Weihnachtsvorstellungen im Jungen Theater Bonn Warten auf Pippi Langstrumpf

Beuel · Eins, zwei, drei – durchzählen. Das ist eine der Hauptaufgaben der Betreuer beim Besuch der Weihnachtsvorstellung im Jungen Theater Bonn (JTB). Seit Wochen sind die Vorstellungen ausverkauft. Jeden Morgen halten Busse an der Hermannstraße. Heerscharen schnatternder, aufgeregter Kinder strömen Richtung Theater.

 Bereits um 9 Uhr morgens stehen Scharen von Kindern für die erste Vorstellung vor dem Jungen Theater Bonn.

Bereits um 9 Uhr morgens stehen Scharen von Kindern für die erste Vorstellung vor dem Jungen Theater Bonn.

Foto: Benjamin Westhoff

Insgesamt versammeln sich auf einen Schlag rund 450 Grundschüler und Kindergartenkinder aus Bonn und Umgebung vor der Tür. Aber: Schön der Reihe nach, Ordnung muss sein. Die Betreuer sparen nicht an Ermahnungen, müssen ihre Augen überall haben. Die Straße, der Verkehr, in Zweierreihen marsch. Pippi Langstrumpf ist diesmal der Star der Weihnachtsvorstellung für die Fünf- bis Achtjährigen. Wenn sie mit ihrem Pferd Kleiner Onkel und Äffchen Herr Nilson die Bühne betritt, wird es mucksmäuschenstill.

Dass Hunderte von Kindergartenkindern und Grundschülern auf ihren Plätzen sitzen, wenn sich der Vorhang öffnet, ist logistische Maßarbeit. Die Herausforderung für die Betreuer, vor allem aber für das JTB-Team besteht darin, die Kinder klassenweise geordnet durch ein Zeitfenster und eine Tür zu schleusen. Durcheinander wäre nicht gut. Knackpunkt ist, wenn rund 450 Kinder nach der 9-Uhr-Vorstellung hinaus und 450 in die 11-Uhr-Vorstellung hinein wollen.

„Es funktioniert zwar ohne “Plutimikation„“, sagt JTB-Intendant Moritz Seibert in Anspielung auf Pippi, „aber nur mit Pünktlichkeit.“ Wenn sich die Busse verspäten, weil sie im Stau stehen, wird es hektisch. Die Vorstellung kann nicht pünktlich beginnen. Ganz zu schweigen von der Geduld der bereits wartenden Kinder, die sich in Grenzen hält.

„Wenn ihr so laut seid, erschreckt ihr die Schauspieler“ – die Ermahnung einer Betreuerin an die Kindergartengruppe erfüllt umgehend ihren Zweck. Für mindestens zwei Minuten. „Irgendwie bekommen wir das immer hin“, sagt Seibert, den derzeit eher die Sorge umtreibt, dass ein Teil des Ensembles erkältet ist, Vorstellungen aber keinesfalls ausfallen dürfen.

Die Weihnachtsvorstellung des JTB ist für viele Schulen fester Bestandteil. „Wir kommen jedes Jahr mit den zweiten Klassen“, sagt Inge Roperz von der Bernhardschule in Auerberg. In ihrer Obhut sind 50 Kinder. Auch die Lehrerinnen würden sich jedes Mal auf die Vorstellung freuen. Dem kann Gabriele Bayer, die mit 22 Kindern aus Sankt Augustin angereist ist, nur zustimmen. Natürlich sind sie froh, wenn alle wieder wohlbehalten zu Hause sind. „Aber es ist immer eine schöne Erfahrung für die Kinder, die sie noch eine ganze Weile beschäftigt und in Erinnerung bleibt“, sagt die Betreuerin.

Drei??? statt Pippi

Ein größeres Lob kann es für den Intendanten Seibert, seinen Stellvertreter Lajos Wenzel und die Teams vor und hinter den Kulissen kaum geben. Immerhin ist das JTB das bestbesuchte Kinder- und Jugendtheater Deutschlands. „Kinder lesen heutzutage viel früher viel komplexere Geschichten“, sagt Seibert. „Das verändert ihre Sicht auf die Welt und auch ihre Erwartungshaltung.“ Die Kunst besteht also darin, sie mit dem Stück anzusprechen und ihre Aufmerksamkeit zu wecken, was angesichts zunehmender Reizüberflutung immer schwieriger wird.“

Das Mädchen Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf hat offenbar das Zeug dazu. Vor 70 Jahren hat sich Astrid Lindgren die Figur zur Unterhaltung für ihre Tochter ausgedacht, die krank im Bett liegen musste. Pippi kann nicht rechnen, dafür aber ein Pferd hochheben und ganze Torten verschlingen. Sie macht, was sie will und lässt sich nichts gefallen – erst recht nicht von Erwachsenen. „Einerseits inszenieren wir das Stück werktreu, gestalten aber die Figur zeitgemäßer, psychologisch komplexer“, erläutert Seibert. „Der Impuls des Stücks muss so interessant sein, dass die Kinder sich voll und ganz darauf einlassen. Der Theaterbesuch bedeutet dann für sie Erholung von der permanenten Reizüberflutung.“

An einem Detail lässt sich feststellen, wie Kindheit sich verändert hat, meint Seibert. Pippi ist neun Jahre alt. „Aber für Neunjährige heutzutage kommt das Stück eher nicht in Frage. Sie fühlen sich dafür zu alt.“ Für sie stehen andere Stücke auf dem Programm wie beispielsweise „Die drei ???“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort