Kunst aus Beuel Künstler Rudolf Hürth verweigert sich den Schubladen

Beuel · Seit 14 Jahren arbeitet Bildhauer und Architekt Rudolf Hürth im 2000-Quadratmeter-Atelier am Schwarzen Weg. Material bezieht er von der Firma, die ihren Sitz ein Stockwerk höher hat. Hürths großer Traum: ein zwanzig Meter hohes Kunstwerk.

 Rudolf Hürth hat in seinem Atelier 2000 Quadratmeter Platz für seine Werke.

Rudolf Hürth hat in seinem Atelier 2000 Quadratmeter Platz für seine Werke.

Foto: Stefan Hermes

Näher hätte Rudolf Hürth dem Material, aus dem er einen Großteil seiner Werke entstehen lässt, nicht kommen können: Seit rund vierzehn Jahren arbeitet der Bildhauer und Architekt in dem etwa 2000 Quadratmeter großen Untergeschoss der ehemaligen Isolier- und Dämmstoffproduktion von A.W.Andernach im Gewerbegebiet Beuel-Ost. „Ein Glücksfall“, freut sich Hürth (63), der sich dort inmitten von mehr als 50 seiner von ihm geschaffenen Skulpturen, Malereien und Objekte präsentieren kann.

Wo früher vor allem Styropor hergestellt wurde, entstehen heute durch die Firma Nafab Foams feinste EPS-Schäume (expandiertes Polystyrol) für den Modell- und Formenbau, die zumeist auch den Kern von Hürths Objekten ausmachen. Mit Spachtelmasse überzogen, geschliffen und lackiert, scheinen seine Skulpturen aus makellosem Marmor zu bestehen.

„Der Künstler schafft immer eine Illusion, mit der Betrachter spielen können“, sagt Hürth und bezieht sich dabei nicht nur auf das verwendete Material. Er will mit seinen Werken neue Räume schaffen. Bühnenbilder. Kunst, die bei ihrer Betrachtung etwas auslösen soll. „Bestenfalls soll meine Arbeit dazu führen, dass man anfängt, selber kreativ zu werden“, so Hürth.

Schon die Eltern waren Künstler

So ähnlich ist auch er zur Kunst gekommen: Sowohl sein Vater Rudolf, der ebenfalls als Ingenieur in Bonn arbeitete, wie auch seine Mutter Agnes waren beide bildhauernd und malend aktiv. „Schon als kleiner Junge hatte ich aus allem, was ich in die Finger bekam, etwas Neues gestalten müssen“, erinnert sich Hürth an eine glückliche Kindheit in Graurheindorf.

Aktuell scheint er vieles von dem, was ihn bewegt, vorzugsweise aus dem Material zu formen, was eine Etage über seinem Atelier hergestellt wird. Er lässt damit Objekte entstehen, die in ihrer Formensprache kaum unterschiedlicher sein könnten. Mal glaubt man, Dadaistisches von Hans Arp oder Max Ernst zu erkennen, dann stößt man überraschend auf barocke Elemente oder Zitate des Klassizismus.

Hat man gerade in einem meterlangen Objekt einen kunstvoll im Wind wehenden Vorhang ausgemacht, findet sich auf seiner flachen Rückseite eine monochrome Malerei mit Figuren und Objekten, die an einen frühen Picasso erinnern. Es verfestigt sich schnell der Eindruck, dass sich der Künstler jeglicher Einordnung entzieht. Der Versuch Hürths Arbeiten mit gängigen Mustern zu vergleichen, scheitert in dem Maße, wie er für sich selber in Anspruch nimmt, in keine „Schublade“ passen zu wollen.

„Die Wiederholung langweilt mich“, sagt er. Auch wenn er weiß, dass der Kunstmarkt ihn gerne einsortieren möchte. Doch Hürth verweigert sich. Seine großformatigen, in kräftig bis schrillen Farben leuchtenden Gemälde bestätigen sein variantenreiches Kunstschaffen. Auch wenn sich seine Gemälde von den puren und weißen Objekten kaum weiter entfernen könnten, verlassen diese auf überraschende Weise farbexplosiven Arbeiten die Zweidimensionalität der Leinwand, um dem Besucher seines Ateliers in weiteren Arbeiten in einer dritten Dimension entgegen zu kommen.

Hürth nennt seine Arbeiten „strotoplastische Malerei“

Diese Vermischung bezeichnet Hürth als eine „strotoplastische Malerei“. Den Begriff hat er sich schützen lassen. Ingenieur Hürth überlässt nichts dem Zufall. Er schöpft aus dem Wissen und der Erfahrung des Architekten. Er plant und berechnet seine Werke. Seine Objekte möchte er dabei möglichst als Multiples sehen. Markierungspunkte, die teilweise noch von der Vermessung auf einigen Arbeiten zu sehen sind, erzählen davon, dass Hürth seine Werke einscannt und damit jederzeit und in jeder gewünschten Größe reproduzierbar macht.

Sein etwa zwei Meter hohes Werk „Spirit“, das ein Schiff erkennen lässt, welches mit Segeln aus dicht gedrängt zusammenstehenden Menschen auf einem Wellenkamm erstarrt zu sein scheint, würde Hürth gerne als zehn oder zwanzig Meter hohes Werk aus glänzend poliertem Edelstahl realisiert sehen. „Manche Objekte werden erst eine Wirkung entfalten, wenn man sie durchschreiten kann“, sagt er.

Hürth versteht sich - auch unabhängig von ihrer Größe - auf die Inszenierung seiner Arbeiten. Kaum ein Objekt, dass nicht einen Sockel hat, der es erhaben präsentiert und gleichzeitig erdet. „Wenn eine Skulptur nicht inszeniert wird, verliert sie ihre Bedeutung“, so Hürth. Kunst muss für ihn, „neue Erlebnishorizonte schaffen“, sagt er. Kunst habe den Auftrag, immer etwas zu bewirken. Dabei sei er - und da spricht der Architekt aus dem Bildhauer - „immer auf der Suche nach der optimalen Form.“

 Rudolf Hürth will, dass die Betrachter seiner Arbeiten selbst kreativ werden.

Rudolf Hürth will, dass die Betrachter seiner Arbeiten selbst kreativ werden.

Foto: Stefan Hermes

Dabei muss das Optimale für Hürth immer auch in einem Höchstmaß ästhetisch sein. „Bei meinen Arbeiten sind es oft Bruchteile von Millimetern, die letztlich die Form bestimmen“, sagt er und streicht dabei über die samtig geschliffenen Kante eines seiner Objekte. „Da steckt unglaublich viel Arbeit drin“, sagt er.

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