Lesung im Kalkuhl-Gymnasium Nie wieder dürfen Bücher brennen

OBERKASSEL · Rotes Kleid, schwarze Strümpfe bei ihr. Bei ihm schwarze Hose schwarzes Hemd. Dazu eine schlichte Bühne mit zwei Tischen und zwei Mikrofonen. Die Szenerie war würdevoll und passte zum schweren Thema des Abends: Die beiden Schauspieler Eva Scheurer und Rudolf Kowalski lasen eine "literarisch-historische Collage aus Anlass des 80. Jahrestages der Bücherverbrennung 1933".

 Die beiden Schauspieler Eva Scheurer und Rudolf Kowalski zogen die Zuhörer in ihren Bann.

Die beiden Schauspieler Eva Scheurer und Rudolf Kowalski zogen die Zuhörer in ihren Bann.

Foto: Max Malsch

Was man sich darunter vorzustellen hat, das war wohl vielen der 200 Besucher nicht klar, die sich im Speisesaal des Ernst-Kalkuhl-Gymnasiums eingefunden hatten. Aber das wurde schnell deutlich: Scheurer las aus dem Buch "Das kunstseidene Mädchen" der Schriftstellerin Irmgard Keun. Kowalski hatte den unangenehmen Part und las aus Reden von Nazis während der Bücherverbrennung, er trug Namen von verbotenen Schriftstellern vor und erklärte historische Zusammenhänge.

Da war die Rollenverteilung schnell sichtbar und Grenzen sehr scharf. Hier die - zumindest auf den ersten Blick - beschwingten Erzählungen der jungen Ich-Erzählerin Doris. Sie tingelt leichtfüßig durchs Leben, hüpft von Mann zu Mann und von Bett zu Bett. Sie fühlt sich gut und selbstbewusst und findet Männer in ihrer miefigen Weimarer-Republik-Spießigkeit doof.

Sie wirkt naiv und unbefangen und beobachtet die Welt und die Männer doch haarscharf. Ihr Urteil darüber ist bei aller Leichtigkeit im Vortrag hart und für die damaligen Verhältnisse wenig zeitgemäß. "Mein Frauenbild war undeutsch", wird sie später sagen. Keuns Bücher wurden von den Nazis verboten, sie ging ins Exil, wurde später Alkoholikerin und starb als gebrochene Frau.

Denn so sah sie aus, die Härte der kulturbanausigen Nationalsozialisten. Tausende Studenten ziehen am 10. Mai 1933 - auch in Bonn - durch die Städte und verbrennen an zentralen Stellen Bücher von namhaften Autoren. Von Tucholsky bis Heine, von Brecht bis Ringelnatz, Kisch, die Mann-Brüder, Musil, Seghers und viele andere - wer antifaschistisch und jüdisch war, dessen Werke wurden "dem Feuer übergeben". Kowalski trug die Reden der geifernden Nazis mit so viel Nachdruck vor, dass noch 60 Jahre danach so manchem Zuhörer im Kalkuhl-Gymnasium ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief.

Aber leider nicht allen. Mindestens sechs Abiturientinnen saßen in der letzten Reihe und tippten beim matten Schein der Displays von der ersten bis zur letzten Minute Nachrichten in ihre Smartphones. Warum sie hier waren, wird wohl auf immer ihr Rätsel bleiben - die Botschaft des Abends kam bei ihnen aber wohl kaum an. Bei allen anderen dagegen sehr wohl, wie der tosende Applaus zeigte: Nie wieder dürfen wir zulassen, dass Bücher verbrannt werden.

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