Wing Chun im Shaolin-Center In Beuel kann man trainieren wie einst Bruce Lee

Beuel · Im Beueler Shaolin-Center lernen Schüler Wing Chun. Die chinesische Kampfkunst entwickelten Mönche vor 1800 Jahren. Berühmt machte sie Schauspieler Bruce Lee in seinen Martial-Arts-Filmen.

Wing Chun im Shaolin-Center: In Beuel kann man trainieren wie einst Bruce Lee
Foto: Benjamin Westhoff

Die Bewegungen sind für das ungeübte Laienauge zu schnell. Nad­ja Orlando steht ihrer Assistentin Frauke Krüger im festen Stand gegenüber. Orlando hat die Handgelenke Krügers umklammert. Es sieht zunächst aus wie ein Patt, doch mit einer raschen Bewegungsabfolge drängt Orlando ihr Gegenüber in die Defensive. So schnell kann es gehen, wenn man die Kunst des „Wing Chun Kung-Fu“ beherrscht. Seit 2005 unterrichtet Orlando die traditionelle chinesische Kampfkunst im Shaolin-Center Bonn in der Auguststraße. Die Schule gehört der „European Wing Chun Organisation“ (EWCO) an.

Orlando ist Ausbilderin und trägt den Titel Sifu, was in etwa Meister bedeutet. Krüger ist Si-Je, eine „ältere Schwester“. Bevor Orlando die Faszination des Wing Chun näherbringt, berichtet sie vom Hintergrund. „Das chinesische Shaolin-Kloster ist die Mutter der Kampfkünste“, sagt Orlando. Die Entwicklung dort habe bereits vor rund 1800 Jahren begonnen. Zunächst hätten die Mönche einen der sechs verschiedenen originalen Kung-Fu-Stile erlernt. Jeder Mönch habe dafür rund 20 Jahre gebraucht. „Deswegen hat man von den sechs Stilen die effizientesten Elemente genommen und Wing Chun entwickelt“, so Orlando weiter. Die Zeit des Erlernens verkürzte sich damit auf acht Jahre.

Doch was heißt schon die Zeit des Erlernens? Das Alter einer Person spiele beim Wing Chun nämlich keine Rolle, sagt Orlando. „Man wird sein Leben lang besser. Auch ich lerne ständig dazu, es gibt keine Grenzen.“ Ebenso wenig komme es auf Kraft an. „Wing Chun macht vor allem aus, dass Schwächere gegen Stärkere etwas ausrichten können.“ Deswegen unterrichtet Orlando auch Frauen und Männer gemeinsam. Differenziert wird lediglich in Kinder-, Jugend- und Erwachsenenkurse. Insgesamt seien es zwischen 50 und 170 Schüler.

Um Wing Chun erfolgreich zu trainieren, muss man also keine Kraft, aber andere Eigenschaften mitbringen. Es brauche einen gesunden Ehrgeiz und Willen, meint Orlando. „Außerdem ist Demut vor sich selbst wichtig. Man sollte sich eingestehen, dass manche Sachen Zeit brauchen und man nicht alles sofort verstehen muss.“ Wichtig sei es vielmehr von Anfang an, Bewegungen einfach mal auszuprobieren.

Auch Orlando selbst probierte verschiedene Sportarten aus, bevor sie schlussendlich zum Wing Chun kam. Sie ist ausgebildete Tänzerin, unterrichtete lange auch Tanz. Während eines Auslandsaufenthalts in Indien mit ihrem jetzigen Ehemann schlug dieser ihr vor: „Du musst mal Kampfsport machen.“ „Judo ist nichts für mich, Karate habe ich auch mal ausprobiert“, erzählt Orlando. Eine Freundin berichtete ihr dann von Wing Chun und nahm sie mit zum Training, nachdem sie einen Lehrer gefunden hatte. Während der ersten Stunde hätten ihr die Bewegungen sofort gefallen. Auch habe der Sigung, der Cheftrainer, „faszinierende Sachen“ gezeigt.

 Derzeit unterrichten Nadja Orlando (l.) und Frauke Krüger Wing Chun über das Internet. Dabei tragen sie eine für diese Kampfkunst typische Kleidung.

Derzeit unterrichten Nadja Orlando (l.) und Frauke Krüger Wing Chun über das Internet. Dabei tragen sie eine für diese Kampfkunst typische Kleidung.

Foto: Benjamin Westhoff

Der Sigung habe etwa eine alte Prüfung demonstriert, bei welcher getestet wird, ob man einen sehr guten, festen Stand hat. Der Prüfling steht, an seinen Knöcheln ist jeweils ein Seil befestigt. Nun ziehen zwei Menschen in entgegengesetzte Richtung an den Seilen. „Wenn der Stand nicht fest genug ist, sitzt man dann im Spagat“, sagt Orlando.

Später wollte Orlando Wing Chun auch selbst unterrichten. Zunächst tat sie dies bei der EWCO, ab 2005 baute sie die eigene Schule in Beuel auf. Zu Corona-Zeiten sei das Training natürlich anders. Die Teilnehmer werden über „Zoom“ zugeschaltet, Bewegungen detailliert trainiert. „Was allerdings fehlt, ist das Gefühlstraining. Da man nicht mehr zu zweit trainieren kann, gibt es zurzeit nicht das Gefühl, wie es ist, wenn mich jemand angreift und ich reagieren muss“, erklärt Orlando. Neben dem Unterricht trainiert Orlando auch viel allein. „Ich versuche, jeden Tag eineinhalb bis zwei Stunden an meinen Fähigkeiten zu arbeiten“, so Orlando.

Zum Schluss bleibt noch eine Frage. Warum sind so viele Menschen, gerade auch in der westlichen Welt, von der chinesischen Kampfkunst so fasziniert? Warum sind Menschen wie Bruce Lee oder Filme über den Wing-Chun-Meister Yip Man so beliebt? „Ich glaube, die Mystik daran ist faszinierend. Es ist was total anderes als einfach nur draufhauen“, sagt Orlando. Nicht nur in Filmen, auch in der Realität habe Wing Chun etwas Mystisches. „Man erfährt, was mit ganz kleinen Bewegungen alles möglich ist.“

So klein, dass die Bewegungen in der Kampfkunst teilweise nicht mehr nachvollziehbar seien. „Wenn der Sigung nicht will, dass man sieht, was er macht, dann sieht man es auch nicht.“

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