Musikszene in Bonn Klaus Berger sammelt alles über Beatszene der sechziger Jahre

BEUEL · Die Initialzündung kam beim Schmücken des Weihnachtsbaums 1960: Im Radio lief Peggy Sue von Buddy Holly. Seitdem hat sich Klaus Berger aus Beuel der Bonner Beatszene der sechziger Jahre verschrieben - und nennt mittlerweile so manche Sammlerschätzchen sein

 Klaus Berger mit einem Filmplakat der britischen Beatband Herman's Hermits.

Klaus Berger mit einem Filmplakat der britischen Beatband Herman's Hermits.

Foto: Volker Lannert

Der 24. Dezember 1960 ist ein Tag, den Klaus Berger wohl nie vergessen wird. Er schmückte mit seinem Vater den Weihnachtsbaum, dabei lief das Radio. Und Berger hörte Musik, die ihn nie wieder losließ. Das Lied, das da lief, hieß "Peggy Sue", der Sänger Buddy Holly. Und von da an war es um Klaus Berger geschehen. "Das gefiel mir einfach sofort. Und das war die Initialzündung", sagt Berger. Er kaufte sich eine Gitarre, gründete eine Band und machte fortan Musik.

Die Musik, die in den sechziger Jahren populär wurde, war die Beatmusik. Und die schwappte aus London und Liverpool rüber nach Europa. Und eben auch nach Bonn. Wo die Szene, laut Berger, besonders aktiv war. Ihr setzt der Beueler mit seiner Homepage über Bonns Beatszene der sechziger Jahre ein Denkmal, das Männer kurz vor dem Pensionsalter mit musikalischem Hintergrund das Wasser in die Augen treiben dürfte. "Als ich vor drei Jahren angefangen habe, alles zu sammeln, fielen mir spontan 20 Bandnamen ein", so Berger. Mittlerweile listet seine Internetseite rund 100 Bands auf.

Und es kommen immer noch neue dazu. Außerdem gibt es Bilder und Infos von alten Auftrittsorten sowie Einblicke in das Lebensgefühl der Zeit, als man "dufte" statt "cool" sagte, Männer mit langen Haaren "Gammler" waren, Eltern sich über die "Negermusik" echauffierten und der Initiationsritus für Erstsemester in Bonn darin bestand, eine Runde im Kaiserbrunnen zu schwimmen.

"Die Beatmusik beherrschte damals alles"

Berger ist 63 Jahre alt, ein eher zierlicher Mann mit vollem braunen Haar, Schnurrbart und Lachfalten um die Augen, der sich selbst als "etwas biederen Verwaltungsbeamten" und "bönnsche Jung" bezeichnet. Und als solcher konnte er die Blütezeit der Bonner Beatszene voll miterleben. "Die Beatmusik beherrschte damals alles", sagt Berger.

"Jeden Samstag, jeden Sonntag spielte irgendwo eine Band", so Berger weiter. Gespielt wurde in der OT St. Cassius, im Piccadily, im Tucher Keller, im 1600 Club oder im Bonner Bürgerverein. Er wurde mittlerweile abgerissen, wo er war, steht heute das Hotel Bristol. Der "Bus Stop" war ein zweiter Beatclub im Bürgerverein.

"Ursprünglich war das eine alte Kegelbahn, zugemüllt bis unter die Decke", erinnert sich Niggi Lehmann, der heute das Session in der Gerhard-von-Are-Straße betreibt. Und der damals mit drei Bands Musik machte: Firestones, Groovy Inspiration und Take Five. "Am Anfang spielten wir bei uns zu Hause in der Küche, dafür hatten wir ein Radio zum Verstärker umgebaut", so Lehmann.

Als der Betreiber des Bürgervereins ihnen anbot, die Kegelbahn zu nutzen, schlugen die Jungs zu. Aber nicht, weil sie schon immer Gastwirte sein wollten. Lehmann: "Wir haben den Laden aufgemacht, damit wir einen Probenraum hatten und Musik machen konnten." Den angenehmen Nebeneffekt ihrer Entscheidung nahmen sie gerne in Kauf. "37 Pfennig kostete der Stubbi Kurfürstenpils im Einkauf, für 1,20 haben wir den verkauft, das gab richtig gutes Geld", sagt Lehmann.

Von dem er sich, für immerhin 8000 Euro, seine erste Hammondorgel kaufte. Die Bandmitglieder bauten aus einem alten Bus die Sitze aus und stellten sie in ihrer Kneipe auf, bemalten alte Bettlaken und hängten sie auf. In ihrem Laden fühlten sich Beatfans und Beatmusiker wohl. Es sei denn, sie fühlten sich beim Honorar übervorteilt, das eins der Bandmitglieder aushandelte. So wie der junge Engländer, der zur Untermauerung seiner Forderung ein Messer zückte.

"Vermutlich völlig zu Recht", meint Lehmann und lacht. "Früher konnte man als Band wirklich überall und an jedem Wochenende spielen", erinnert sich auch Dieter Roesberg. Heute ist er Chefredakteur einer Musikzeitschrift, in den sechziger Jahren spielte er, gemeinsam mit seinem älteren Bruder Peter, in den Bands "Connection" und "Yellow Motion".

Die Brüder führten Buch: 56 mal sind sie im Jahr 1970 aufgetreten. Und manchmal gab es auch richtig Geld, zum Beispiel 300 Mark für einen Auftritt am 28. Januar 1969 in der Mensa der Uni. Davon konnten andere nur träumen. Werner Schallenberg zum Beispiel, der heute einen Getränkevertrieb hat. "Man war froh, wenn man mal 50 Mark oder ein Bier bekam."

Um Geld ging es nicht

Aber um Geld ging es ja auch gar nicht. Eher um Mädchen. Um ein bisschen mit drei Akkorden vor ihnen anzugeben, dafür waren sie ganz praktisch. "Das ist die Zeit der ersten Liebe, in der man emotional am meisten hängen bleibt. Eingebettet in eine musikalische Welt, an der man deswegen bis heute hängt", sagt Berger, der in den Sechzigern Rhythmusgitarre in einer Band namens "Pinky Blue" spielte.

"Wir waren damals Schülerbands, teilweise grauenhafte Amateure", so Berger. Mit teilweise nicht minder grauenhaftem Englisch. Legendär das holprige Englisch der erfolgreichsten deutschen Beatband, The Lords. Was dem Erfolg der Band keinen Abbruch tat: Wer Beat machte, war angesagt. Idealerweise war man zwar Engländer und gehörte solchen Bands wie den Beatles, Rolling Stones oder Kinks an. Aber im Zweifelsfall tat´s auch der "bönnsche Jung", dessen Vater die Band mit dem Kombi zum Auftritt fuhr.

Der Erfolg der Szene und die Wirkung der Beatmusik auf die Jugendlichen blieb auch einem gewissen Hans Daniels, späterer Oberbürgermeister von Bonn, nicht verborgen. Als er 1969 für den Landtag kandidierte, rieten ihm seine Berater, eine Platte mit Beatmusik herauszubringen. "Bonner Beat Bands" heißt das gute Stück. Die gelbe Platte, die Daniels in Bonner Kneipen verteilte, ist in Liebhaberkreisen heute ein begehrtes Sammlerstück. Denn auf ihr wirkt ein gewisser Wolfgang Niedecken mit seiner damaligen Band "Goin' Sad" mit. Fast überflüssig zu sagen, dass Berger ein Original besitzt.

Sammlung geht weiter

Klaus Berger sammelt weiterhin alles über die Bonner Beatszene. Er sucht vor allem Fotos von Auftrittsorten in Bonn und Umgebung, alte Zeitungsausschnitte, Eintrittskarten, Plakate und natürlich Hinweise auf weitere Bands. Gesucht wird außerdem alles über die Mode der Zeit.

Weitere Informationen unter www.bn-beat.de. Kontakt: king-berger@arcor.de

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