Kulturserie Beuel Interview mit Tina Jücker und Claus Overkamp vom Theater Marabu

Bonn · Wer den langen Weg von der Kreuzstraße zum Theatereingang zurücklegt, dem schwirrt unterwegs der Begriff Hinterhofbühne durch den Kopf. Das Theater Marabu liegt im hintersten Winkel des Brotfabrikgeländes, aber der Marsch dorthin wird mit engagiertem und preisgekröntem Bühnenspiel belohnt.

Das Kinder- und Jugendtheater zählt in Schauspielkreisen zu den besten Bühnen seines Genres in Deutschland – und dieses Lob kommt stets aus berufenem Mund. Aber wer anders ist als andere, hat es nicht immer leicht. Über das Leben in Beuel und das Überleben in der Kulturwelt sprechen die Theaterleiter Tina Jücker und Claus Overkamp mit Holger Willcke.

Wie wollen Sie als kleine Bühne in der großen Theaterwelt bestehen?

Tina Jücker: Wir sind das Jahr über oft auf Gastspielreisen. Mit unseren Tourneen finanzieren wir zum Teil unsere Theaterarbeit in Bonn. Wir sind außerhalb bekannter als zu Hause. Die Einnahmen von unseren etwa 150 Aufführungen im Jahr reichen so gerade, um die Unkosten zu decken und die Honorare zu bezahlen.

Erhalten Sie keine Zuschüsse?

Claus Overkamp: Die Stadt Bonn unterstützt uns jährlich mit 50 000 Euro, vom Land NRW bekommen wir knapp 40 000 Euro als institutionelle Förderung. Zusätzlich beantragen wir Projektmittel.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie denn fest?

Jücker: Wir haben keine festen Mitarbeiter, dafür reicht unser Etat nicht aus. Wir arbeiten nur mit freien Mitarbeitern. Unser Theaterraum fasst 100 Personen, das sind nicht gerade viele Gäste. Und man muss noch berücksichtigen, dass unser Publikum hauptsächlich aus Kindern und Jugendlichen besteht, von denen man natürlich keine hohen Eintrittspreise verlangen kann. Andererseits garantiert diese räumlich bedingte Zuschauerbegrenzung ein nahes und unmittelbares Theatererlebnis, wie wir es uns wünschen.

Das Theater Marabu ist eine freie Bühne für junges Publikum mit eigener Spielstätte. Wie verhält sich das inhaltlich mit der Brotfabrik?

Overkamp: 2003 haben wir von der Brotfabrik die Theaterwerkstatt, zunächst halbjährig, gemietet, seit 2013 ganzjährig. Aber für unsere Zuschauer sind wir gefühlt seit 2003 in Beuel zu Hause. Zudem sind wir Mitglied im Trägerverein Traumpalast.

Ist das Junge Theater Konkurrenz für Sie?

Overkamp: Nein, weil beide Häuser ganz unterschiedliche Ansätze und Zielrichtungen verfolgen. Das Junge Theater inszeniert bekannte Kinder- und Jugendliteratur. Wir erarbeiten uns die Themen selbst oder setzen auf unbekanntere Stoffe und experimentieren mit verschiedenen Theaterästhetiken.

Gibt es ein Theaterstück, das Sie als Ihr Paradestück bezeichnen würden?

Jücker: Das ist ganz schwer zu beantworten. Da hat wohl jeder Akteur seine eigenen Favoriten. „Kiebich und Dutz“ von F.K. Wächter war 1993 unser erstes Stück. Seitdem haben wir 53 Inszenierungen auf die Bühne gebracht. Jede hatte ihren Reiz.

Was bereiten Sie derzeit vor?

Overkamp: Im November findet in Bonn die die 23.Weltklimakonferenz statt. Wir möchten diese Konferenz zum Anlass nehmen, auch mit Kindern und Jugendlichen das Thema des weltweiten Klimawandels unter dem Motto „Welt erforschen, Welt erkunden“ zu diskutieren. Dazu bietet das Kulturzentrum Brotfabrik mit allen dort ansässigen Organisationen Projekttage an, für die sich Familien, Gruppen und Schulklassen anmelden können. Wir geben Input durch themenbezogene Theater- und Filmaufführungen und durch Impulse von Experten und Wissenschaftlern, die wir für diese Projekttage eingeladen haben. In künstlerisch-kreativ ausgerichteten Workshops können dann Teilaspekte des Themas fokussiert und vertieft werden. Aber wir nehmen auch wieder am Rheinischen Lesefest Käpt'n Book teil. Alle Angebote stehen auf unserer Internetseite.

Und beim Beethovenfest sind Sie in diesem Jahr auch dabei?

Jücker: Ja. Wir bereiten gemeinsam mit dem Beethovenfest Bonn und dem Jungen Nationaltheater Mannheim eine Musiktheater-Produktion für Kinder vor. Als Partner sind noch die Alanus-Hochschule und die Hochschule für Musik und Tanz in Köln mit von der Partie. Am 23. September ist die Uraufführung beim Beethovenfest hier bei uns in Beuel.

Sie haben einen Wunsch an die Stadt Bonn frei. Wie würde er lauten?

Jücker: Ich wünsche mir, dass das Schulamt stärkere Verbindungen zwischen den Theatern und den Schulen schafft. Wir könnten gerade jetzt in Sachen Integrationsarbeit viele Hilfestellungen für Flüchtlingskinder leisten. Ästhetische Bildung kann viel zum Miteinander und zur Integration beitragen. Das gilt natürlich auch für die Inklusion. Dieser Aspekt muss von der Stadt Bonn noch viel mehr hervorgehoben werden.

Der Kulturstandort Beuel hat durch den Umzug des Pantheon-Theaters Auftrieb erhalten. Merken Sie als Theater Marabu etwas davon?

Overkamp: Nein. Das liegt aber daran, dass wir verschieden Zielgruppen bedienen.

Was fehlt dem Kulturstandort?

Jücker: Dem Kulturstandort “Brotfabrik” fehlt es an technischer und auch optischer Instandsetzung um, auch im Vergleich mit den anderen Kultureinrichtungen, nicht an Attraktivität zu verlieren. Da ist schon lange nichts mehr passiert. Als Marabus wünschen wir uns ein Theater, in das es nicht hinein regnet! Das wäre doch schon mal was.

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