Kinderschutz und Kinderrechte in Bonn Selbst die Kleinsten sollen mitbestimmen

Bad Godesberg · Die Evangelische Gesellschaft für Kind, Jugend und Familie (KJF) verpflichtet sich in ihren 27 Kitas mit neuen Konzepten auf die strikte Einhaltung von Kinderrechten.

 Die Kinder im Sternennest dürfen sich mit Leiterin Maria Förster vor dem Mittagessen ausssuchen, wo sie sitzen wollen.

Die Kinder im Sternennest dürfen sich mit Leiterin Maria Förster vor dem Mittagessen ausssuchen, wo sie sitzen wollen.

Foto: Axel Vogel

Emilia und Nihan wollen beim heutigen Mittagessen auf jeden Fall nebeneinandersitzen. Das haben die Mädchen mit Fotostickern auf der Pinnwand der Heiderhofer Kindertagesstätte (Kita) Sternennest schon mal festgelegt. Marian dagegen will sich erst zur heutigen Sitzordnung im Essraum entscheiden, wenn geklingelt werde. „Jetzt will ich noch spielen“, ruft der Junge herüber.

Derweil grübelt Anna an der Fotowand des Sternennests, wen sie bei ihrer nächsten Geburtstagsfeier ganz nah bei sich haben will. „Also die Lina ganz sicher, und den Elia auch“, meint die Fünfjährige. Und die Erzieher sorgten dann diskret dafür, dass auch alle 45 Kinder gleichermaßen bei den Feiern berücksichtigt werden, erläutert Leiterin Maria Förster dem GA. „Wir sind ja auch für die ganz Ruhigen da.“

In der Spielecke der Kita der evangelischen Gesellschaft für Kind, Jugend und Familie (KJF) hat sie gerade mit dem halben Dutzend Pänz besprochen, was die beim Hantieren mit Bauklötzen beachten müssen, um sich nicht wehzutun. Förster: „Wir arbeiten seit Jahren nicht mehr in Gruppen, sondern offen.“ Von daher könnten die Kinder auch meist frei wählen, wo sie sich den Kita-Tag lang aufhalten wollten. „Auch bei den Mahlzeiten zwingen wir niemanden zu essen, sondern bieten an“, führt Förster aus. In manchen Fällen locke dann einfach auch ein Butterbrot oder Obst.

Sie habe in der Kita in den letzten Jahren in Absprache mit den Eltern die Rechte der Kinder sukzessive ausgebaut, blickt die erfahrene Pädagogin zurück. Klassisches Trichterlernen sei nicht mehr angesagt. „Unser Job ist es nicht, den Ton anzugeben.“

Man biete den Kindern in den Einrichtungen der KJF immer mehr Möglichkeiten, mitzuentscheiden, verdeutlicht Carmen Heinemann als fachliche Begleitung. Das gehe nur mit Transparenz, indem man mit den Kindern und auch mit deren Eltern intensiv im Gespräch bleibe.

Heinemann verweist darauf, dass das Thema Kinderschutz und Kinderrechte die tragende Rolle in der tagtäglichen KJF-Arbeit spiele. Der Träger betreibt in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis 27 Kindertagesstätten und sieben Tagespflegestellen. Er hat kürzlich bei einem Fachforum im Beueler Brückenforum ein auch von externen Experten erarbeitetes Kinderschutz- sowie ein sexualpädagogisches Konzept an den Start gebracht.

Das Kinderschutzkonzept setzt auf die Pfeiler Achtsamkeit und offene Kommunikation zwischen Eltern, Fachkräften, Jugendamt und Träger, so KJF-Leiterin Melanie Rebmann-Rübo. „Jedes Kind hat das Recht, seine Bedürfnisse zu äußern und aktiv Einfluss auf die Gestaltung seiner Umgebung zu nehmen“, heißt es im Konzept. Jedes Kind solle seine Rechte also kennen, um Möglichkeiten der Mitgestaltung nutzen zu können.

Ein Schutzkonzept

„Die Beschäftigten sind für verbale und non-verbale Äußerungen kindlicher Beschwerde sensibilisiert“, geht das Schutzkonzept auch auf das Mitwirken der kleinsten Kinder ein. Man entwickle also gemeinsam Regelungen für das Zusammenleben und gehe „verantwortungsvoll mit Macht und Einflussmöglichkeiten“ um. Doch man gebe die Verantwortung gegenüber den Kindern natürlich nicht ab, betont das Konzept. „Wenn selbst- oder fremdgefährdendes Verhalten eines Kindes vorliegt, ist ein Eingreifen seitens der Fachkraft zwingend erforderlich.“

Im neuen sexualpädagogischen Konzept für ihrer 27 Kitas verweist KJF-Leiterin Rebmann-Rübo darauf, dass „der positive Umgang mit Sexualität und Körperlichkeit“ einen „wesentlichen Beitrag zur Identitätsentwicklung von Kindern“ bewirke und ihr Selbstvertrauen stärke. Das Konzept schreibe die Verantwortlichkeiten der Erwachsenen fest. Die pädagogischen Kräfte könnten sich dadurch in sexualpädagogischen Fragen sicherer fühlen und die Einrichtungen eine gemeinsame Haltung definieren. „Sexualpädagogische Erziehung und Bildung ist Bestandteil unseres pädagogischen Alltags“, betont die KJF-Leiterin. Vorrangig gehe es dabei um die Sensibilisierung für die Thematik und den daraus resultierenden Schutz für die anvertrauten Kinder.

Richtige Ansprache

Sich die Grundsätze des Kinderschutzes immer wieder zu vergegenwärtigen, heiße also die Maxime im Kita-Alltag, erklärt auch Sternennest-Leiterin Förster und zeigt schmunzelnd ein Plakat auf der Innentür der Personaltoilette. Letztlich unangemessene Ansprachen wie „Schätzchen“ oder „Annalein“ mögen die Erzieher bitte vermeiden, steht da vermerkt. Auch barsche Ansagen wie „Finger weg“ seien nicht mehr zeitgemäß. „Wir nennen jedes Kind nur bei seinem Namen“, erläutert Förster. So werde man jedem einzelnen Individuum gerecht.

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