Kleines Lehrhaus in Oberkassel Ralf Forsbach referierte über jüdischen Wissenschaftler Otto Löwenstein

OBERKASSEL · In welchem Maße Pupillen etwas über den geistigen Zustand eines Menschen verraten, beispielsweise Emotion, langes Wachsein oder Müdigkeit widerspiegeln, war eine Frage, die Otto Löwenstein faszinierte. Der Wissenschaftler war bis zu seiner Auswanderung 1933 in die Vereinigten Staaten Professor für Pathopsychologie an der Universität Bonn. Die Pupillografie wurde zu seinem Steckenpferd.

 Der Medizinhistoriker Ralf Forsbach referierte über Otto Löwenstein.

Der Medizinhistoriker Ralf Forsbach referierte über Otto Löwenstein.

Foto: Max Malsch

Löwenstein wurde auf diesem Gebiet Pionier, entwickelte erste Apparaturen und Methoden und verfasste kiloschwere Bücher - auf einem anderen Kontinent, denn nach Bonn sollte der Sprössling einer jüdischen Kaufmannsfamilie bis zu seinem Lebensende nicht mehr zurückkehren. Medizinhistoriker Ralf Forsbach referierte am Mittwochabend im Kleinen Jüdischen Lehrhaus über Werdegang, politische Verfolgung und Erbe Otto Löwensteins.

Im Alter von 20 Jahren konvertierte der damalige Student der Philosophie an der Universität Göttingen zum Protestantismus, in Bonn widmete er sich der Medizin. Als Garnisonsarzt einer Militär-Nervenanstalt in Metz diente er im Ersten Weltkrieg, wurde 1923 Professor für Pathopsychologie und drei Jahre später erster Leiter der Provinzial-Kinderanstalt für seelisch Abnorme, "ein Bezeichnung wie sie so heute wohl nicht mehr vorkommen würde", merkte Forsbach an.

Die Anstalt zog in die Räume eines ehemaligen Instituts für Hirnverletzte aus dem Ersten Weltkrieg, Anlass für die Nationalsozialisten, Löwenstein in den Medien als "Treiber verdienter Soldaten" zu betiteln. Anfang 1933 verwüsteten rund 100 SS-Männer das Institut des Pathopsychologieprofessors, misshandelten Mitarbeiter, hissten Hakenkreuz-Flaggen und zerstörten teures Gerät. Strippenzieher der Hetzjagd, Kollege Walther Poppelreuter, gab damals den Auftrag, Löwenstein "in Ketten durch die Stadt zu führen" und Schutzhaftbefehl gegen ihn zu erlassen.

Nicht zuletzt wegen mangelnder Unterstützung der Universität in diesem Falle immigrierte Löwenstein erst in die Schweiz, 1936 dann in die USA, wo er nach einem erneuten Studium ab 1947 an der Columbia University arbeitete. Gemeinsam mit seiner "ebenfalls kongenialen" Assistentin Irene Loewenfeld, die nicht nur einen ähnlichen Namen trägt, sondern der auch ein ähnliches Schicksal widerfuhr, setzte er seine Pupillen-Forschungen fort.

Zurück an seine Alma Mater, die ihm in den sechziger Jahren die Ehrendoktorwürde verlieh, kam er lediglich zu Gastvorträgen. Heute erinnern eine Bronzebüste in der LVR-Klinik und das Otto-Löwenstein-Haus, der Neubau der Bonner Kinder- und Jugendpsychiatrie, an den bedeutenden Mediziner. Der Vater zweier Töchter starb 1965 im Alter von 76 Jahren, im selben Jahr wie seine Frau, in New York.

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