Gespräch mit Kaplan aus Beuel Warum Fasten nicht immer Verzicht bedeuten muss

Beuel · Viele Christen verzichten in der Fastenzeit auf Alkohol, Schokolade oder Fleisch. Doch Fasten ist nicht nur etwas für Gläubige, sondern liegt im Trend. Der Beueler Kaplan Cyrillus Binsasi erklärt, warum sich jeder etwas von dem Brauch abschauen kann.

 Verzicht kann helfen, für Dinge Platz zu machen, die vergessen waren.

Verzicht kann helfen, für Dinge Platz zu machen, die vergessen waren.

Foto: Meike Böschemeyer

Aschermittwoch markiert den Beginn der Umkehr, so propagiert es nicht nur die Kirche. Auch unzählige Magazine rufen in diesen Wochen zum Fasten auf. Glaubt man einer aktuellen Forsa-Umfrage, liegen Alkohol, Süßigkeiten und Fleisch als Fastenopfer bei den Deutschen hoch im Kurs. Doch warum wird überhaupt verzichtet?

„Im sechsten Jahrhundert wurde der Beginn der Fastenzeit auf Aschermittwoch gelegt. Schon ab dem zweiten Jahrhundert haben die Menschen aus Trauer um den Tod Jesu an Karfreitag und Karsamstag gefastet“, erklärt der Beueler Kaplan Pater Cyrillus Binsasi. Seit 20 Jahren lebt der Indonesier in Deutschland, ist Kaplan in der katholischen Pfarreiengemeinschaft Zwischen Rhein und Ennert und weiß um die Fastentraditionen der Deutschen. Die seien etwas anders als in seinem Heimatland. Doch dazu erst später mehr.

„Christen geht um die Vorbereitung auf das Osterfest: die Auferstehung. Es ist das höchste Fest für die Kirche. Dafür braucht es nicht nur eine äußerliche, sondern auch eine innerliche Vorbereitung“, so Binsasi. Die Anzahl der Tage des Fastens geht zurück auf die Bibel. Demnach ist Jesus 40 Tage durch die Wüste gewandert und wurde vom Teufel in Versuchung geführt. „Wer genau zählt, kommt von Aschermittwoch bis Ostern nicht auf 40 Tage. Die Sonntage werden nicht mitgerechnet“, erklärt der Geistliche. Seit dem fünften Jahrhundert sind sie als sogenannte „kleine Auferstehungstage“ vom Fasten ausgenommen. „Wir im Kloster feiern auch in der Fastenzeit den Sonntag als Festtag – und das ohne Fasten“, sagt er. Mit Kloster meint er den Konvent der Redemptoristen, in dem er als Ordenspriester auf der Josephhöhe lebt.

Seit 2016 ist Pater Cyrillus Binsasi Kaplan in der Beueler Pfarreingemeinschaft „Zwischen Rhein und Ennert“.

Seit 2016 ist Pater Cyrillus Binsasi Kaplan in der Beueler Pfarreingemeinschaft „Zwischen Rhein und Ennert“.

Foto: Julia Rosner

„Beim Fasten denken viele zuerst an Verzicht. Das ist jedoch nur ein Mittel, das genutzt wird.“ Spirituell gesehen ist der Hintergrund tiefer, so der 59-Jährige. Einerseits würden Christen so am Opfer der Kreuzigung Jesu teilhaben, der Aspekt des Leidens. „Der zweite Punkt wird greifbarer, wenn wir auf die Lesung im Gottesdienst an Aschermittwoch schauen. Da heißt es: Nicht die Kleidung soll zerrissen werden, sondern das Herz.“ Darum geht es: Das Herz soll frei sein für neue religiöse Erfahrungen und um das Osterfest feiern zu können. Viele in der Kirche sehen die Fastenzeit demnach bis heute als Exerzitien an. Darunter werden geistliche Übungen verstanden, die das Ziel haben, den Glauben zu vertiefen. Ähnliche Traditionen gibt es im Judentum vor Jom Kippur und im Islam im Ramadan.

Für nicht religiöse Menschen mag das abstrakt klingen, dennoch – sagt Pater Binsasi – sei der Gedanke allgegenwärtig, auch bei Menschen, die ohne spirituelle Dimension fasten. Ulf Beyen aus St. Josef in Beuel Mitte hat diese Erfahrung selbst vor ein paar Jahren gemacht, als er bewusst auf Alkohol verzichtete. „Ich habe es als Selbsttest gemacht, unter dem Motto ,Schaffe ich das?‘“ Damals habe es jedoch für ihn keine allzu große religiöse Bedeutung gehabt. Mittlerweile jedoch schon: „Wenn ich spüre, dass ich nun gerade verzichte, halte ich kurz inne und höre in mich hinein, frage mich, wie es mir geht, denke an etwas, das heute besonders schön war“, sagt er.

Raum für Neues

Meist gehe es darum, das Leben „zu sortieren“, wieder mehr Struktur zu bekommen und gesünder zu leben, sagt Pater Binsasi. Viele verzichten in der Fastenzeit auf die Dinge, die zu viel konsumiert werden und deshalb nicht guttun. „Der Verzicht zeigt, was wirklich wichtig ist und hilft, Prioritäten im Leben aufzeigen“, unterstreicht der Geistliche. Auch das Freimachen von Abhängigkeiten gehöre dazu. So könnte die Erkenntnis reifen: „Es gibt Dinge, die ich im Leben weglassen kann, und andere brauche ich vielleicht unbedingt.“

Wie das funktioniert? Verzicht bringe immer Leere, etwa wenn das Glas Wein am Abend auf einmal vermisst wird. Dennoch sei es wichtig, dieses Vermissen auch zu fühlen. „Die Leere schafft Raum und gibt Wertschätzung für das, was ich weglasse“, sagt Pater Binsasi. Es führe auch dazu, dass man nach der Fastenzeit ein gutes Glas Wein am Abend wieder mehr wertzuschätzen weiß.

Auch Maria Kranz verzichtet seit vielen Jahren in der Fastenzeit auf Alkohol, in diesem Jahr jedoch auch auf Fleisch. „An manchen Tagen fällt es mir leicht, an anderen Tagen überhaupt nicht“, sagt sie. Die Beuelerin mache das vorrangig als gläubige Katholikin. Aber auch der Gesundheitsaspekt werde von Jahr zu Jahr wichtiger. Ihre Belohnung? „Eine veränderte Perspektive und das leckerste Bier des ganzen Jahres: das an Ostersonntag.“

Doch Fasten muss nicht immer Verzicht bedeuten, denn es gibt auch positives Fasten. Um das zu erklären, nimmt Pater Binsasi Bezug auf die christliche Tradition, die dem Fasten drei Dimensionen zuschreibt: Almosen geben, Gebet und Fasten. „Alles ist miteinander verbunden“, sagt er. Wenn das Glas Wein am Abend weggelassen werde, sei Geld übrig. Er macht das an einem Beispiel aus seiner Heimat Indonesien deutlich.

Positives Fasten

Dort sammeln katholische Familien in der Fastenzeit das Geld in einem Briefumschlag, das sie für Konsumgüter ausgegeben hätten, auf die sie verzichten. Zu Ostern wird der Briefumschlag ärmeren Familien gegeben. Darüber hinaus gibt es in seinem Land weitere Traditionen in der Fastenzeit, beispielsweise Projekte, bei denen Gläubige, die fasten, gemeinsam einen Park von Unrat befreien oder eine Wasserleitung von einem Brunnen neu verlegen. „Es soll jedem zugutekommen, nicht nur Katholiken, und ist genauso fasten“, sagt er.

Auch, wenn es in Deutschland nicht die Wasserleitung sein dürfte, die in der Fastenzeit verlegt wird, habe jeder die Möglichkeit, sich zu beteiligen – egal ob gläubig oder nicht. Dies könne auch der wöchentliche Anruf bei den Eltern sein, bei denen man sich sonst selten meldet.

Und wie hält es Pater Binsasi selbst mit dem Fasten? Obwohl er schon zwei Jahrzehnte in Deutschland lebt, könne er sich nicht an das kalte Abendbrot gewöhnen. Aus Indonesien sei er es gewöhnt, dreimal am Tag warm zu essen. „Ein konkreter Vorsatz von mir ist es, neben verschiedenen geistlichen Übungen nur ein- bis zweimal am Tag warm zu essen.“ – Das zeige: Fasten ist individuell. Jeder muss für sich seinen Weg finden, das weglassen oder das gerade machen, was einem nicht immer leicht fällt, so der Beueler Geistliche.

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