Interview mit Gerhard Samson Was macht der Nikolaus aus Beuel an Heiligabend?

Beuel. · Über Wochen war der Nikolaus im Einsatz. An Heiligabend hat er nun Feierabend, sitzt im Sessel und genießt die Ruhe. Das Schenken am Weihnachtsbaum überlässt er anderen. Betrachtet er Christkind und Weihnachtsmann als Konkurrenz?

 Leo und Luca greifen in den Beutel des Nikolaus (Gerhard Samson) auf der Burg Lede.

Leo und Luca greifen in den Beutel des Nikolaus (Gerhard Samson) auf der Burg Lede.

Foto: Benjamin Westhoff

Gerhard Samson aus Limperich verkörpert seit vielen Jahren den Nikolaus. Er gibt dem Heiligen Mann Stimme und Präsenz. Seine Worte sind sehr wohl bedacht, verknüpfen Tradition und Moderne. Über seine Rolle in der heutigen Zeit sprach Samson mit Holger Willcke.

Nutzt der Nikolaus ein Handy?

Gerhard Samson: Natürlich. Terminstress und Verkehrsdichte lassen auch den Nikolaus nicht immer pünktlich sein. Da muss ich meine Verspätung doch ankündigen.

Wie kann ein Schlitten denn im Stau stecken bleiben?

Samson: Mein Schlitten ist in der Regel die Linie 66 – und die kommt schon mal zu spät.

Sind Christkind und Weihnachtsmann Kollegen oder Konkurrenten?

Samson: Weder noch. Jeder von uns erfüllt seine Rolle. Für mich steht natürlich Nikolaus im Vordergrund. Beim Thema Schenken habe ich die ältesten Rechte. Bereits im dritten Jahrhundert nach Christi Geburt habe ich als junger Bischof Geld an viele arme Menschen verteilt. Das Christkind stammt aus der Lutherzeit und wurde als Gegenfigur zum Nikolaus über die Jahrhunderte etabliert. Ja, und der Weihnachtsmann, den gibt es wohl erst seit den 1950er-Jahren und ist eine Erfindung der Geschenkeindustrie.

Der Weihnachtsmann sieht dem Nikolaus aber oft sehr ähnlich – oder?

Samson: Nein, das stimmt nicht. Sein Gewand gleicht einem roten Bademantel und seine Kopfbedeckung ist doch eine Zipfelmütze. Der Nikolaus trägt hingegen ein bischöfliches Gewand, eine Mitra, eine weiße Albe und den Bischofsstab. Das zeugt von Tradition und Stil.

Was ist dem Nikolaus bei seinen Besuchen wichtig?

Samson: Das man sich gegenseitig zuhört, dem Gegenüber Zeit für Worte und Gesten schenkt.

Als junger Bischof ging es Nikolaus um die Bekämpfung von Armut und Hungersnöten. Welche Themen sind dem alten Nikolaus wichtig?

Samson: Eigentlich hat sich da nicht viel geändert. Der Nikolaus trifft heute nicht mehr so oft auf materielle Armut, dafür aber auf menschliche Armut. Will sagen: Ich werbe für ein Miteinander. Dafür, dass Menschen wieder mehr Zeit gemeinsam verbringen, um sich auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu besinnen. Von Digitalisierung getriebene Alltagshast ist der Feind des Zuhörens, des Mitfühlens und des Füreinanderdaseins. Mal das Smartphone beiseite legen und den Eltern zuhören. Das versuche ich in meinen Gesprächen mit jungen Menschen zu vermitteln.

Und was sagen Sie alten Menschen?

Samson: Das hängt ganz von deren Lebenssituation ab. Oft lese ich ihnen ein Gedicht aus ihrer Jugend vor und merke dabei, wie sie ruhig und friedlich werden. Hoffnung und Mut sind Werte, die Nikolaus gerne an Alte und Kranke vermittelt.

Und wie feiert der Nikolaus Weihnachten?

Samson: Ruhig und bescheiden. Geschenke spielen in meinem Alter keine Rolle mehr. Familie und Traditionen sind mir an diesen Tagen wichtig. Ich lese Texte aus meiner alten Bücker-Bibel vor und erinnere mich dabei gerne an meine eigene Kindheit. Damals hat das Schenken noch eine ganze andere Bedeutung gehabt. Kommerz war kein Thema, neue Socken oder vielleicht ein Pullover lagen an der Krippe.

Welche Tradition ist für den Nikolaus wichtig?

Samson: Das Zusammenkommen an der Krippe. Ich besitze 30 Zentimeter hohe Rupfen-Figuren, die vor der Krippe eine besondere Atmosphäre erzeugen. Und bei mir erklingt immer das Soester Gloria, das ich schon als Schüler im Chor des Gymnasiums gesungen habe. Das hat was mit Heimat zu tun und weckt Erinnerungen an die eigene Kindheit.

Geht Nikolaus mit der Zeit?

Samson: Ja, das muss er, sonst hört ihm niemand mehr zu. Die Kunst ist, die Tradition zu bewahren, aber auf die Fragen des Jetzt Antworten zu haben.

Gibt es auch lustige Fragen?

Samson: Ja, die stellen meist Kinder. Ein Junge hat mich gefragt, ob der Nikolaus aufs Klo geht? Oder – wie kommt der Nikolaus ins Haus? Die jeweiligen Antworten müssen glaubhaft sein, wenn man will, dass man ernst genommen wird.

Und wie denken Sie über den Nikolaus?

Samson: Es ist erstaunlich, dass Nikolaus über so viele Jahrhunderte an Bedeutung nicht verloren hat. Weiter so und frohe Weihnachten.

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