Gedämpfte Freude bei Maurice Nieske Rollstuhl von Beueler darf nicht mit ins Auto
Beuel · Maurice Nieske, schwer behindert seit mehr als 15 Jahren, freut sich über sein neues Spezialgefährt. Allerdings muss er weiter Einschränkungen hinnehmen, denn der Rollstuhl darf nicht mit ins Auto.
Maurice Nieske hat Träume. Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans würde er gerne einmal besuchen, eine Fahrt zum Nürburgring wäre schön. „Oder ein Konzert auf dem Kunstrasen“, erzählt er und lächelt. Träume, die bisher unerreichbar waren. Seit mehr als 15 Jahren ist Maurice Nieske ans Bett gefesselt. Aufgrund einer genetisch bedingten Nervenkrankheit wandelt sein Körper Muskelmasse in Fett um. Als Kind hatte er zwar einen Rollstuhl, mit dem er sich selbstständig bewegen konnte. Diese Zeiten sind jedoch lange vorbei. Aufgrund seiner Behinderung benötigt der 28-Jährige heute einen Rollstuhl, der speziell an seine Anforderungen angepasst ist.
Lange hat er darauf gewartet, wieder autark und mobil zu sein. Ende Januar schien es nach Jahren endlich so weit zu sein. Eine Fachfirma lieferte einen individuell gefertigten Krankenfahrstuhl nach Küdinghoven. Allerdings ist Maurice Nieske trotzdem immer noch meilenweit entfernt von einem selbstbestimmten Leben. Denn der 28-Jährige wird erneut ausgebremst. Sein neuer Rollstuhl ist mit einer Breite von einem Meter sowie einer Länge von 1,50 Metern nicht mit herkömmlichen Exemplaren zu vergleichen. Ein Warnschild an der Rückenlehne des Sitzes lässt derzeit alle Träume von gemeinsamen Fahrten platzen. Denn solche Sonderanfertigungen, so warnen der Aufkleber sowie ein entsprechender Hinweis in der Bedienungsanleitung des Herstellers, dürfen nicht als Passagiersitz im Fahrzeug genutzt werden.
Das wäre für Maurice Nieske jedoch unumgänglich. Für ihn ist es vollkommen unmöglich, aus dem Rollstuhl auszusteigen und auf einem normalen Autositz Platz zu nehmen. „Das geht gar nicht“, schüttelt Vater Friedhelm Nieske den Kopf. Er muss es wissen. Schließlich pflegt er seinen Sohn seit mehr als 20 Jahren rund um die Uhr. Eine knappe Stunde dauert es beispielsweise, bis er den 28-Jährigen aus dem Bett geholt und in den Rollstuhl gesetzt hat.
Tatsächlich gelten für den Transport von großen Rollstühlen offenbar besondere Vorschriften. Patienten, die normale Fahrhilfen nutzen, können während der Fahrt sitzen bleiben. Wie es sich hingegen bei übergroßen Sondermodellen verhält, ist offenbar gar nicht so einfach zu klären. „Pauschal können wir auf diese Frage keine Antwort geben“, bestätigt der Bundesverband für körper- und mehrfach-behinderte Menschen in Düsseldorf gegenüber dem GA. „Die Sicherheit des Patienten muss auf jeden Fall gewährleistet sein“, sagt eine Sprecherin. Eine klare Antwort hat sie aber auch nicht. „Das ist ein Dilemma für die Betroffenen“, ergänzt sie. Sie empfiehlt Patienten, sich bei verschiedenen Transportunternehmen zu erkundigen, ob und unter welchen Voraussetzungen dennoch eine Mitfahrt möglich ist. „Die Krankenkassen können die Patienten bei der Suche nach einem Dienstleister sicher unterstützen“, empfiehlt die Verbandssprecherin.
Friedhelm Nieske will jetzt gemeinsam mit dem Hersteller klären, wie sein Sohn dennoch im Rollstuhl sitzend gefahren werden kann. Für Caroline Hendricks von der Aktion Mensch in Bonn ist das der richtige Weg. „Gemeinsam mit dem Hersteller muss man eine Lösung finden“, sagt sie. Über die sozialen Netzwerke könnte man eventuell Kontakt zu anderen Betroffenen aufnehmen, um sich zu erkunden, wie sie ein ähnliches Problem gelöst haben.
Aufgeben wollen Vater und Sohn jedoch nicht. „Das ist wirklich frustrierend“, sagt Maurice. „Jetzt habe ich einen Rollstuhl und bin immer noch nicht mobil.“ Derzeit kann er seinen Stuhl nur für kleinere Spazierfahrten in die Nachbarschaft nutzen. Allerdings wird er dabei schnell ausgebremst. Die kleinste Unebenheit im Boden macht ihm zu schaffen, spätestens an einem Schaltkasten auf dem Gehweg endet seine Fahrt. Meist seien die Bürgersteige sowieso zu eng. Über eine Steuerung, die an die Konsole einer Playstation erinnert, steuert er den Stuhl. Allerdings müssten noch ein paar „Extras“ eingebaut werden. Eine Kopfstütze ist beispielsweise dringend notwendig, um die Erschütterungen abzufedern. Auch ein Annäherungsradar ähnlich der Einparkhilfe im PKW wünscht sich der 28-Jährige. Außerdem haben Vater und Sohn noch ein ganz anderes Problem zu lösen: Da Maurice seit 15 Jahren das Haus nicht mehr verlassen hat, verfügt er auch nicht mehr über passende Winterjacken. „Da müssen wir jetzt wohl erst einmal einkaufen“, schmunzelt Friedhelm Nieske.