Denkmäler in Beuel Wohnen im großbürgerlichen Stil

OBERKASSEL · Chef und Arbeiter leben Tür an Tür in unmittelbarer Nachbarschaft: Auf der linken Straßenseite residiert der eine, gegenüber auf der rechten steht die Fabrik, und am Ende der Straße wohnen die Beschäftigten mit ihren Familien. Das "Hüsersche Viertel" in der Simonstraße ist somit eine kleine "Siemensstadt" am Rhein.

 Das Hüsersche Viertel hat der Historiker Helmut Kötting eingehend studiert.

Das Hüsersche Viertel hat der Historiker Helmut Kötting eingehend studiert.

Foto: Max Malsch

Zugleich spiegelt das Ensemble mit der 1990 unter Denkmalschutz gestellten "Villa Hüser" in der Simonstraße 13 rund hundert Jahre Industriegeschichte in Oberkassel.

"Damals engagierten sich Karl Heinz Offergeld und der Heimatverein Bonn-Oberkassel stark dafür, die Villa unter Denkmalschutz zu stellen, denn das Gebäude, so die Erklärung vor 25 Jahren, biete 'neben anderen nahe liegenden Villen und Bürgerhäusern noch heute einen Eindruck von der Darstellung großbürgerlichen Lebensstils in unmittelbarer Nähe zum Rheinufer?", berichtet Helmut Kötting, Zweiter Vorsitzender des Heimatvereins Oberkassel.

Gegenüber der Villa weist eine Tafel vor den Häusern Simonstraße 14 den aufmerksamen Passanten auf die "Hüsersche Fabrik" hin, in der Kaufmann und Bauunternehmer Hartwig Hüser (1834 - 1899) die ersten Betonwaren herstellte. "Die Namensgebung Hartwig-Hüser-Straße, eine Verbindungsstraße zwischen Königswinterer- und Bernhardstraße, spiegelt ebenfalls die Wertschätzung der Gemeinde gegenüber diesem Industriellen wider, dessen Firma ?Hüser und Co. Betonwerke? mehr als hundert Jahre vielen Oberkasselern Arbeit und Brot sicherte", sagt Kötting.

Hartwig Hüser, der "Mann mit neuen Ideen"

Die Heimathistorikerin Aenne Hansmann habe Hartwig Hüser als einen "Mann mit neuen Ideen" ausführlich gewürdigt - nachzulesen im Band "Oberkasseler Persönlichkeiten" der Schriftenreihe des Heimatvereins Bonn-Oberkassel. Hüser, der frühzeitig die Möglichkeiten des neuen Werkstoffes Beton erkannt hatte und nun weiterentwickeln wollte, zog 1870 von Hamm nach Oberkassel, übernahm am 1. April 1870 die kleine Werkstatt der Firma Sadée und begann mit der Fabrikation von Betonwaren.

Der Betrieb wurde im neu errichteten, zweigeschossigen Gebäude (Simonstraße 14) aufgenommen. Hüser war sehr erfolgreich, und bald wurde die alte Hüsersche Fabrik zu klein. So kaufte er ein großes Gelände zwischen der Oberkasseler Brauerei und der Kalkuhl-Schule, auf dem bis 1895 eine Fabrik mit Dampfmaschinen, eigener Stromerzeugung und Bahnanschluss entstand.

"Nach dem plötzlichen Tode Hüsers übernahmen seine Söhne Dr. Alfred und Hugo Hüser die Geschäftsführung und führten die Firma zu großem Ansehen. Es wurden Zementröhren für die Kanalisation, Gehwegplatten, Bordsteine, Brückenbau, Industriegebäude, Fabrikanlagen, Wohn- und Schulbauten und vieles mehr gefertigt", berichtet Kötting, promovierter Historiker und ehemaliger Direktor des Beethoven-Gymnasiums. Auch um 1870 ließ Hüser gegenüber seiner Fabrik in der Simonstraße eine Villa bauen, die er mit seiner Familie bewohnte.

Ein Hüsersches Viertel in Oberkassel

"Am Ende der Simonstraße lebten hauptsächlich Werksangehörige, sodass quasi ein Hüsersches Viertel in Oberkassel entstanden war", erläutert Kötting. Alfred Hüser gab dem Kölner Architekten Wilhelm Kurth 1913 den Auftrag, das Haus innen und außen zu einer Villa im Landhausstil umzubauen und zu erweitern mit einem Gärtnerhaus, einem Garten- und Gewächshaus sowie mit einem großen Park mit Rasenflächen, Teichen, einer Lavagrotte und einem wunderbaren Baumbestand.

Der Steuerberater Rudolf Behrle kaufte 1939 die Villa und vermietete sie an die "Deutsche Provinz" der Ordensgemeinschaft der Herz-Jesu-Priester. Die richteten dort ein Studienhaus für Theologiestudenten ein - das "Johanneskolleg". "Es sollte damit einer Enteignung im Zuge des nationalsozialistischen ?Klostersturms? entgehen", berichtet Kötting.

Da viele der jungen Studenten bei Kriegsausbruch eingezogen wurden, diente das Haus zeitweise als Zufluchtsstätte für ältere Mitbrüder. Nach dem Krieg kaufte die "Provinz" das gesamte Anwesen, das 1952 zum "Provinzialat der Herz-Jesu-Priester" wurde, zum Leitungshaus für die "Deutsche Provinz" des Ordens, so der Historiker. "Der Orden hat die ?Villa Hüser? nicht nach den Vorstellungen klösterlicher Armut gebaut, sondern der Not der Zeit geschuldet, als eine ?Kostbarkeit? Oberkassels gepflegt und bewahrt, bis er das Anwesen unlängst verkaufte", berichtet Helmut Kötting.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort