Gespräch am Wochenende Willi Thiel ist ein Urgestein der Bonner Chorszene

Beuel · Schon als Jugendlicher entdeckte Willi Thiel seine Leidenschaft zum Gesang und die Liebe zur Musik. Vor 50 Jahren begann Thiels Zeit als Chorleiter, in der er manche Höhen und Tiefen erlebte. Im Gespräch mit Patrycja Muc sprach der Dirigent des Männergesangsvereins (MGV) 1895 Loreley-Liküra über die Herausforderungen im Choralltag und den problematischen Nachwuchsmangel in der Region.

 Schon als Jugendlicher entdeckte Willi Thiel seine Leidenschaft zum Gesang. FOTO: MAX MALSCH

Schon als Jugendlicher entdeckte Willi Thiel seine Leidenschaft zum Gesang. FOTO: MAX MALSCH

Foto: Max Malsch

Herr Thiel, wie sind Sie Dirigent geworden?
WilliThiel: Mit 15 Jahren habe ich im Kirchenchor in Küdinghoven gesungen. Als dort ein Blasorchester gegründet wurde, bin ich eingestiegen und lernte, Posaune zu spielen. Der Chorleiter hat mich später gefragt, ob ich Dirigent werden wollte. Vielleicht, weil ich die Musik immer mit viel Disziplin praktiziert habe oder besonders engagiert war. Jedenfalls habe ich zugestimmt - auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie man das macht. Schließlich war ich Dilettant.

Welche Stationen haben Sie in den über 60 Jahren Chor- und Orchestererfahrung durchlaufen?
Thiel: Das waren einige. In der Regel werden Chöre um die 15 Jahre betreut. Bei mir fing alles 1955 an. Da wurde ich Dirigent des Blasorchesters in Küdinghoven, zehn Jahre später habe ich den Leichtmetallerchor bei meinem damaligen Arbeitgeber, den Vereinigten Leichtmetallwerken, übernommen. Über Mund-zu-Mund-Propaganda kam ich zu weiteren Chören wie dem Bäckerchor, den es leider nicht mehr gibt. Seit vier Jahren leite ich nun den Männergesangsverein (MGV) Loreley, sodass ich bis heute insgesamt sieben Chöre dirigiert habe.

Was ist die größte Herausforderung beim Dirigieren?
[kein Linktext vorhanden]Thiel: Für einen Außenstehenden mag es einfach aussehen, aber es ist unglaublich anstrengend. Versuchen sie mal, Ruhe in eine Menschenmenge von über 100 Musikern zu bringen. Als Dirigent für Ruhe nach vorne zu den Musikern und nach hinten zum Publikum zu sorgen, diese Fixierung ist die größte Herausforderung. Man muss die Ausstrahlung haben. Dafür bin ich bekannt: Wenn es nicht ruhig ist, fange ich nicht an. Und wenn es unruhig wird, höre ich auf.

Wie haben Sie es geschafft, die vielen Musiker in Einklang zu bringen?
Thiel: Mein Motto war stets: Entweder ganz oder gar nicht. Deshalb habe ich ab 1966 zwei Jahre lang die Musikhochschule in Köln besucht. Hier lernte ich alles über das Dirigieren, die Harmonielehre und das Einstudieren der Musik mit dem Chor. Das hat mir sehr geholfen. Ich hatte immer gute Lehrmeister. Das Wichtigste ist jedoch der Spaß an der Musik. Man muss sich der Situation anpassen, ohne irgendetwas zu erzwingen. Ich erinnere mich noch an eine Probe, als es sehr heiß war. Nach einem Lied habe ich aufgehört und gesagt: Die vierte Runde im Gasthof geht auf mich. Was meinen Sie, wie schnell die ersten drei Runden bestellt waren?

Was war Ihr persönlicher Höhepunkt in all den Jahren?
Thiel: Vor einigen Wochen haben wir gemeinsam mit den Bläserfreunden Niederdollendorf und dem Tambourcorps Oberkassel eines meiner Lieblingsstücke am Finkenberg aufgeführt: den großen Zapfenstreich. Es war mein großer Wunsch, dass das Orchester ihn zu meinen Ehren spielt. Daneben gab es einen ganz besonderen Moment in den 80er Jahren: Beim 100-jährigen Jubiläum in Schwarzrheindorf durfte ich als Neuling ein 50-köpfiges Orchester und 120 Sänger dirigieren. Das war ein Traum. Solche Auftritte haben mich beflügelt. Heute gibt es leider kaum noch Möglichkeiten, in solch einem Rahmen aufzutreten.

Warum sind Auftritte zu einer Seltenheit geworden?
Thiel: In den Vereinen passiert nichts mehr. Den Zusammenhalt, den es früher gab, kriegen Sie nur über Festivitäten. Und die werden immer seltener. Früher sind wir bei Goldhochzeiten im Ort oder etwa beim Montagsball aufgetreten. Es war wie eine große Kirmes, auf der man sich getroffen hat. Heute finden diese Veranstaltungen nicht mehr statt. So fehlt der Kontakt, über den Auftritte generiert werden könnten. Hinzu kommt der Mangel an Lokalitäten. Es ist wie eine Schranke, vor der wir stehen. Wir finden weder die Örtlichkeiten, um uns auszutauschen, noch die Leute, die sich interessieren. Wenn sie nicht mehr angefragt werden, macht es keinen Sinn.

Warum halten Sie dennoch am Chor fest?
Thiel: Weil es mir immer noch viel Spaß macht. Im MGV Loreley sind wir seit vier Jahren kontinuierlich rund 25 Mitglieder. Wir würden uns zwar Neuzugänge wünschen, aber mit dieser festen Gruppe sind wir mittlerweile ein eingespieltes Team. Die Musik macht mich aus. Ich habe als junger Sänger im Kirchenchor begonnen und bin zu einem Dirigenten geworden. Solange meine Gesundheit mitspielt, mache ich weiter.

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