25 Jahre „Ohrenkuss“ Wie Menschen mit Down-Syndrom ein Magazin gestalten

Vilich-Müldorf · Am Welt-Down-Syndrom-Tag (21. März) erschien die 50. Ausgabe des „Ohrenkuss“-Magazins. Zum Jubiläum gewährte die Redaktion einen exklusiven Einblick in ihre Arbeit und berichtete, wie der „Ohrenkuss“ entstanden ist.

Zum 25-jährigen Jubiläum informierte die Redaktion des „Ohrenkuss“ über die Anfänge des Magazins.

Zum 25-jährigen Jubiläum informierte die Redaktion des „Ohrenkuss“ über die Anfänge des Magazins.

Foto: Benjamin Westhoff

„Ich habe einen roten Mantel und einen bunten Hut an. Meine Augen habe ich heute geschminkt und mir geht es sehr gut“, so stellte sich Johanna von Schönfeld bei der ersten Pressekonferenz des „Ohrenkuss“-Magazins am Dienstag vor. Wie die anderen Redakteure des Magazins hat sie das Downsyndrom. Von Schönfeld war gemeinsam mit vier ihrer Kollegen online zugeschaltet. Drei Redakteure sowie drei Assistenten und die Chefredakteurin nahmen in Präsenz teil.

Der Hintergrund der ungewöhnlichen Konferenz: Gestern, am Welt-Downsyndrom-Tag, erschien die Jubiläumsausgabe des „Ohrenkuss“-Magazins. Seit 25 Jahren veröffentlichen Autoren mit Downsyndrom hier ihre Texte. Die Besonderheit: Die Artikel werden eins zu eins abgedruckt – ohne Anpassungen an die aktuelle Rechtschreibung und ohne Korrekturen bei Grammatik oder Zeichensetzung. Bei jeder Redaktionssitzung sind Assistenten mit dabei, die ihre Hilfe anbieten.

Autor Paul Spitzeck betont, dass die Assistenten die Texte nicht verbessern oder verändern würden. „Wir entscheiden selbst, ob wir Hilfe bei der Arbeit brauchen“, so Spitzeck. Die Hilfe bei der Arbeit sei verschieden, sagte Assistentin Peri de Bragança. Zum Beispiel: „Manchmal schreiben wir Texte auf, die uns die Autoren diktieren. Wir achten auch darauf, ob es allen bei den Redaktionssitzungen gut geht.“

Dass es ein Magazin von Menschen mit Downsyndrom gibt, sei nicht immer selbstverständlich gewesen. Chefredakteurin Katja de Bragança erinnert sich noch gut an die Anfänge des Magazins: „Damals dachten viele Leute, dass Kinder mit Downsyndrom niemals lesen und schreiben lernen könnten. Also starteten wir ein Projekt, um zu beweisen, dass das nicht stimmt.“

Sie arbeitete damals als Forscherin an der Bonner Universität. Eigentlich sollten im Rahmen des Forschungsprojekts nur vier Ausgaben des Magazins herausgegeben werden, „aber die Radaktion hat ein Ende des Projekts nicht akzeptiert. Und dann dachte ich: ‚Ja, warum eigentlich nicht?‘“, erinnert sie sich. In diesem Moment habe sich ihr Leben verändert. Denn seitdem arbeitet sie als Chefredakteurin des Magazins. Auch Grafikerin Maya Hässig ist schon von Anfang an dabei. „Jedes Mal, wenn ich ein neues Heft in der Hand halte, ist das für mich ein besonderer Moment“, sagt sie.

Internationale Autoren

Auch Yevhen Holubentsev aus Kiew schreibt für das Magazin. Er ist vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet. Seit 2018 arbeitet das „Ohrenkuss“-Magazin mit Kollegen aus der Ukraine zusammen. Mithilfe der Übersetzer-App teilte Holubentsev mit, dass er den Welt-Downsyndrom-Tag mit Freunden feiern möchte.

Das „Ohrenkuss“-Magazin erscheint zweimal im Jahr, immer im Frühjahr und im Herbst. Die Zeitschrift hat aktuell 2500 Abonnenten und finanziert sich durch Abonnements, Lesungen, Schreibwerkstätten und Spenden. Die Themen bestimmen die Autoren selbst. Sie schreiben über das, was sie bewegt. De Bragança schätzt diese Unabhängigkeit: „Ich bin stolz darauf, dass wir uns aus eigener Kraft finanzieren können. Das gibt uns viel Freiheit.“

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