Namenspate Gustav Korkhaus war glühender NS-Anhänger Uni Bonn benennt Dentalsammlung nach Jahrzehnten um

Bonn · Nach Jahrzehnten trennt sich die Zahnmedizin-Fakultät der Uni Bonn von einem ehemaligen Klinikdirektor als Namenspaten: Gustav Korkhaus war aktiver Unterstützer des Nazi-Regimes. Stattdessen soll nun die Erinnerung an jüdischen Mediziner präsenter werden.

 Blick in die Sammlung zur Geschichte der Zahnmedizin.

Blick in die Sammlung zur Geschichte der Zahnmedizin.

Foto: Helfgen

Sie werden seltener, aber sie sind weiterhin zu finden. Man muss nur genau hinschauen. Es geht um die Namen derer, die dem verbrecherischen System des Nationalsozialismus der Jahre 1933 bis 1945 in Deutschland positiv, wenn nicht gar als fanatische Unterstützer zugewandt waren und die bis heute Pate für Institutionen, Gebäude oder Straßen stehen. Die Universität Bonn hat Anfang 2021 ihre zahngeschichtliche Sammlung umbenannt und damit auch einen Verweis auf die Jahre des Nationalsozialismus getilgt. Über Jahrzehnte hatte niemand die Rolle des Namensgebers Gustav Korkhaus hinterfragt, ehe der Aachener Medizinhistoriker Dominik Groß umfangreiche Studien präsentierte. Sie belegen, dass der ehemalige Zahnklinikdirektor unter anderem umtriebiges Mitglied mehrerer NS-Organisationen war und so mindestens als aktiver Unterstützer des Regimes zu betrachten ist.

Bis dato hatte die von Korkhaus zusammengetragene Schausammlung historischer Geräte, Werkzeuge und Literatur dessen Namen im Titel geführt. 1960 während seiner Zeit als Direktor der Zahnklinik eröffnet, konnte er hier auch einen Teil seiner persönlichen Saubermann-Geschichte pflegen, sagt der Medizinhistoriker Groß. Der untersucht seit 2016 die Rollen von Zahnärzten im Dritten Reich. Dazu hat Groß die Karrieren von mehr als 400 Vertretern der Zunft untersucht und ihre Haltungen im Umgang mit dem NS-Staat analysiert. Korkhaus sei ein herausragendes Beispiel dafür, wie einstige Sympathisanten ihre Nähe zum System ins Gegenteil umgekehrt hätten. „Korkhaus unterhielt enge Kontakte zu hochrangigen Nationalsozialisten und war Mitglied von systemtreuen Institutionen“, sagt Groß. „Vor diesem Hintergrund ist es geradezu grotesk, dass er nach 1945 in einem Entnazifizierungsverfahren als entlastet eingestuft wurde.“

Die Frage nach Gründen, wie und warum Korkhaus für Jahrzehnte quasi unwidersprochen als Namenspatron für die Sammlung stehen konnte, beantwortet der Historiker Groß mit einem Verweis auf dessen offensichtliche Fähigkeit zur Inszenierung: „Korkhaus hat sich nach 1945 an vielen Stellen als Gegner des NS-Regimes dargestellt und ist auch in weiten Kreisen seines Fachgebiets als solcher wahrgenommen worden. Er hat eine Kehrtwende hingelegt, wie sie geradezu klassisch ist – vom Unterstützer und Profiteur zum vermeintlichen Gegner des Nationalsozialismus“.

 Medizinhistoriker Dominik Groß.

Medizinhistoriker Dominik Groß.

Foto: privat

Für Ernst-Heinrich Helfgen kamen die Erkenntnisse über Korkhaus quasi aus dem Nichts. „Uns lagen keine Hinweise auf seine Verstrickung in die NS-Strukturen vor“, sagt der heutige Leiter der Sammlung. Nach den Hinweisen des Medizinhistorikers habe sich der Vorstand des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des UKB zur Umbenennung in Dentalhistorische Sammlung der Universität Bonn entschieden. Die ging dann eher still und leise vor sich. Die fachliche Bedeutung von Korkhaus solle damit nicht relativiert werden, heißt es in einer offiziellen Information.

 Professor Alfred Kantorowicz war bis 1933 Lehrmeister und Amtsvorgänger von Gustav Korkhaus.

Professor Alfred Kantorowicz war bis 1933 Lehrmeister und Amtsvorgänger von Gustav Korkhaus.

Foto: UKB

Aktuell ist die Ausstellung aufgrund der Corona-Situation nicht zu besuchen, das soll sich bald ändern: „Wir möchten so schnell es geht wieder Führungen anbieten“, sagt Helfgen. Im Zuge der Umbenennung rückt auch eine andere Biografie in den Fokus: Künftig soll die Geschichte von Alfred Kantorowicz stärker präsent sein. Der Professor jüdischen Glaubens, der als Wegbereiter der Jugend- und Kinderzahnpflege gilt, war bis 1933 Lehrmeister und Amtsvorgänger von Korkhaus, ehe er von den NS-Verantwortlichen seines Postens enthoben wurde. „Aus der Studentenschaft kam damals keine Unterstützung für ihn, auch nicht von Korkhaus, obwohl dieser Kantorowicz viel zu verdanken hatte“, sagt der Sammlungsleiter. „Wir wollen Kantorowicz und seinen Verdiensten jetzt mehr Raum geben.“

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