GA-Dialog "Beueler Treff" Kultur in Existenznot

BEUEL · Schock. So beschrieb eine Teilnehmerin des GA-Dialogs "Beueler Treff" am Montagabend in der Brotfabrik ihre Reaktion. Sie nutze die kulturellen Angebote in Beuel regelmäßig.

"Zwar habe ich schon mit Schrecken festgestellt, dass meine Lieblingsschauspielerin aus dem Jungen Theater kellnern geht. Aber vieles, was ich hier über die Arbeitsbedingen erfahre, wusste ich nicht." Zuvor hatten auf dem Podium Vertreter der freien Szene eindrücklich ihre Sorgen und Nöte dargelegt.

"Die Bedingungen, unter denen an freien Theatern gearbeitet wird, sind an der Grenze zum Unerträglichen, am Rande eines Skandals", sagte JTB-Intendant Moritz Seibert. Zumal keine junge Generation nachwachse, die bereit sei, für den minimalen Lohn zu arbeiten, so Sigrid Limprecht, Vorsitzende des Brotfabrik-Trägervereins Traumpalast. "Wenn sich daran nichts ändert, werden wir, wenn wir demnächst in unsere nicht vorhandene Rente gehen, hier Schicht haben - die freie Kulturszene wird implodieren." Auch die Künstler lebten in prekären Verhältnissen, so Brotfabrik-Theater-Geschäftsführer Jürgen Becker. Diese Sorge teilte auch Kulturdezernent Martin Schumacher: "Das gilt auch für die Künstler an den Stadttheatern, die wahnsinnig geringe Löhne bekommen."

Ein großes Problem sei vor allem, dass immer wieder neu über die kommunale Förderung verhandelt werden müsse, sagte Becker. "Es ist extrem peinlich, dass Einrichtungen, die überregional bekannt und prämiert sind, alle zwei Jahre um ihren Fortbestand zittern müssen", so eine Stimme aus dem Publikum. An Verlässlichkeit und Kontinuität sei auch ihm gelegen, so Schumacher. "In einer hoch verschuldeten Stadt ist das aber schwer durchzusetzen ."

Aktuell sorgen sich die verschiedenen Akteure auf dem ehemaligen Fabrikgelände an der Kreuzstraße um den Fortbestand des Gebäudes. Die Stadt hat es vom Eigentümer gemietet und vermietet es wiederum an die Kulturschaffenden weiter. Der Vertrag läuft 2017 aus. "Hier laufen regelmäßig Investoren übers Gelände", so Limprecht. Auch der Zustand des Gebäudes lässt zu wünschen übrig. "Es regnet durch, die Heizung ist veraltet, die Eingangssituation von Vorgestern."

Ein ähnliches Problem hat das Junge Theater Bonn (JTB), wie Intendant Seibert am Montag bekannt geben konnte, durch die Gründung einer Stiftung erst einmal aufgefangen. Unterstützt wird das Kinder- und Jugendtheater dabei auch von Unternehmen. "Beneidenswert" fand das Brotfabrik-Theater-Geschäftsführer Becker. "Bei uns reden wir aber über eine andere Gemengelage: Das Gelände hat 3000 Quadratmeter, über die wir nicht komplett verfügen." Er sei sehr zuversichtlich, dass sich die Stadt mit dem Hauseigentümer einig werde, so Schumacher. Es müssten aber auch Gelder aus der Wirtschaft akquiriert werden, merkte Paul Ahrens, Vorsitzender der Gewerbe-Gemeinschaft Beuel, aus dem Publikum an. "Es wäre falsch, nur auf die hoch verschuldete Stadt zu setzen." Allerdings: Sponsoren zu finden sei nicht leicht, so Claus Overkamp vom Theater Marabu.

"Ich wünsche mir klare Bekenntnisse zu bestimmten Einrichtungen", sagte Becker. "Auch, wenn das bedeutet, dass einige auf der Strecke bleiben." Dass nur fünf Prozent des Kulturetas an die freie Szene gehen, kritisierten mehrere Wortmeldungen aus dem Publikum. Man sollte Stadttheater und freie Szene aber nicht gegeneinander ausspielen, warnte Schumacher: "Beide leben voneinander." Vertreter des Theaters Bonn saßen trotz Einladung leider nicht auf dem Podium. Dass inzwischen laut über Sinn und Struktur der städtischen Einrichtungen nachgedacht werde, sei eine neue Entwicklung. Beschließen könne darüber nur die Politik. "Es ist ein Verteilungskampf, den letztendlich die Bevölkerung entscheidet", sagte Limprecht. Und so endete der Dialog, den GA-Redakteur Holger Willcke moderierte, mit der offenen Frage: Wie soll es nach dem Wunsch des Publikums weitergehen?

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