Prozessauftakt vor dem Schwurgericht War es ein versuchter Ehrenmord?

BONN · Bis heute kann ein 44 Jahre alter Mann nicht verstehen, warum seine jüngste Schwester ihm vorwirft, dass er sie umbringen wollte. Da die 28-Jährige dies behauptete, muss sich der Familienvater seit Montag mit einem 37 Jahre alten Bruder wegen versuchten Mordes aus niedrigen Beweggründen und gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht verantworten.

Zu Beginn des Prozesses vor der Schwurgerichtskammer umarmten sich die seit gut zwei Monaten in Untersuchungshaft sitzenden Brüder erst einmal herzlich. Der in den Niederlanden lebende 37-Jährige machte zu den Geschehnissen in einem Oberkasseler Mehrfamilienhaus in der Nacht auf den 15. August dieses Jahres keine Angaben.

Sein großer Bruder versuchte am ersten Verhandlungstag hingegen, die erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Laut der Anklage hat das zu einer Großfamilie gehörende Brüderpaar versucht, die Schwester zu ermorden, um deren geplante Hochzeit zu verhindern. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der neue Bräutigam der bereits einmal geschiedenen 28-Jährigen den Brüdern nicht passte - es also um die sogenannte Ehre ging.

Dass er Vorbehalte gegen den neuen Freund hatte, bestätigte der im Nahen Osten aufgewachsene 44-Jährige gestern. Der in Sankt Augustin lebende Mann hörte nach eigenen Angaben, dass der 33-Jährige den ganzen Tag nur Wasserpfeife rauche, viel Alkohol trinke und sich nicht um seine Tochter aus einer vorangegangenen Beziehung kümmere.

Der Angeklagte wollte noch die Musik für die Feier besorgen

Er habe mit seiner jüngeren Schwester auch darüber gesprochen und ihr geraten, den Mann nicht zu heiraten. Als sie ihm später sagte, dass sie den 33-Jährigen doch heiraten wolle, sei er zwar nicht erfreut gewesen. Er und sein mitangeklagter Bruder hätten sich letztlich jedoch dazu entschlossen, die Hochzeit der zur Tatzeit in Bielefeld lebenden Schwester zu unterstützen. Er habe sogar die Musik für die Feier besorgen wollen, so der 44-Jährige.

In der Tatnacht sei er mit dem Bruder nach Oberkassel gefahren, um einen erkrankten Bruder zu besuchen - als in der Verhandlung darüber gesprochen wurde, dass dieser Bruder vor wenigen Tagen gestorben ist, brach der Angeklagte hemmungslos in Tränen aus. Offenbar hatte der Familienvater dies in der Untersuchungshaft nicht mitbekommen. Die Verhandlung musste daraufhin für einige Minuten unterbrochen werden.

Ihre Schwester soll die Angeklagten angegriffen haben

Anschließend betonte der 44-Jährige, dass er gar nicht gewusst habe, dass seine Schwester in jener Nacht bei dem Bruder war. Dass die Brüder sie - wie angeklagt - sofort angegriffen, ihr büschelweise Haare ausgerissen sowie sie bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und getreten haben, bestritt der Angeklagte.

Vielmehr sei die 28-Jährige ausgeflippt, habe ihn angeschrien, weggestoßen und sich selbst immer wieder ihr Handy gegen den Kopf geschlagen. Er frage sich immer noch, warum sein kranker Bruder gerufen habe, dass er ihn und nicht die Schwester umbringen solle.

"Ich habe das gar nicht verstanden." Eskaliert sei die Situation, als ein 45 Jahre alter Bruder eingeschritten sei und sich eine Schlägerei entwickelt habe, an deren Ende der 45-Jährige und die 28-Jährige stationär im Krankenhaus behandelt werden mussten.

"Nie im Leben" war die Antwort des Angeklagten auf die Frage, ob er seiner Schwester jemals damit gedroht habe, sie umzubringen. Sie werde immer seine Schwester sein, auch wenn sie "ein Teufel" ist, der viel lüge, so der 44-Jährige. Der mitangeklagte Bruder hatte in einer richterlichen Vernehmung zu Protokoll gegeben, dass seine kleine Schwester Probleme immer aufbausche. Der Prozess wird mit der Vernehmung der Opferzeugen fortgesetzt.

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