"Weltenbrand" von Michael Barfuß Studenten der Alanus Hochschule spielen in der Brotfabrik

Beuel · Im Stück "Weltenbrand" von Michael Barfuß geben Schauspielstudenten der Alanus Hochschule den Soldaten von 1914 eine Stimme.

Thomas Mann spricht im August 1914 vom "großen, grundanständigen, ja feierlichen Volkskrieg". Käthe Kollwitz ist schon zu Kriegsbeginn eine bekannte Künstlerin. Sie lebt mit ihrem Mann, dem Arzt Karl Kollwitz, und den beiden erwachsenen Söhnen Hans und Peter in Berlin. Die bekennende Sozialdemokratin ist innerlich zerrissen, als beide Söhne in den Krieg ziehen wollen, lässt sie aber schweren Herzens gehen. Peter fällt im Oktober 1914 in Belgien. Seine Mutter, die der Schmerz darüber fast zerreißt, wird zur erklärten Pazifistin.

Zwei Persönlichkeiten, zwei Geschichten - zwei, die man kennt, weil sie selbst Literatur- und Kunstgeschichte geschrieben haben. Erstaunlich ist dabei, wie sehr die Sicht während der ersten Tage des Krieges der ganz gewöhnlicher Menschen ähnelt. Doch sind sie das wirklich? Gewöhnlich? Der Vater, der seinem neunjährigen Sohn aus dem Feld schreibt. Warum sein Sterben einen Sinn habe. Auf dass der Junge nie vergessen möge, dass die Menschen im Grunde gleich sind. Ja, auch Franzosen und Deutsche.

Eine Passage, die dem Musiker und Regisseur Michael Barfuß besonders nahegeht. Für sein Theaterstück "Weltenbrand" zum Ende des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren - das heute Abend in der Bonner Brotfabrik Premiere feiert - hat er Briefe und Tagebücher aus den Jahren 1914 bis 1918 gelesen, die deutsche und französische Soldaten und deren Angehörige geschrieben haben.

Studenten im zweiten und dritten Jahr

Persönliche, unverfälschte Worte, die diesen "Weltenbrand" nachzeichnen. Keine distanzierte historische Analyse in Dokumenten und Anmerkungen, sondern direkte Zeitzeugnisse der Beteiligten; im Feld oder an der Heimatfront. Das Ergebnis seiner gut sechs monatigen, Recherche ist ein lebendiges, berührendes, provozierendes Theaterstück. Herz und Humor - beides findet dort seinen Platz.

Beides bekommt seine Stimmen. Und - auch das verstärkt die unmittelbare Wirkung - diese Stimmen stammen von jungen Menschen, die heute im gleichen Alter sind wie die Soldaten, die damals eingezogen wurden. Es sind Studenten aus dem zweiten und dritten Jahr des Diplomstudienganges Schauspiel an der Alanus Hochschule.

Jeder von ihnen wurde von Barfuß eigens für bestimmte Textpassagen ausgesucht. "Und das Verrückte dabei war, meine Einschätzung und die Wünsche meiner Akteure deckten sich zu nahezu 100 Prozent", sagt Barfuß. Inspiriert worden ist er zu diesem außergewöhnlichen Stück bei einer Führung durch die Bonner Ermelkeilkaserne vor gut fünf Jahren.

Weihnachtsfrieden 1914

"Ich habe mich gefragt, wer die Soldaten waren, die von dort aus in den Krieg zogen, die gefallen sind oder als verschollen galten." Sie alle hatten ein Gesicht, einen Namen, eine Identität, eine Familie und Pläne für die Zukunft, als Europa die Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajevo zum Anlass für Generalmobilmachung und "Neuverteilung" von Land und Ressourcen nahm.

"Was uns bei an unserer Arbeit an diesem Stück vor allem interessiert: Wie beeinflusst und verändert der Krieg das Denken und Fühlen?" Wie viel Überzeugungskraft kann ein Satz wie "Deutschland muss groß sein oder untergehen" haben, wenn man die Todesnachricht des Ehemannes, Vaters, Sohnes oder Bruders in Händen hält?

Ein Kapitel darf in einem Theaterstück über den Ersten Weltkrieg selbstverständlich nicht fehlen: Der 1980 auch von dem Briten Jona Lewie in seinem Musikvideo "Stop the Cavalry" nachgestellte Weihnachtsfrieden 1914; eine nicht autorisierte Waffenruhe an einigen Abschnitten der Westfront, wo es vor allem zwischen Deutschen und Briten in Flandern zu spontanen Fraternisierungen kam. Ein paar Stunden Hoffnung, die vier Jahren Hölle auf Erden vorausging. Doch deshalb nicht vergebens, ganz im Gegenteil.

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