50 Jahre Männergesellschaft „Westwarfft“ Scherz, Satire und Ironie

Beuel · Sie tragen „Wämbslyn“, sind mit einem „Reichspaß“ ausgestattet, nennen sich „Mynherrn“ und unterhalten sich in einer altertümlichen Sprache: Kürzlich feierte diese Bonner Herrengesellschaft in ihrem Vereinsheim in Oberkassel ihr 50-jähriges Bestehen: die „Westwarfft an deme Rhijnstromb“, wie diese „Societät“ sich nennt.

 Angezogen mit „Wämbslyn“, ausgestattet mit einem „Reichspaß“: „Mynherrn“ der „Westwarfft an dem Rhijnstromb“ im Jahre 2006.

Angezogen mit „Wämbslyn“, ausgestattet mit einem „Reichspaß“: „Mynherrn“ der „Westwarfft an dem Rhijnstromb“ im Jahre 2006.

Foto: Max Malsch

Wer ist diese Gesellschaft? Man nehme eine studentische Verbindung, einen Karnevals- und einen Schützenverein, eine Prise vom Lions- oder Rotary-Club, einen englischen Herrenclub, Interesse an künstlerischer Betätigung und einen großen Schluck Humor, dann ist man bei der Gesellschaft der „Niederländter“. Kein Schreibfehler, denn man sollte auch noch Spaß an gewundenen, älteren Formulierungen, am Fabulieren mitbringen, damit man hier am richtigen Platz ist.

Wer dann noch das Alltagsgewand durch ein buntes „Wämbslyns“ ersetzt, weiß, was ein „Brimbimborium“ ist, regelmäßig an „Wachten“ teilnimmt, ein „Van“ zu schätzen weiß, einmal im Jahr nach Pappenheim pilgert und auch den „Sumberschlaf“ nicht verachtet, der muss Mitglied bei den Niederländter sein. Verständnis für Kunst und Humor sind vorausgesetzt. Aber ohne Humor würde man es eh nicht aushalten bei so vielen honorigen Herren.

Die Gesellschaft der Niederländter entstand im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts als eine der damals blühenden bürgerlichen Gesellschaften. In einer Zeit, in der es weder Radio noch Fernsehen oder Telefon, geschweige denn Mobiltelefone gab, traf man sich in geselliger Runde und pflegte Musik, Poesie und Malerei.

Das "Niederlandt" wurde 1870 gegründet

Das „Niederlandt“ wurde 1870 als Herrengesellschaft in Bayreuth von dem Kunstmaler und Karikaturisten der „Fliegenden Blätter“, Ludwig von Nagel, gegründet. Seine Liebe zu den flandrischen Malern des Frühbarocks, besonders zu den Künstlergilden Antwerpens, veranlasste ihn, seiner Gesellschaft diesen Namen zu geben.

Die Wahrung der Tradition liefert den Rahmen, in der sich die Mitglieder heute in einem „Refugium aus dem Alltagsstress“ finden. Rang und Titel werden an der Garderobe abgelegt, Beruf, Alltagssorgen und Religion sind tabu, politische Gespräche nur beim Essen erlaubt.

Im Mittelpunkt der Zusammenkünfte steht unter der Devise „Froh Gemüt, geschickte Hand“ nach wie vor schöpferische Unterhaltung in einem Freundeskreis. Nötige Voraussetzung ist das persönliche Engagement; Zuhörer und Claqueure sind hier nicht gefragt.

Die Bonner Gruppe mit dem Namen „Westwarfft an deme Rhijnstromb“, also die westliche Siedlung am Rhein, trifft sich alle 14 Tage in ihrem Vereinsheim in Oberkassel. Wer sich bisher schon die Frage gestellt hat, ob alle „positiv bekloppt“ oder verkappte Komiker sind, der wird sich an der Eingangstür in der Fragestellung bestätigt sehen.

Türklinke am Scharnier

Denn die Türklinke ist nicht dort, wo man sie gemeinhin erwartet. Sie ist auf der Seite, auf der sich das Türscharnier befindet. „Reiner Zufall“, versichert van Zuidema, mit bürgerlichem Namen Karl-Heinz Zuber, der „Primus inter Pares“ der Westwarfft. „Scherz, Satire und Ironie statt Kitsch, Banalität und Schnulze“ steht auf ihrer Homepage nicht zu Unrecht.

Die „Gesellschaft der Niederländter “ hat zwar deutschlandweit etwa 440 Mitglieder in derzeit 19 Societäten, also lokalen Gruppierungen, doch Mitglied zu werden, ist gar nicht so leicht. Man kann sich nicht einfach anmelden, wie bei einem Verein, sondern man muss von einem Mitglied des Freundschaftsbundes eingeladen werden.

„Kooptation“ nennen die Mitglieder dieses Verfahren. Nicht schlecht wäre es, vorher Grimmelshausen im Originaltext gelesen zu haben – wegen der altertümlich anmutenden Sprache. Gehört man schließlich dazu, dann erhält man einen Niederländter Namen, bekommt ein Wämbslyn und einen Reichspaß, mit dem man sich bei allen Societäten als echten Mynherrn ausweisen kann, und wird mit einem jovialen „Van“ gegrüßt.

Das hat nichts mit Autos oder niederländischem Adel zu tun, sondern steht in diesem Fall für die Formel „Vivat Amicitia Nostra – es lebe unsere Freundschaft!“ So sind sie eben, die Niederländter Herren.

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