Schullalltag Streiten will gelernt sein

Beuel · Am Kardinal-Frings-Gymnasium sind Streitschlichter im Einsatz. Die Jugendlichen sind speziell ausgebildet, emotionsgeladene Situationen unter Schülern zu entschärfen. Für das Engagement bekommt die Schule jetzt eine Auszeichnung.

Streitschlichter und Mitglieder Theatergruppe am Beueler Kardinal-Frings-Gymnasium.

Streitschlichter und Mitglieder Theatergruppe am Beueler Kardinal-Frings-Gymnasium.

Foto: Benjamin Westhoff

Ein Zettel wandert in der Klasse von einem zu andern. Diejenigen, die ihn lesen, kichern und lachen. Doch ein Klassenkamerad wird bei der Weitergabe des Zettels stets übergangen. Was ist hier los? Wenig später entlädt sich seine Wut über auf dem Pausenhof. „Spätestens dann werden wir aktiv“, berichten Tara, Hannah, Emil und Martha, deren dunkelgrüne T-Shirts sie als Streitschlichter ausweisen.

Seit 20 Jahren helfen speziell ausgebildete Schüler des Kardinal-Frings-Gymnasiums (KFG) ihren Schulkameraden dabei, Konflikte friedlich und mit Anstand aus der Welt zu schaffen. Aktuell gehören rund 50 Schüler zum Team. Behutsam und einfühlsam sind sie immer dann zur Stelle, wenn sich andere „in die Haare“ geraten – ob wegen Kinkerlitzchen oder bei größeren Problemen. Am Samstag erhält die Schule im Rahmen ihres Patroziniums für diese Projekt eine besondere Auszeichnung: Das Beueler Gymnasium wird vom Bensberger Mediations-Modell mit einer Urkunde geehrt.

Respektvoller Umgang

„Wir sind deutschlandweit die erste weiterführende Schule, die diese Auszeichnung erhält“, betont Lehrerin Simone Bruns, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen Kerstin Holbe, Barbara Kreuser und Saskia Prüske die Streitschlichter begleiten. Die Urkunde wird natürlich einen Ehrenplatz in der Schule bekommen, Nagel und Hammer liegen schon bereit. Direkt am Eingang wird die Auszeichnung am Wochenende zum Auftakt des Schulfestes aufgehängt. Daneben feiern Schüler, Lehrer und Eltern mit Theateraufführungen, Informationsangeboten und jeder Menge Unterhaltung am Samstag das Patrozinium.

„Streit gehört zum Leben dazu“, sagt Simone Bruns. „Aber wir möchten den Schülern einen anständigen Umgang auch in solch schwierigen Situationen beibringen und eine respektvolle Streitkultur pflegen. An unserer Schule wird anders gestritten“, sagt sie. „Das gelingt uns meistens“, ergänzt die 16-jährige Tara, die bereits seit zwei Jahren im Team aktiv ist. „Vieles lässt sich schnell klären und die Wogen sind wieder geglättet“, ergänzt Emil. Nur ein einziges Mal gab es eine körperliche Auseinandersetzung. Aber auch damals waren die Streitschlichter gemeinsam mit den Lehrerinnen erfolgreich. „Am Ende hat das Opfer sogar zugegeben, dass er seinen Kontrahenten lange gereizt und provoziert hatte. Er hat sogar darum gebeten, dass er keine Strafe bekommt, weil er nicht unschuldig an der Eskalation war und eine Mitschuld an dem Konflikt hatte“, berichtet sie.

Soziale Kompetenz

Bewundert werden die „großen“ Streitschlichter am KFG bereits von den „kleinen“ Streithelfern der 5. Klasse. Emma, Anna, Evdoxia und Maya sind in ihrer Klasse immer ansprechbar, wenn sich zwei Mitschüler zanken. „Oft geht es darum, dass jemand abgeschrieben hat oder etwas aus dem Mäppchen eines anderen genommen hat“, erzählt Maya. „Dann versuchen wir erst einmal, alle zu beruhigen. Wenn das nicht hilft, können wir uns immer an eine Lehrerin wenden“, so die Elfjährige. Für die vier Mädchen aus der Eingangsklasse steht längst fest, dass sie sich später ebenfalls als Streitschlichter ausbilden lassen werden. Dafür werden sie dann ein Seminar und verschiedene Workshops besuchen.

Für Lehrerin Kerstin Holbe sorgen die Streitschlichter nicht nur für mehr Frieden in den Klassen. „Als Streitschlichter lernen sie die Schule aus einem ganz anderen Blickwinkel kennen. Sie entwickeln soziale Kompetenzen, entdecken neue Fähigkeiten an sich und werden ernst genommen. Das sind wertvolle Erfahrungen für ihr weiteres Leben“, sagt sie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort