Gebietsreform im Jahr 1969 Warum Beuel ohne Bonn heute anders ausgesehen hätte

Beuel. · Die Gebietsreform im Jahr 1969 hatte entscheidende Auswirkungen auf die Entwicklung Beuels. Die zwei wandelnden Geschichtsbücher Erwin Eilert und Willi Winterscheid erinnern sich an die NRW-Raumordnung.

 Der Bonner Stadtbezirk Beuel von oben.

Der Bonner Stadtbezirk Beuel von oben.

Foto: Benjamin Westhoff

Sie sind wandelnde Geschichtsbücher und kennen Beuel wie ihre Westentasche. Von der Nachkriegszeit bis heute haben sie die Entwicklung Beuels positiv kritisch verfolgt, teils sogar mitgestaltet. Willi Winterscheid und Erwin Eilert sind seit vielen Jahren im Ruhestand, verfolgen aber nach wie vor die Entwicklung des rechtsrheinischen Stadtbezirks.

Auf die Frage, ob die Kommunale Gebietsreform im Jahr 1969 und der damit verbundene Zusammenschluss mit Bonn die richtige Entscheidung war, antworten beide übereinstimmend mit "Ja". "Beuel wäre nicht das geworden, was es heute ist. Die sogenannte Raumordnung war ein Gewinn für Beuel, aber auch für die anderen betroffenen Städte und Gemeinden", sagte Erwin Eilert. Der 89-Jährige arbeitete bis zu seiner Pensionierung 1994 als stellvertretender Leiter im Tiefbauamt der Stadt Bonn.

Willi Winterscheid ergänzt: "Man hätte aber 1969 die Grenzen Bonns weiter fassen müssen. Heutzutage wird die Enge Bonns und die damit schlechten Entwicklungsmöglichkeiten erst richtig deutlich." Der 86-Jährige ist ebenfalls 1994 pensioniert worden und arbeitete zuletzt als stellvertretender Leiter im Büro des Oberbürgermeisters.

"Der Raumordnung ist es zu verdanken, dass alle Häuser Bonns am Kanal angeschlossen sind. Aber man hätte in der Zeit mehr erreichen müssen - vor allem auf dem Verkehrssektor", betonte Eilert. Maarstraßenanschluss und Südtangente - bei diesen beiden Themen habe die Stadt Bonn sich über Jahre verzettelt, darin sind sich beide einig. Auch die Ortsumgehung Pützchen habe die Stadtverwaltung verschlafen. Die Fehler seien schon in ihrer aktiven Zeit gemacht worden und hätten sich bis heute fortgesetzt.

"Wir sind zu lange raus dem Geschäft und wollen die heutigen Kollegen auch nicht schelten. Aber das Millionenloch Beethovenhalle hätte nach dem WCCB nicht mehr passieren dürfen", ärgert sich Winterscheid. Am 18. Oktober 1944 sei die Frauenklinik bei einem Luftangriff zerstört worden. Auf diesen Schuttbergen habe man damals die Beethovenhalle errichtet. "Die älteren Bonner wissen das, man muss sie nur fragen", so Winterscheid.

Allerdings räumen Eilert und Winterscheid ein, dass die Entscheidungsprozesse in den 1960er- und 1970er-Jahren einfacher gewesen seien. Damals hätten nicht so viele Gruppierungen mit geredet. "Wir Verwaltungsleute kannten uns von gemeinsamen Lehrgängen, was das Zusammenarbeiten nach der Eingemeindung deutlich erleichtert hat", sagte Winterscheid, der seine Ausbildung 1947 bei der Gemeinde Beuel begonnen hat. Erst fünf Jahre später erhielt Beuel die Stadtrechte.

Weitere vier Jahre später, 1956, stieß Erwin Eilert zum Bauamt der Stadt Beuel. Damals bestand die Stadtverwaltung aus 200 Mitarbeitern. Zum Vergleich: Heute zählt die Stadt Bonn mehr als 6500 Angestellte. "Die Stadt Beuel wurde sehr sparsam geführt. Rote Zahlen gab es keine. Das Hallenbad wurde ohne einen Kredit gebaut", sagte Eilert.

Vorwürfe der Bonner gegenüber den Beuelern

Nach der Raumordnung im Jahre 1969 warfen die Bonner den Beuelern vor, den Ausbau des Kanalnetzes vernachlässigt zu haben. "Dieser Tatbestand lässt sich aus der Zeit heraus begründen. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es, die Wohnungsnot zu lindern. Straßen- und Kanalbau waren zweitrangig. Wir haben damals viele Wirtschaftswege gebaut, damit der Hochbau realisiert werden konnte", erklärte Eilert.

1956 wurde ein Generalentwässerungsplan mit dem Entwicklungsziel aufgestellt, dass Beuel einmal 75.000 Einwohner zählen würde. Bis zum heutigen Tag sind es allerdings noch keine 70.000. Was folgte, war ein Generalverkehrsplan, der sogenannte Hinterleitner-Plan. Dieses Papier enthielt schon damals die Großprojekte: Nord- und Südbrücke, L16 und B56.

1969, als durch das Raumordnungsgesetz des Landes größere und leistungsfähigere Verwaltungseinheiten geschaffen werden sollten, rebellierte Beuel. "Eine Bürgerinitiative mit dem Namen 'Beuel bleibt Beuel' gründete sich, sammelte 35.000 Unterschriften und reichte ein Volksbegehren beim Land ein", sagte Winterscheid. Auch die Stadt Beuel klagte gegen das Land Nordrhein-Westfalen. "Uns war klar, dass wir nicht gewinnen konnten, aber wir wollten alles versuchen", so Winterscheid.

Beuel verlor den Prozess bekanntlich, war aber nach Ansicht von Eilert und Winterscheid ein fairer Verlierer. "Als feststand, dass Beuel eingemeindet wurde, stand Beuels letzter Bürgermeister Hans Steger voll und ganz hinter der Entscheidung", erinnerte sich Winterscheid. Als die Verwaltungen zusammengeworfen wurden, erhielten einige Beueler verantwortungsvolle Positionen in Bonn: Franz Brock, letzter Beueler Stadtdirektor, wurde Beigeordneter, Beuels Kämmerer Hermann Krahe übernahm das Steueramt, Alexander Ballensiefen das Sozialamt und Franz-Josef Distelrath das Amt für Statistik und Wahlen.

Winterscheid, der nach der Raumordnung ins Amt Oberstadtdirektor wechselte, denkt heute noch ungerne an die ersten Ratssitzungen nach der Eingemeindung: "Manchmal dauerten die Beratungen 18 Stunden. Jeder Politiker wollte seine Meinung zu jedem Thema sagen. Erst als die Funktion des Fraktionsvorsitzenden geschaffen wurde, endeten die Marathon-Sitzungen."

Und Eilert ergänzte: "Wir Beueler konnten in Bonn viel bewegen. Die Verbundenheit untereinander war groß, und die Wege in der Verwaltung kurz." Winterscheid erinnert sich an den Begriff "Beueler Mafia", der öfters in der Beigeordneten-Konferenz gefallen sein soll, wenn es darum ging, für die Schäl Sick ein Projekt genehmigt zu bekommen.

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