Beueler Theatergruppe Theaterspiel ist Therapie und gibt Darstellern Halt im Leben

Beuel · Das inklusive Theater „fulminant“ führt Friedrich Dürrenmatts „Herkules und der Stall des Augias“ in der Beueler Brotfabrik auf. Den Darstellern gibt es Halt, bringt sie aber auch an ihre eigenen Grenzen.

 Das inklusive Theater „fulminant“ führt Friedrich Dürrenmatts „Herkules und der Stall des Augias“ in der Brotfabrik auf.

Das inklusive Theater „fulminant“ führt Friedrich Dürrenmatts „Herkules und der Stall des Augias“ in der Brotfabrik auf.

Foto: Sebastian Flick

In der Atelierbühne auf dem Gelände der Tapetenfabrik laufen die Vorbereitungen in diesen Tagen auf Hochtouren: Szenen werden geprobt, Requisiten geprüft und Texte auswendig gelernt. Ende Oktober feiert das neue Stück des Theaters „fulminant“ Premiere. An gleich zwei Abenden, am 26. und 27. Oktober, wird das inklusive Ensemble mit Friedrich Dürrenmatts „Herkules und der Stall des Augias“ ein satirisches Stück rund um einen gescheiterten Helden auf die Bühne der Brotfabrik bringen.

Für viele der Mitwirkenden ist das Theaterspiel eine Leidenschaft, die ihnen auch dabei hilft, Stabilität in ihr Leben zu bringen und Ängste zu überwinden. Sie haben größtenteils über die Gemeindepsychiatrie Bonn/Rhein-Sieg den Weg zum 2004 gegründeten Theater „fulminant“ gefunden. In den vergangenen 18 Jahren hatte das von der Stiftung der Gemeindepsychiatrie Bonn/Rhein-Sieg geförderte Projekt schon zahlreiche Aufführungen auf die Bühnen gebracht. Bernd Hartneck ist seit 2015 dabei und hat unter anderem in Shakespeares Sommernachtstraum mitgespielt. „Ich wollte schon immer Schauspieler werden, als Kind hatte ich bereits im Schultheater gespielt. Hier im Ensemble fühle ich mich sehr wohl, alles ist sehr familiär. Das Theaterspielen gibt mir einen gewissen Halt im Leben“, sagt Hartneck.

Für Leiterin Vanessa Topf war es etwas neues

Seit 2019 befindet sich das Theater unter der Leitung von Vanessa Topf. Die Regisseurin hat schon vielseitige Berufserfahrung als Theaterpädagogin, Schauspielerin, Dozentin und Autorin gesammelt, doch mit der Leitung eines Ensembles, dem Menschen mit psychischen Erkrankungen angehören, hat auch sie Neuland betreten. „Wir haben mit Improvisationen angefangen“, berichtet die Regisseurin, die gerade eine Ausbildung in Psychodrama abgeschlossen hat. Für viele der psychiatrieerfahrenen Darsteller sind die regelmäßigen Proben zu festen Zeiten eine Herausforderung. „Ich hätte nicht gedacht, dass es zwischendurch so ein harter Weg würde, da einige Mitwirkende durch sehr schwierige Phasen gegangen sind“, erklärt Topf.

Jetzt, wenige Wochen vor der Premiere des neuen Stücks, zeigt sich die Regisseurin sehr zufrieden mit ihrem engagierten Ensemble: „Für viele Darsteller ist es ein großer Schritt, den wir mit unserem aktuellen Stück bisher gegangen sind. Alle Mitwirkenden haben in den vergangenen Monaten unheimlich viel erreicht, sodass wir eine feste Truppe für Ende Oktober aufbauen konnten“, sagt Topf. Nach vielen Einzelproben begann das Ensemble gemeinsam an einzelnen Szenen zu arbeiten. Dabei kann es auch schon mal vorkommen, dass die Inhalte einzelner Szenen manche Darsteller psychisch überlasten: „Wenn wir merken, es geht gerade nicht, unterbrechen wir die Proben sofort. Das können die Darsteller aber inzwischen auch schon sehr gut selbst einschätzen“, berichtet Topf.

Besonders freut sich die Regisseurin, dass jetzt, wo das Bühnenstück gut vorankommt, alle sehr viel Einsatz zeigen. „Einige verabreden sich auch privat und lernen gemeinsam den Text“, sagt Topf. Die Darsteller übernehmen bei der Regisseurin nicht nur Rollen im Stück, sondern sind auch hinter den Kulissen aktiv und entscheiden bei der Kostümwahl, dem Bühnenbild und der Musik mit. „Es ist wichtig, dass sie gefordert werden. Viele entdecken sich als Künstler auf ganz neue Weise“, berichtet Topf.

Improtheater hilft bei der Kommunikation

Michaela Krause ist seit April dabei. „Ich hatte schon gute Erfahrungen mit Improvisationstheater gemacht, als ich vor einigen Jahren in Therapie war. Das Improtheater hatte mir sehr in der Kommunikation geholfen“, blickt sie zurück. Zum Theater „fulminant“ zu gehen, hatte sie viel Überwindung gekostet, wie sie selbst zugibt: „Nachdem ich gefragt wurde, ob ich hier mitmachen möchte, hatte es einige Wochen gedauert, bis ich mich überwunden hatte. Ich bin mit Herzklopfen in den Proberaum gekommen. Ich kannte ja niemanden, aber ich wurde hier sehr herzlich aufgenommen“, erinnert sich Krause. Obwohl die Schauspielerei mit Text für sie Neuland ist, übernimmt Krause im aktuellen Stück gleich vier Rollen.

Ein halbes Jahr nach ihrem Einstieg beim Theater „fulminant“ kann Krause, die unter dem Asperger-Syndrom leidet, zufrieden feststellen, dass sich die Theaterproben sehr positiv auf ihren Alltag ausgewirkt haben. „Ich kann jetzt viel leichter mit Menschen sprechen, die ich nicht kenne. Es ist viel schöner, mit anderen Personen etwas zusammen zu machen, als alleine zu sein, insbesondere dann, wenn man sich in einem schwierigen Lebensabschnitt befindet“, sagt Krause. Auf die Premiere am 26. Oktober freut sie sich sehr: „Ich bin schon positiv aufgeregt.“

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