Gespräch am Wochenende Vorleserin Annemarie Bechert weckt Neugier auf Bücher

Beuel · Sie sind spannend, sie sind anrührend, sie sind fantastisch, sie sind packend: Seit Jahrtausenden faszinieren und fesseln gute Geschichten die großen und kleinen Menschen überall auf der Welt. Die passionierte Vorleserin Annemarie Bechert erweckt sie zum Leben.

 Annemarie Bechert liest für ihr Leben gern.

Annemarie Bechert liest für ihr Leben gern.

Foto: Max Malsch

Wie sind Sie Vorleserin geworden?
Annemarie Bechert: Ich komme aus der Welt der Buchstaben und habe als Lehrerin für Englisch, Russisch und Deutsch als Fremdsprache in verschiedenen Ländern gearbeitet. Als ich vor zweieinhalb Jahren pensioniert wurde, kam mir am Weltvorlesetag die Idee, etwas in diesem Sinne zu machen. Die Lehrerin einer Förderschule in Bad Godesberg, der ich davon erzählte, war sofort begeistert. Seitdem lese ich dort vor und finde es sehr schön zu sehen, welche Fortschritte die Förderschüler über das Lesen machen. Heute lese ich auch in der Buchhandlung Bartz für und mit Kindern vor.

Warum ist das Vorlesen Ihre Passion geworden?
Bechert: Ich kenne und liebe die Magie von Erzählungen. Mein Vater war ein leidenschaftlicher Geschichtenerzähler und Geschichtenerfinder. Es macht mir großen Spaß, Kindern zu vermitteln, dass sie mit Worten magische Sachen machen können. Gute Geschichten machen neugierig und Lust auf mehr. Das Vorlesen ist eine wichtige Brücke. Denn wenn die Bücher die Kinder - und auch die Erwachsenen - richtig packen, dann nehmen diese sogar die Mühen des Selbstlesens in Kauf.

Wie schaffen Sie es, die Kinder neugierig zu machen?
Bechert: Das ist nicht immer gleich, bei manchen ist es einfacher, bei anderen schwerer, die Neugier zu wecken. Aber mit Einfühlungsvermögen und Beharrlichkeit kann man viel erreichen. Man muss aber auch Freiheit lassen und kann dann immer erleben, wie die Kinder mit Spaß und Kreativität bei der Sache sind. Das funktioniert sogar auch, wenn Deutsch überhaupt nicht die Muttersprache ist. Die Faszination guter Geschichten kennt eben keine Sprachbarrieren.

Was macht eine gute Geschichte mit den Zuhörern?
Bechert: Eine gute Geschichte kann man immer wieder erzählen. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Zuhörer die Geschichte erkennen. Dann wird schon gekichert, bevor die lustige Szene kommt. Das ist wie mit einem Charlie-Chaplin-Film, man weiß, was gleich kommt, doch die Freude darauf ist immer riesig. Eine gute Geschichte wirkt entlastend und bereitet pure Freude.

Sie haben als Fremdsprachenlehrerin immer mit Kommunikation gearbeitet, auch mit Schulen in Osteuropa. Was sagen Sie zur "Sprachlosigkeit" in der Ukraine?
Bechert: Für mich ist der konstruktive Aspekt der Sprache sehr wichtig. In der Ukraine erleben wir gerade, dass gemeinsames Kommunizieren nie selbstverständlich ist, sondern immer wieder erarbeitet werden muss. Doch ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Kommunikation der Schlüssel für ein friedliches Miteinander ist - egal in welcher Sprache.

Wie läuft eine Vorlesestunde ab, wer entscheidet, was gelesen wird?
Bechert: Die Buchhändlerinnen suchen entweder vor Beginn eine Auswahl zusammen oder ich habe mir zuvor etwas Bestimmtes überlegt. Manchmal schaut sich jedes Kind aus der Auswahl eines der Bücher an und wir entscheiden gemeinsam, welches vorgelesen wird. Spannend ist dann, wie die Kinder Kompromisse eingehen oder eine Strategie entwickeln, damit ihr Lieblingsbuch schließlich an die Reihe kommt. In den ersten Stunden sind die Eltern während des Vorlesens oft rausgegangen, aber jetzt bleiben sie meistens im Laden und lauschen hinter den Regalen. Die Magie der Geschichten hört eben nie auf.

Info

Normalerweise liest Bechert jeden dritten Freitag im Monat bei Bücher Bartz in Beuel, Gottfried-Claren-Straße 3, von 16 bis 16.45 Uhr. Im Juli und August fallen die Termine aus, weil Sommerpause ist. Das nächste Mal können Kinder der Vorleserin aber außer der Reihe am Samstag, 30. August, anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Buchhandlung von 10 bis 14 Uhr lauschen.

Zur Person

Annemarie Bechert ist 67 Jahre alt und wuchs in Esslingen auf. Sie studierte Englisch und Russisch an der Universität Konstanz und arbeitete als Lehrerin über 20 Jahre in Bremerhaven. In dieser Zeit war sie je ein Jahr auch als Austauschlehrerin in den USA und in Kanada, wo sie im Rahmen des Deutschunterrichts viel Erfahrung im kommunikativen Fremdsprachenunterricht erwerben konnte.

Auch diese Erfahrungen waren laut Bechert für ihre spätere Arbeit für den unternationalen Schüleraustausch und als Fachberaterin für Deutsch in der Ukraine und als Mitarbeiterin des Goethe-Instituts in Kasachstan hilfreich.

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