch das Ufer gesichert werden, wenn der Rheinpegel steigt.

Drei bis vier Stunden wären für den Aufbau eigentlich nötig

Laut Lambertz würde man für den Aufbau der gesamten Schutzwand drei bis vier Stunden veranschlagen. Denn die Tonnen mit Wasser und Sandsäcken zu befüllen, sei zwar die leichteste Übung, aber dafür brauche man auch Zeit. Idealerweise würde man dafür das Hochwasser nutzen. Eine besondere Funktion hat die aufblasbare Wasserschutzwand, die quer auf der Hermannstraße positioniert wurde. Sie kann mit Luft, aber notfalls auch mit Wasser befüllt werden und ist schnell errichtet. Mit ihr kann man schnell die Lücken schließen, die bis zuletzt für die Einsatzfahrzeuge in der Schutzwand gelassen werden.

Der Aufbau hat schneller funktioniert als erwartet. Das ist auch gut so, aber normalerweise haben die Einsatzkräfte ja Vorlauf, erklärte Gerz. Denn inzwischen seien die Pegelvorhersagen so gut, dass man früh vorwarnen, evakuieren und Maßnahmen ergreifen könne. „Das Tonnensystem ist die zweite Verteidigungslinie“, so Gerz. „Wenn man weiß, dass das Rheinwasser über 9,80 Meter steigen wird, wird es aufgebaut. Schon vorher gibt es Maßnahmen. „Ab 5,50 Metern wird das Kanalsystem geschützt.“ Ab sieben Metern Wasserhöhe werden die Rheinufer geräumt. Aber der Hochwasserschutz am Rheinufer hält einem Pegel von 9,50 Metern stand, der wurde seit den Jahrhunderthochwassern 1993 und 1995 nicht mehr erreicht. Seitdem war allenfalls mal die Promenade überschwemmt.

Man könnte sich wundern, dass die Schutzwand nur von der Kennedybrücke bis zur Kirche Sankt Josef reicht. Gerz wies darauf hin, dass der Schutz vom Gefälle zum Rhein hin abhängt. Südlich der Kirche ist das Ufer hoch genug, dass der Bereich ohne Schutz auskommt. Das merkt man nicht, wurde aber so berechnet.

Die Übung lockte einiges an Publikum an. Lukas fand das alles sehr spannend: Feuerwehrmänner und -autos, ein Radlader mit Gabeln, Schläuche, mehr braucht ein Dreijähriger nicht, um glücklich zu sein. Seine Mutter Susanne Tchorz sagte, sie finde es amüsant, dass diese Maßnahme ausgerechnet in diese Zeit falle, in der der Rhein so wenig Wasser führt, dass sogar die Rheinnixe ihren Fährbetrieb einstellen muss. Aber die Übung war längerfristig so geplant. „Und wir üben den Waldbrand ja auch nicht dann, wenn es brennt“, kommentierte Lambertz.

Tchorz ist in Beuel aufgewachsen und hat die Jahrhunderthochwasser in den 90ern als Kind miterlebt, die damals zum Anlass genommen wurden, den Hochwasserschutz zu aktualisieren. „Das war spannend. Eine Freundin musste mit dem Boot abgeholt werden, sonst wäre sie nicht in die Schule gekommen.“ Auch Maria Schlösser erinnert sich noch an diese Ereignisse. Sie hatte mit ihrem Mann die Bäckerei in der Hermannstraße geführt, die jetzt von ihrem Sohn betrieben wird. „Solche Wände gab es nicht“, erzählte sie. „Das Wasser kam von hinten. Wir musste damals den Bäckereibetrieb schließen.“

Wenn es wieder ein solches Hochwasserereignis geben sollte, wäre die Bäckerei wieder auf der Hochwasserseite der Schutzwand. „Das letzte Jahr hat uns noch mal vor Augen geführt, dass immer etwas einsetzen kann, woran man nicht denkt“, sagte Lambertz. „Wir in Bonn wollen vor der Lage sein.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort