Gespräch am Wochenende Pfarrer Michael Dörr spricht über Anforderungen seines Berufs, sein Fahrrad und Papst Franziskus

Es ist eine Gratwanderung zwischen den Ansprüchen der Gemeinde, den Ideen des Bistums und den Bedürfnissen als privater Mensch. Über die Herausforderungen und die Begeisterung für seinen Beruf sprach der Vilicher Pfarrer Michael Dörr im GA-Interview.

 Am Schreibtisch sitzt Pfarrer Michael Dörr öfter als ihm lieb ist. Der Seelsorger kümmert sich lieber direkt um die Menschen und radelt zwischen seinen drei Gemeinden hin und her.

Am Schreibtisch sitzt Pfarrer Michael Dörr öfter als ihm lieb ist. Der Seelsorger kümmert sich lieber direkt um die Menschen und radelt zwischen seinen drei Gemeinden hin und her.

Foto: Max Malsch

Welches Ereignis gab den Ausschlag für Sie, Pfarrer werden zu wollen?
Michael Dörr: Es war eher eine Entwicklung. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, in Hangelar. Dort war der Umgang mit Glaube und Kirche ganz selbstverständlich. Ich bin zur Kirche gegangen, war Messdiener, später in der Kinder- und Jugendarbeit und als Küster tätig. Ich hatte schon immer viel Spaß daran, mich zu engagieren, etwas zu bewegen. Außerdem hat mich die Liturgie fasziniert.

Gab es zwischenzeitlich einen anderen Berufswunsch?
Dörr: Rechtsanwalt vielleicht. Das habe ich aber nicht weiter verfolgt. Die Theologie hat mich begeistert. Sie ist ein so breites Fach und deckt so viele Felder ab, wie gesellschaftspolitische, biblische. Außerdem waren die 80er Jahre, als ich Abitur gemacht habe, ein Jahrzehnt der politischen Umbrüche, da wollten wir im Freundeskreis dabei sei und das als Christen tun. Damals war man Christ in allen Bereichen. Heute erlebe ich, dass die Menschen den Glauben als etwas Privates betrachten, Glaube und Gesellschaft voneinander trennen.

Was ist das Besondere an den Menschen in Ihrer Gemeinde - Sie sind Pfarrer in Vilich, Vilich-Müldorf und Geislar?
Dörr: Die Altersstruktur ist sehr extrem. Hier leben sehr viele junge Familien und durch die Neubaugebiete kommen weitere hinzu. Oft kommen sie von auswärts und so versuchen wir, ihnen eine Heimat in der Kirche zu geben. Daneben gibt es viele ältere Menschen. In 2012 hatte ich zum ersten Mal genauso viele Taufen wie Beerdigungen. Da ist es wichtig, die Älteren nicht zu vergessen. Sie haben die Gemeinden über viele Jahrzehnte getragen und geprägt. Ich möchte ihnen das Gefühl geben, dass sie nicht vergessen sind, auch wenn sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zur Kirche gehen können.

Welche Rolle spielt der Pastor im dörflichen Leben heute? Gehen Sie in die Kneipe, zum Stammtisch, zum Karneval?
Dörr: Die klassischen Strukturen haben sich verändert, abgesehen davon, dass es kaum noch Kneipen gibt, würde heute kaum ein Familienvater am Sonntagmorgen zum Stammtisch gehen. Dennoch ist es hier noch sehr traditionell. Ich gehe gerne zum Karnevalszug nach Vilich-Müldorf und werde von den Vereinen eingeladen. Natürlich gehe ich zu Festen und Jubiläen. Da gehöre ich als Pastor hin. Außerdem ist die Ökumene bei uns vor Ort stark. Auch die Kirchen in Bonn machen viele gemeinsame karitative Projekte und spielen nach wie vor eine große Rolle in sozialen Bereichen, wie zum Beispiel in der Trägerschaft von Krankenhäusern und Kindergärten.

Sie sind als "radelnder Pfarrer" bekannt. Wenn Sie so durch die Orte fahren, was fällt Ihnen auf?
Dörr: Ich kann hier sehr bequem mit dem Rad zwischen den Orten pendeln. Da der Verkehr wahnsinnig zugenommen hat, bin ich mit dem Rad manchmal schneller. Außerdem sehe ich mehr Leute und kann schnell einmal anhalten und mit ihnen sprechen. Das würde man mit dem Auto vermutlich weniger machen. Aber mir fällt auf, dass kaum noch Kinder auf der Straße spielen. Das war früher ganz anders.

Was ist die Herausforderung für einen Pfarrer heute?
Dörr: Dass wir in größeren Einheiten arbeiten, so ist das größte Problem die Zeit. Die Aufgaben nehmen zu und es wird immer schwieriger, allen gerecht zu werden. Das bedeutet manchmal auch, nein sagen zu müssen. Früher war alles viel kleiner, da konnte der Pastor auch einmal am Nachmittag zu Gemeindemitgliedern zum Kaffeetrinken gehen. Das schafft man heute gar nicht mehr. Außerdem ist es eine Gratwanderung, zwischen den Ansprüchen der Gemeinde und den Ideen des Bistums, die umgesetzt werden wollen, noch Mensch zu bleiben. Außerdem muss viel mehr geplant werden. Was vor einem Jahr geklappt hat, kann im nächsten Jahr schon wieder nicht funktionieren. Manchmal ist es schon sehr anstrengend, aber es macht auch sehr viel Spaß, weil es eben kein Routineberuf ist.

Was wünschen Sie sich vom neuen Papst?
Dörr: Dass er das fortsetzt, was er in den ersten Tagen begonnen hat. Er ist bescheiden, hat Charisma und geht auf die Menschen zu. All das drückt auch seine Namenswahl aus. Es tut der Kirche gut, so einen Menschen zu haben. Auch mit dem Alter, denn er hat nichts zu verlieren. Papst Franziskus wird die Weltkirche mehr in den Blick nehmen als seine europäischen Vorgänger.

Zur Person
Pfarrer Michael Dörr wurde am 26. November 1961 in Bonn geboren. Er wuchs in Hangelar auf. Dörr studierte in Bonn Theologie. Seine Priesterweihe erfolgte 1989. Unter anderem war er sechs Jahre Stadtjugendseelsorger in Bonn. Seit 2001 ist er als Pfarrer im Seelsorgebereich "An Rhein und Sieg" zuständig für die Pfarreien Vilich, Vilich-Müldorf und Geislar.

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