Griechisch-orthodoxe Kirche in Limperich Im Bonner Gotteshaus gibt es nur Stehplätze

Limperich · Sokratis Ntallis ist Priester der griechisch-orthodoxen Kirche in Limperich. Er weiß, was alles auf den kunstvoll gestalteten Wände des Gotteshaus zu entdecken ist, und kann erklären, warum die Gläubigen in der Kirche normalerweise stehen.

 In der griechisch-orthodoxen Kirche in Limperich stehen beim Gottesdienst die Gläubigen vor Priester Sokratis Ntallis, anders als die Gäste am Mittwoch.

In der griechisch-orthodoxen Kirche in Limperich stehen beim Gottesdienst die Gläubigen vor Priester Sokratis Ntallis, anders als die Gäste am Mittwoch.

Foto: Benjamin Westhoff

Eigentlich gibt es hier nur Stehplätze, aber weil an diesem Tag Gäste da sind, ist alles etwas anders in der griechisch-orthodoxen Kirche in Limperich. Erzpriester Sokratis Ntallis empfängt rund 60 Besucher in seinem Gotteshaus, die sich auf Stühlen im Innenraum und entlang der Wände verteilen. Normalerweise sitzen die Gläubigen während des Gottesdienstes nicht. Und es stehen dort nur die Stühle an den Seiten, die lediglich dazu dienen, dass sich Alte oder Kranke festhalten können.

Warum das so ist, erklärt Ntallis später. „In der orthodoxen Kirche ist es so, dass ich als Gläubiger ein Opfer bringen soll“, sagt er. Das könnten unterschiedliche Dinge sein: Kerzen, die die Gläubigen anzünden, oder Geldspenden – auch körperliche Anstrengung zählt dazu. Ntallis erklärt den Gedanken, der dahintersteckt: „Christus hat sich selbst geopfert, deswegen ist man ihm gegenüber etwas schuldig.“ Es gehe aber nicht darum, ein Opfer um jeden Preis zu erbringen.

Alle Wände sind mit Malereien bedeckt

Ntallis spricht aber nicht nur über das Mobiliar, sondern auch über die Wände, die komplett mit Malereien bedeckt sind. „Bei den Orthodoxen ist es unvorstellbar, dass die Kirche ein leerer Raum ist“, erklärt Ntallis den Besuchern, die der Einladung des Denkmal- und Geschichtsverein Bonn-Rechtsrheinisch gefolgt sind. An den Wänden finden sich auch die beiden Patrone der Stadt Bonn: Cassius und Florentius; und vielleicht komme noch die Patronin hinzu, sagt Ntallis – also die heilige Adelheid.

Die Legende besagt, dass Kaiser Maximilian die Legion, zu der Cassius und Florentius gehörten, nach Gallien geschickt hatte, um gegen aufständische Bauern zu kämpfen. Ein Teil der Legion, darunter auch die beiden Soldaten, zog ins Rheinland, um einen weiteren Aufstand niederzuschlagen. Die Legion bestand aus Christen. Weil die Soldaten sich weigerten, gegen christliche Glaubensbrüder zu kämpfen, wurden sie hingerichtet

Die heilige Adelheid wirkte Anfang des 11. Jahrhunderts als Äbtissin in Vilich. Bis zur kommunalen Eingliederung 1969 war sie Patronin der Stadt Beuel – und blieb es danach für den Stadtbezirk. 2008 wurde Adelheid mit Zustimmung des Vatikans neben Cassius und Florentius zur Bonner Stadtpatronin erhoben. Irgendwann solle auch der Vorraum der Kirche mit Malereien verziert werden. Dann finde sich möglicherweise auch ein Platz für Adelheid, sagt Ntallis.

Kirche entstand in den 1970ern

Die Kirche in Limperich wurde 1976 gebaut. Damit war sie die erste griechisch-orthodoxe Kirche, die in Deutschland von Grund auf neu errichtet wurde – zeitgleich begannen die Bauarbeiten an einem Gotteshaus in Berlin. Die Kirche in Limperich besuchten anfangs vor allem griechische Gastarbeiter, die ihre Heimat in den 1960ern verlassen hatten, um in Deutschland zu arbeiten. Der erste Erzbischof der Gemeinde kam von der griechischen Insel Kreta nach Deutschland.

Sowohl Deutsche als auch Griechen seien davon ausgegangen, dass sie nach ein paar Jahren in ihre Heimat zurückkehren. Für den Erzpriester sei die Kirche aber mehr als ein reines Provisorium gewesen, sagt Ntallis. „Er wollte die Menschen nicht zeitlich beschränken und dafür sorgen, dass sie auch vor Ort Fuß fassen.“

Beim ersten Gottesdienst 1977 waren die Wände noch weiß. Als erstes Kunstwerk erstand dann das Bild der Mutter Gottes über dem Alter. Bei der Gestaltung der Kirche brachte sich auch ein Bonner Architekt ein. „Der ist auf uns zugekommen“, sagt Ntallis. „Ich weiß nicht genau, wie er vom ersten Bild erfahren hat, aus der Zeitung oder von jemandem, der es ihm erzählt hat.“ Jedenfalls wies er die Gemeinde darauf hin, dass das Klima in Bonn zwischen extremer Feuchtigkeit und Trockenheit schwanke, was denkbar ungünstig für solche Malereien sei. Er empfahl der Gemeinde deshalb, einen speziellen Putz. Die folgte seinem Rat.

Maler verwenden nur natürliche Farben

Die Kunstwerke stammen aus Griechenland. Die Künstler brachten Skizzen auf Leinen auf, die dann als Rollen nach Bonn transportiert wurden. Hier bekamen sie dann später ihre Farben. „Die Maler haben nur natürliche Farben verwendet – aus Erde, Harz von Bäumen oder Blumen“, sagt Ntallis.

Auch die Ikonostase stammt aus Griechenland, wurde von einem Familienbetrieb auf Kreta gefertigt, der nur für Kirchen arbeitet. Die mit Ikonen geschmückte Wand mit drei Türen trennt in orthodoxen Kirchen das Kirchenschiff und den Altarraum. Die Ikonostasen seien in allen orthodoxen Kirchen gleich aufgebaut, sagt Ntallis: Das zweite Bild auf der linken Seite verrate immer etwas über den Namen der Kirche. In Limperich zeigt sie den Besuch von drei Engelsboten bei Abraham und Sara – eine Darstellung der Dreifaltigkeit. Als Material wurde beim Bau der Ikonostase das Holz von Linden verwendet. „Und weil es in Griechenland nicht viele Linden gibt, mussten sie aus Bayern importiert werden“, sagt Ntallis.

Nach 60 Minuten sind fast alle Fragen beantwortet. Langsam verlassen die Besucher die Kirche. Einige verweilen noch, um sich die Malereien genauer anzusehen. Ntallis ist auch noch da. Wie blickt er eigentlich auf den Krieg in der Ukraine? Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, hatte den Krieg zuletzt gerechtfertigt und die russischen Soldaten zum Kampf aufgerufen. „Das war ein Verbrechen von Russland“, sagt Ntallis. Es schmerze, dass die Kirche in Russland den Krieg gesegnet habe. Ntallis sagt: „Kirche sollte für Frieden sorgen.“

Die Kirche ist täglich von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Besucher können sich in dieser Zeit, den kunstvoll gestalteten Innenraum anschauen – so lange kein Gottesdienst stattfindet. Die sind am Samstag ab 18 Uhr und Sonntag von 9.30 bis circa 10.30 Uhr.

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