Wirbel um Baumriesen Kritik an Fällung von 115 Jahre alter Platane

Oberkassel · Eine 115 Jahre alte Platane musste an der Julius-Vorster-Straße in Oberkassel einem Bauprojekt weichen. Das hat für viel Wirbel gesorgt. Eine Bürgerinitiative spricht sogar von einer Fehlentscheidung.

 Ein Teil der gefällten Platane.

Ein Teil der gefällten Platane.

Foto: Benjamin Westhoff

Mitte April war Werner Krötz, Sprecher einer Bürgerinitiative zum Erhalt eines alten Baumbestandes an der Julius-Vorster-Straße, bei einer Ortsbesichtigung noch zuversichtlich, dass die alte Platane in dem Oberkasseler Park erhalten bleibt. Diese Hoffnung vieler in Oberkassel war jedoch vergebens: In der ersten Maiwoche wurde der rund 115 Jahre alte Baum doch gefällt. Dennoch ist das Thema im rechtsrheinischen Bonn längst nicht erledigt. „Das war eine folgenschwere Kette von Fehlentscheidungen zu Lasten zukünftiger Generationen“, schimpft Initiativensprecherin Gabriele Krötz.

In einem offenen Brief an die Beueler Bezirksverordneten, die Stadtverwaltung Bonn, die Evangelische Kirchengemeinde als ehemaligen Besitzer des Areals sowie die Investorengruppe „Wohngefährten Bonn e.V.“ will ihre Initiative erreichen, dass sich die verschiedenen Gremien noch einmal mit diesem Vorgang beschäftigen – gerade auch im Hinblick darauf, dass weitere Bäume für den Neubau eines Mehrgenerationenwohnprojekts weichen sollen. „Was dort passiert ist, kann man nur als Amazonien am Rhein bezeichnen“, ärgert sich Gabriele Krötz im Gespräch mit dem GA. „Bereits die Bauvoranfrage vom 9.11.2015 hätte vom Bauordnungsamt zurückgewiesen werden müssen, da Abstandsflächen zu den Baudenkmälern unberücksichtigt geblieben sind“, argumentieren die fünf Unterzeichner des Offenen Briefs.

Oberkassel: Baurecht vor Baumrecht?

„Welche Interessen wurden hier bedient?“, fragen sich die Oberkasseler weiter. „Auch wir wissen, dass der Gesetzgeber das Baurecht vor das Baumrecht gestellt hat“, so Krötz. „Allerdings stellt sich die Frage, ob bei einem Baum dieser Größenordnung mit seiner Wohlfahrtswirkung nicht differenzierter gehandelt werden müsste. Zweifelsfrei hätte eine angemessene Bebauung ohne Fällung der Platane erfolgen können.“ Die Wohnungsnot könne nicht dadurch behoben werden, dass durch eine Bauoptimierung eine Ortsbildstruktur zerschlagen und ökologisch wichtige Bäume gefällt werden.

Kritisiert wird auch der Umfang der vorgesehenen Bebauung in dem Park aus dem 19. Jahrhundert: Neben den geplanten fünf Wohneinheiten in den bestehenden Häusern würden jetzt entgegen der ursprünglichen Bauvoranfrage von 2015 neun Wohneinheiten erstellt. „Dies ist eine andere Grundlage als die, über die die Bezirksvertretung 2016 entschieden hat. Hätte über diese Veränderung nicht neu abgestimmt werden müssen?“

Ursprünglich gehörte der evangelischen Kirchengemeinde Oberkassel das Gelände mit altem Land- sowie Kantorenhaus. Sie verkaufte das Gelände an der Ecke Kinkel- und Julius-Vorster-Straße im vergangenen Jahr für rund 1,4 Millionen Euro an den gemeinnützigen Verein „Wohngefährten Bonn“. Dieser will dort ein Mehrgenerationenwohnprojekt realisieren.

Fällung musste wegen Vogelbrut gestoppt werden

Nachdem die Fällung des Baumes noch vor wenigen Wochen wegen eines brütenden Vogelpaares in der Krone gestoppt worden war, hatte die Unteren Landschaftsbehörde wenige Tage später doch die Genehmigung zum Abholzen gegeben. Allerdings stehen dem Bauvorhaben noch weitere Bäume im Weg. „Inwiefern die Fällung der Bäume zur Verwirklichung zwingend notwendig ist, wird derzeit geprüft“, erklärte Andrea Schulte vom Presseamt Anfang des Monats. „Bei der alten Platane fehlte allen Beteiligten die notwendige Sensibilität“, kritisiert Gabriele Krötz indes. Gemeinsam mit ihren Mitstreitern hofft sie nun, dass bei den anderen Bäumen anders entschieden wird.

„Auch für uns ist es schwer zu akzeptieren, dass die Platane gefällt werden musste“, erklärte Richard Brand, der für die „Wohngefährten Bonn“ das Vorhaben betreut, Anfang Mai. Die jetzige Lösung sei ein „schmerzlicher“ Kompromiss. „Wir haben verschiedene Alternativen entwickelt. Aber dadurch wurde der Frischluftaustausch unterbrochen“, ergänzte er. „Gleichzeitig versuchen wir, die ökologischen Auswirkungen der Baumaßnahme durch unterschiedliche andere Maßnahmen zu kompensieren.“

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