Während Pützchens Markt Kirmesschule sucht Lernpaten für Schaustellerkinder

Pützchen · Rund 20 Schaustellerkinder besuchen jedes Jahr vor und während Pützchens Markt die Kirmesschule. Damit sie besser im Stoff weiterkommen, werden Lernpaten gesucht.

 Mitten auf dem Gelände von Pützchens Markt liegt die Marktschule (gelbes Gebäude oben rechts).

Mitten auf dem Gelände von Pützchens Markt liegt die Marktschule (gelbes Gebäude oben rechts).

Foto: Dietmar Oehlke

Auch, wenn sich die Karusselle noch so bunt und verlockend drehen mögen: Schulpflicht für den Nachwuchs von Schaustellern besteht auch während großer Volksfeste wie Pützchens Markt. Viele von ihnen begleiten ihre Eltern jedes Jahr auf der Reise durch die Republik. Solange keine Ferien sind, geht es für sie hinter die Schulbücher, während sich die Eltern um den Aufbau und Betrieb der Fahrgeschäfte kümmern. Und das hat eine lange Tradition.

Markmanns Stammschule lag in Endenich

Hubert Markmann, der seit Jahrzehnten mit seiner Familie mehrere Fahrgeschäfte auf Pützchens Markt betreibt, erinnert sich noch gut an die eigene Kindheit als Schaustellerbub. „Ich habe die Wanderschule besucht, das heißt, ich ging an vielen Orten zur Schule“, erklärt der heute 58-Jährige.

Seine Stammschule war damals in Endenich, die er in den Wintermonaten besuchte. Von hier bekam er für die andere Zeit ein Lernheft ausgehändigt. Dieses galt es, in der Zeit der Reisen, auszufüllen. Egal, in welchem Bundesland sich die Familie gerade aufhielt. Beim Rektor der Schule vor Ort wurde der Junge gemeinsam mit seinem älteren Bruder angemeldet. „Manchmal hatten wir Glück. Je nachdem, wie die Ferien lagen, konnte es auch mal vorkommen, dass wir länger keine Schule hatten – wenn wir zwischen den Bundesländern gereist waren“, erinnert er sich heute. In der anderen Zeit habe er wie jedes Kind seines Alters die Schulbank gedrückt.

Doch das war nicht immer einfach: „Jeder Lernplan ist verschieden. Es kam fast nie vor, dass ich direkt einsteigen konnte. Deshalb war ich bei Weitem kein Musterschüler“, gibt Markmann zu. Anders sah es jedoch im Sportunterricht aus, wo er fast immer eine Eins auf dem Zeugnis stehen hatte. „Wir Kirmeskinder waren wie ein Ameisenhaufen: immer unterwegs, haben viel getobt und unsere Eltern auch beim Auf- und Abbau unterstützt. Das gab gute Muskeln, die uns im Sportunterricht weitergeholfen haben.“

Positiv in Erinnerung sind ihm auch die vielen Freundschaften geblieben, die er in den einzelnen Schulen schließen konnte. Markmann: „Als Schaustellerkind warst du quasi der Star in der Schule.“ Immer wieder habe er Freunde nach der Schule mit auf den Kirmesplatz zum Spielen genommen. Einige hielten in den Wochen vor Pützchens Markt einen Platz neben sich frei, da sie wussten, dass Hubert wieder für ein paar Tage zu ihnen in die Klasse kommt. „Zu manchen habe ich bis heute Kontakt“, freut er sich.

20 schulpflichtige Schaustellerkinder in Bonn

Wie Hubert Markmann damals, geht es auch heute noch vielen Schaustellerkindern. Jedes Jahr machen rund 20 Schülerinnen und Schüler vor und während Pützchens Markt Station in Bonn. „Die Kleinen gehen in die Marktschule, die Großen in die Gesamtschule“, sagt Britta Jöbsch. Sie ist als Bereichslehrkraft für Kinder und Jugendliche beruflich reisender Eltern in der Stadt zuständig. „Die Koordination ist nicht immer einfach. Manche kommen spontan, andere reisen früher ab“, weiß sie aus der Erfahrung. Dennoch ist es ihr wichtig, dass jedes Kind – so gut es geht – dem Lernniveau entsprechend weiter unterrichtet wird.

Für die Tage, in denen auch die Marktschule bei Pützchens Markt geschlossen, sucht Jöbsch deshalb nach Lernpaten. „Gemeinsam mit den jungen Schaustellerschülern sitze ich an diesen Tagen in einem Klassenzimmer der Marktschule, und wir gehen die Lernhefte durch. Die anderen Räume der Marktschule werden von der Polizei und Feuerwehr als Leitstelle genutzt“, erklärt sie.

Da dann Schüler der ersten bis zur vierten Klasse zusammensitzen, hat sie einen Aufruf gestartet. „Es wäre toll, wenn sich ein paar Bonner finden, die ein oder zwei Stunden Zeit hätten, die Schüler mit mir zu betreuen. Es hilft ihnen sehr, wenn jemand mit ihnen gemeinsam die Aufgaben durchgeht“, sagt sie.

Alternative Lernformen

Auch die Enkel von Schausteller Peter Barth, der jedes Jahr mit seinem großen Biergarten „Schwarzwaldgrill“ bei Pützchens Markt gastiert, kommen im September gemeinsam mit ihren Eltern nach Bonn. Da sie schon aus dem Grundschulalter heraus sind, werden sie die Gesamtschule besuchen. „Die liegt nicht auf dem Gelände von Pützchens Markt und bleibt deshalb geöffnet“, weiß Barth. Er selbst musste in seiner Kindheit ein Internat besuchen, da er nicht immer mit seinen Eltern umherreisen konnte.

„Heute gibt es viele Möglichkeiten, dass die Kinder im Stoff weiterkommen“, sagt er. Auch Modelle wie Internetschulen, bei denen die Kinder während der Reise alle Aufgaben nur noch digital erledigen, seien unter den Enkeln und Kindern seiner Schaustellerkollegen weiterverbreitet. Dazu kommen die Zirkus- und Schaustellerschulen, die bei größeren Veranstaltungen direkt mitreisen.

Hubert Markmann gab seine Kinder während der Sommermonate in die Obhut seiner Schwiegermutter, „so mussten sie nicht so häufig die Schule wechseln.“ Der Kontakt zu den Eltern war ihm dennoch in der Erziehung wichtig. „Jedes Wochenende sind die Kinder mit dem Zug zu uns gefahren. Egal, wo wir gerade in Deutschland unterwegs waren.“

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