Halle Beuel: "Herz der Finsternis" Impressionen aus einem Fiebertraum

Bonn · Die Gier. Das Grauen. Irgendetwas bringt in den Urwäldern immer wieder die schlimmsten Seiten des Menschen zum Vorschein. Kein Buch versteht dies besser zu beschreiben als Joseph Conrads Roman "Herz der Finsternis", die Grundlage für eine Reihe von Verfilmungen, von denen "Apocalypse Now" ohne Zweifel die berühmteste ist. Nun nimmt sich das Theater Bonn des Stoffes an - und lädt ihn historisch und politisch bis an die Oberkante auf.

 Exotische Bilder von einem schwierigen Kontinent: Szene aus der Bonner Produktion "Herz der Finsternis".

Exotische Bilder von einem schwierigen Kontinent: Szene aus der Bonner Produktion "Herz der Finsternis".

Foto: Thilo Beu

"Vor 130 Jahren hat in Berlin die so genannte Kongo-Konferenz stattgefunden, die die Grundlage für die Aufteilung Afrikas unter den Kolonialmächten legte und zugleich König Leopold II von Belgien den Kongofreistaat de facto übereignete.

Mit diesem Hintergrund gehen wir bei "Herz der Finsternis" vor, erklärt Regisseur Jan-Christoph Gockel, der bereits in der vergangenen Spielzeit mit "Metropolis" sein Händchen für bildgewaltige Werke eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Zusammen mit seinem Dramaturgen David Schliesing hat er die Bühnenfassung des Romans geschrieben und dabei den Text zum einen mit Protokollen besagter Konferenz vermischt, zum anderen aber die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer mit aufgenommen.

"Wir haben gewissermaßen die Aktualität in der Historie gesucht und gefunden", sagt er. "Das, was heutzutage in Afrika passiert, ist letztlich eine Folge der Ausbeutung während der Kolonialzeit. Es gibt zum Beispiel Schätzungen, dass zehn bis 15 Millionen Kongolesen den Tod fanden, während die Belgier die immensen Reichtümer des Landes plünderten." Bis heute hat sich nicht viel geändert, nur die Unterdrücker sind andere geworden.

Conrad, obwohl selbst nicht frei von Vorurteilen, hat in "Herz der Finsternis" ein bedrückendes Porträt jener Zeit gezeichnet. "Er hat die Reise den Kongo hinauf als Kapitän eines Flussdampfers ja selbst unternommen, bis ihn ein Fieber ereilte", sagt Gockel. "Diese autobiografische Ebene schimmert bei uns also auch immer wieder durch." Schichten über Schichten über Schichten. "Das ist ein ganz schönes Dickicht", bestätigt Schliesing.

Durch das das fünfköpfige Ensemble (Laura Sundermann, Benjamin Grüter, Alois Reinhardt, Hajo Tuschy und Komi Togbonou) auf einem Schiff bis zur Quelle fahren wird. "Es gibt ein Bild von der 'Roi des Belges', mit der Conrad damals seine Reise machte - die hat unsere Bühnenbildnerin originalgetreu nachgebaut, auf ihr spielt unser Stück", offenbart Gockel. "Wir wollen schon sehr konkret spielen, auch wenn der Text manchmal an einen Fiebertraum erinnert." Und gerade dadurch eine bedrückende, düstere Atmosphäre kreiert. "Ja. Aber zugleich besitzt er eine trockene Komik, die wir ebenfalls nutzen wollen."

Und was ist mit Kurtz, der durch Marlon Brandos unvergessene Darstellung unsterblich wurde? Jenem diabolischen Mann, der Züge König Leopolds II. trägt und der in seiner Gier nach Elfenbein, diesem blutgetränkten wertvollen Knochen, eine Art Gottkomplex entwickelt? "Den lassen wir immer wieder zu Wort kommen, zeigen ihn aber nicht", sagt Gockel. Das Grauen bleibt damit unsichtbar, unfassbar, unbegreiflich. Vielleicht der beste Ansatz. "Das Stück muss weh tun", sagt Schliesing. "Und es soll uns zugleich daran erinnern, dass wir eine Verantwortung gegenüber jenen haben, die jetzt aus Afrika fliehen", bekräftigt Gockel.

Termine: 23. April (Premiere), 28. April, 3., 6., 17., 20., 22., 28. und 30. Mai. Jeweils 19.30 Uhr in der Halle Beuel. Karten gibt es in den GA-Ticketshops.

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